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Reportagen

Am anderen Ende …

Heißluftballon überm Weinanbaugebiet im Yarra Valley

Heißluftballon überm Weinanbaugebiet im Yarra Valley

© Visit Victoria

Känguruhs hautnah

Känguruhs hautnah

© Visit Victoria

Die Twelve Apostles (dt. Zwölf Apostel) sind bis zu 60 m hohe, im Meer stehende Felsen aus Kalkstein. Sie bilden einen der Höhepunkte an der Great Ocean Road im Südosten Australiens.

Die Twelve Apostles (dt. Zwölf Apostel) sind bis zu 60 m hohe, im Meer stehende Felsen aus Kalkstein. Sie bilden einen der Höhepunkte an der Great Ocean Road im Südosten Australiens.

© Adobe Stock/Ashley Whitworth

Flinders Street Station in Melbourne

Flinders Street Station in Melbourne

© Adobe Stock/Aleksandar Todorovic

Skyline von Melbourne

Skyline von Melbourne

© Adobe Stock/sean heatley

Hopetoun Falls im Great Otway National Park in Victoria

Hopetoun Falls im Great Otway National Park in Victoria

© Shutterstock/Sara Winter

Speziell für die Sängerin Nellie Melba kreiert: das Dessert „Pfirsich Melba“

Speziell für die Sängerin Nellie Melba kreiert: das Dessert „Pfirsich Melba“

© Adobe Stock/Janna

Melbourne, Australiens zweitgrößte Stadt, gilt als Trendschmiede des fünften Kontinents und liegt im Bundesstaat Victoria. Dieser nimmt gerade mal drei Prozent des Kontinents ein, beherbergt jedoch 30 Prozent der endemischen australischen Tiere.

Karl Teuschl (Text und Bilder)

Letzten Februar musste Michael Leaney um Walhalla bangen. Februar ist Hochsommer in Australien, und Blitze lösten damals einen Waldbrand in den Australischen Alpen aus. Zum Glück löschte ein Regenschauer die Flammen. Nur ein Haus im Ort brannte ab. Mehr wäre wirklich schade gewesen, denn Walhalla ist für australische Verhältnisse richtig historisch. Ein Norweger hatte hier 1863 Gold entdeckt und seine Mine hoffnungsfroh nach dem altgermanischen Paradies benannt. Mit seinen Wildwestfassaden sieht das Bergbaudorf heute ein bisschen wie eine Filmkulisse aus. Was es auch schon öfters war.

Michael Leaney ist der Bürgermeister von Walhalla. Der jungenhaft wirkende, blonde Mittvierziger herrscht über gut 3000 Quadratkilometer Eukalyptuswälder, Schluchten und sanft gerundete Bergzüge. Das ist etwa so, als hätte das Saarland einen Bürgermeister und nur 20 Einwohner. „Wir sind hier alle Multitalente, wir machen alles selber,“ erzählt er.

Von der Goldgrube zur Filmkulisse  

Das müssen sie auch, denn Melbourne ist als nächste größere Stadt fast 200 Kilometer entfernt. So betreibt Michael das einzige kleine Hotel der Fast-Geisterstadt, hilft im Sandwich-Laden aus und ist als Bürgermeister auch der Feuerwehrchef. Für die Menschen im Outback von Australien ist das nicht ungewöhnlich. Michael hat dazu eine klassisch australische Abstammung: „Mein Ururgroßvater wurde mit 14 Jahren als Dieb nach Australien verbannt, weil er in London ein Taschentuch und eine Taschenuhr gemopst hatte. So war das damals.“

