Anglerglück in Alaska

Stolz zeigen die Anglerinnen ihren „big catch“: Königslachse
© Ashley Heimbigner

Für Braunbären sind die vielen Lachse wie ein gedeckter Tisch.
© Brigitte von Imhof

Ist ein Fisch an der Angel, heißt es: „fish on!“ Aber: nur zwei Königslachse pro Person pro Tag!
© Brigitte von Imhof

Der Ship Creek in downtown Anchorage ist bei Locals sehr beliebt, da er mitten in der Stadt liegt und die Lachse hier zuhauf bachaufwärts schwimmen.
© Frank Flavin

Bunte Mischung an Angelködern
© Ashley Heimbigner
Das Land hoch im Norden zählt zu den besten Fischgründen der Welt. Wenn die Lachse aus dem Ozean in die Flüsse zu ihren Laichplätzen zurückkehren, geraten Petrijünger aus dem Häuschen.
Brigitte von Imhof (Text und Bilder)
Die junge Frau im Supermarkt von Girdwood will es ganz genau wissen: Alter, Größe (feet und inches), Gewicht (in pound), Haarfarbe … Ein ausführliches Formblatt muss ich ausfüllen, dann bekomme ich die 45 Dollar teure, drei Tage gültige Fishing License. Denn ohne die brauche ich meine Angelrute gar nicht erst auspacken.
Wenige Stunden später sitze ich in einem Boot auf dem Kenai River und warte auf meinen ersten „big catch“. Mit dabei sind auch Pam und Mitch aus Philadelphia, Javier aus Chile sowie der Paul aus Bern mit seinem Sohn Matteo. Die Flüsse auf Alaskas Kenai-Halbinsel, die sich südlich von Alaskas größter Stadt Anchorage erstreckt, zählen international zu den besten Fischgründen – ein Sehnsuchtsziel für begeisterte Angelsport-Fans aus aller Welt.
Zurück zum Geburtsfluss
Der 132 Kilometer lange Kenai River ist berühmt für seine Rekord-Königslachse, aber auch für die etwas kleineren Silberlachse, Forellen, Äschen und viele mehr. Es ist behördlich genau geregelt, in welchen Zeiträumen welche Fischart geangelt werden darf. Verstöße werden mit hohen Geldstrafen oder gar mit der Beschlagnahmung des Bootes geahndet.
In diesen Juliwochen ist Zeit für Königslachse. Millionen von „Kings“ kehren nach vier bis fünf Jahren aus dem Ozean in ihren „Geburtsfluss“ zurück, um dort zu laichen und zu sterben. Für viele endet dieser Kreislauf etwas früher am Angelhaken. Mein Haken wird mit Fischeiern bespickt, kurz darauf fliegt der Leckerbissen in hohem Bogen ins Wasser, und ich harre aufgeregt der Dinge. Kurz darauf gerät die Angelrute von Pam in heftige Bewegung. „Fish on!“, ruft Bob. Das ist für uns alle im Boot das Kommando zum unverzüglichen Aufrollen der Angelschnur, um nicht der von Pam ins Gehege zu kommen. Es dauert einige Minuten, bis die zierliche Frau unter heftigem körperlichem Einsatz den „King“ an Bord holt. Ein 45- bis 50-Pfünder, wie Bob schätzt. Pam schwitzt und strahlt voller Stolz, die Männer überschlagen sich mit Komplimenten.
Ich sinniere gerade darüber, ob es vielleicht Angler mit miesem Fischkarma gibt und ich diese Fraktion geradezu lehrbuchhaft repräsentiere – da rupft und zerrt es an meiner Angelrute. Fish on! Ich versuche, die Rute steil nach oben zu halten und während dem Nach-unten-Neigen aufzurollen, um die Spannung zu halten. Als der Fisch direkt am Boot auftaucht, kommt Bob mit dem Netz zu Hilfe und hievt den Burschen an Bord. „Good job!“, versichern meine Mitangler, während Bob meinem „King“ mit dem Knüppel einen kräftigen Schlag auf den Kopf versetzt.
Sechs Stunden später sitzen wir bei Wein und Häppchen in der gemütlichen Bar der „Trophy Lodge“, einer der etablierten Fishing Lodges entlang des Kenai River, und tauschen mit den anderen Anglern die Ereignisse des Tages aus. Nicht nur wir waren erfolgreich und haben das Maximum – zwei Königslachse pro Person pro Tag – ausgereizt. Auch die Gruppe um Bill und Sandy aus Texas ist aus dem Häuschen. Sie haben prächtige Regenbogenforellen gefangen. „Ich bin eigentlich nur meinem Mann zuliebe mit rausgefahren“, sagt Sandy. „Aber als der erste Fisch angebissen hat, hat mich das Angelfieber gepackt.“
So ähnlich ergeht es mir auch. Am nächsten Morgen brechen wir bereits um 4.30 Uhr von der Lodge auf, um zwei Stunden später im Hafenstädtchen Seward an Bord der „Grand Slam“ aufs offene Meer zum Hochseefischen zu starten. Der Weg zum Ozean führt uns durch die Resurrection Bay, vorbei an einer Seelöwenkolonie und Felsen, die von Tausenden Papageientauchern besetzt werden. Links und rechts paddeln putzige Otter auf dem Rücken, einige Delfine begleiten uns ein Stück des Weges, während in Ufernähe zwei Weißkopfseeadler kreisen. Allein dieses „Wildlife“-Sightseeing ist schon das Geld wert!
XXL-Köder auf die Angelhaken
Fast drei Stunden kämpft sich die „Grand Slam“ durch die raue See, bis schließlich weit vor Montague Island der Motor abgeschaltet wird. Mit 790 Quadratkilometern ist sie die größte unbewohnte Insel der USA. Ihr Beiname „Land of the Giant“ bezieht sich allerdings auf die Meeresbewohner rund um Montague, allen voran die riesigen Heilbutts. Schon die XXL-Köder, die unser Guide auf die Angelhaken spießt, lassen darauf schließen, dass wir hier nach Größerem streben. Keine Viertelstunde später ist der erste Heilbutt am Haken. Zehn Minuten darauf landet der 40-Kilo-Bursche an Bord. Schon beißt der nächste an. Ich ziehe einen eindrucksvollen Lingcod (hierzulande unter dem Namen Lengdorsch ein Begriff) heraus. Doch die Angel-saison für diese Fischart beginnt erst in ein paar Tagen, also wird er wieder freigelassen.
Als wir am späten Nachmittag nach Seward zurückfahren, haben wir unser Limit gefischt, das heißt, zwei Heilbutts pro Person. Wir haben geschwitzt, gekämpft, eimerweise Adrenalin ausgeschüttet und die wundersame Erfahrung gemacht, dass Fischen in Alaska glücklich macht.
Guide Chris hat alle Hände voll zu tun, die Fische zu filetieren und die mitgebrachten Kühlboxen der Gäste zu verstauen. Natürlich will jeder seinen Fang mit nach Hause nehmen und den Freunden servieren. Wir kommen gleich abends in der „Trophy Lodge“ in den Genuss eines herrlich frischen Heilbutts, den der Chefkoch mit Kapern-Sahne-Weißweinsauce und gegrilltem Gemüse zubereitet hat. Selten so etwas Gutes gegessen!