55 Tonnen Gold produzierten die Minen von Walhalla bis 1910. Es gab acht Saloons in der Stadt, 4000 Einwohner und Schulen für 500 Kinder. Sogar eine Eisenbahn wurde damals von der Küste nach Walhalla gebaut. Gerade rechtzeitig zum Ende des Goldbooms. So wurden auf den Schienen dann die verlassenen Häuser der Miners abtransportiert. Heute stehen diese Bergarbeiter-Häuser überall im Süden Australiens, leicht zu erkennen an ihren typischen runden Dachkanten. Die Eisenbahn der Gold-gräber ist Walhalla geblieben und fährt heute Besucher durch die duftenden Eukalyptus- und Farnwälder der Australischen Alpen. Sattgrün sieht alles aus, fast wie ein Dschungel. Grund dafür ist die Lage: Victoria ist der südlichste Bundesstaat Australiens, nur die Insel Tasmanien liegt noch weiter in Richtung Ant-arktis. Dies ist nicht das klischeehaft rote, sonnenverbrannte Australien – es ist grün und auch nicht ganz so heiß. 32 statt 42 Grad. Recht angenehm. 

Grüne Landschaft, reiche Tierwelt

Trotz der periodischen Waldbrände ist es im Süden Australiens um Melbourne feuchter und grüner als im heißen Landesinneren und im Norden. Deshalb leben hier mehr Menschen – und auch mehr Tiere. Mehr Wachstum an Bäumen und Gräsern sorgt für eine reichere Tierwelt. Immer wieder weiden Känguruhs in den Wiesen, sitzen Koalas in den Eukalyptusbäumen, zupfen Emus an den Büschen, rascheln seltsame Schnabeltiere – Platypus heißen sie – durchs Unterholz. 

Noch auffälliger ist die Vogelwelt: laut, bunt, überraschend anders als in Europa. Weiße Kakadus, knallbunte Sittiche, glucksende Kokaburra, die ständig andere Vögel nachmachen, und australische Elstern, die stets ein bisschen zerrupft aussehen. In den großen Lagunen von Gippsland im Osten Melbournes gibt es sogar Kolonien von schwarzen Schwänen (ungefärbt und ganz natürlich), die neben den weißen Pelikanen besonders skurril wirken. Zahlreiche Parks wie die Gippsland Lakes oder Wilson’s Promontory schützen die Natur Victorias. Aber auch die Bundeshauptstadt Melbourne lohnt sich sehr. Jedes Jahr wird die Metropole unter die lebenswertesten Städte der Welt gewählt. Wegen des Klimas, der Strände, der Kunst und der jungen Szene. Und bestimmt auch wegen des Weins.

Gleich nördlich von Melbourne, keine Stunde Fahrt entfernt, liegt das Yarra Valley. Seit 1838 wird hier Wein angebaut. Damals wohl für die Goldsucher Australiens, die sich am Samstag betrinken wollten. Heute für die feinen Restaurants von Melbourne und für Weinliebhaber weltweit. Vor allem Chardonnay und Pinot Noir werden in den Hügeln um den Yarra River kultiviert, und große Namen wie „Moët & Chandon“ haben sich eingekauft. Klima und Boden stimmen, um große Weine zu schaffen.

Doch Wein ist nicht alles im Yarra Valley. Die weite, lichte Hügellandschaft war auch die Heimat von Nellie Melba, die um 1900 die berühmteste Australierin der Welt war. Eine echte Diva, eine Sopranistin, eine Opernsängerin. Melba war, was Elvis oder Michael Jackson später wurden, ein weltweit berühmter Superstar der Musik. Von der Met in New York bis London und Mailand sang sie sich in die Herzen der Opernfans. Sie war die erste, die auch Tonaufnahmen ihrer Arien auf den neu erfundenen Phonographen zuließ. 

Ihre Villa im Yarra Valley, heute ein Museum, zeigt, in welcher Opulenz man damals in Australien leben konnte. Charlie Chap-lin kam für Wochen zu Besuch aus Hollywood, und viele andere Stars folgten. In Melbas Garten gab es damals sogar den ersten Swimmingpool des ganzen Landes. Und dann gibt es natürlich als Erinnerung an sie bis heute noch den „Pfirsich Melba“. Dieses wunderbare Retro-Dessert aus Pfirsichen, Himbeerkompott und Vanilleeis wurde vom damaligen Starkoch Auguste Escoffier speziell für Nellie Melba im Londoner „Savoy Hotel“ kreiert. Ein Luxusdessert, von dem die Goldsucher in Walhalla einst nur träumen konnten.