Georgia on my mind ...

Das Midway Museum ist Teil des Midway Historic District in Midway und befindet sich in einer Rekonstruktion eines für das 18. Jh. gegendtypischen Cottage.
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Blick über Savannahs Altstadt
© Savannah CVB/Pablo Britt

Der Centennial Olympic Park in Atlanta ist öffentlich zugänglich.
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Center for Civil and Human Rights in Atlanta
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Brunnen im Forsyth Park im historischen Bezirk von Savannah
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Von Savannah nach Altanta – eine Tour durch das Georgia von heute mit erlebbarer Geschichte und einem prallen Panorama an Land und Leuten
Christoph Elbern (Text und Bilder)
Diese Stadt ist wunderschön. Der Hafen in der Mündung des Savannah Rivers, die alten Gebäude am Kai, die herrschaftlichen Villen und Verwaltungshäuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Alles wunderbar restauriert und gepflegt. Und diese Plätze: über zwanzig Squares gibt es an den Schnittpunkten der rechteckig angelegten Straßen, gut beschattet von großen, alten Eichen, darunter exotische Blumen und kunstvolle Skulpturen.
Düstere Historie des Landes
Savannah/Georgia ist eine Stadt mit Geschichte und mit Geschichten, die einen auch manchmal erschaudern lassen. Davon erzählt Vaughnette Goode Walker auf ihrer „Footprints of Savannah“-Tour. Die alte, afroamerikanische Dame, Künstlerin, Dichterin, Dozentin, Journalistin steht in farbenfrohem Gewand und gro-ßem Strohhut auf dem Wright Square und schildert in eindringlichen Worten, wie das damals war, vor dem Bürgerkrieg, als in Savannah der Sklavenhandel blühte.
Vaughnette erzählt von der Macht der Sklavenhändler, die teilweise mit über hundert Menschen auf Bühnen standen und sie feilboten. Und sie zeigt Kopien alter Dokumente mit nüchternen Zahlen: 300 bis 500 Dollar, viel Geld zu dieser Zeit, kostete ein Mann. Eine schwangere Frau mehr. Kinder wurden ebenfalls hoch gehandelt. Die boomende Wirtschaft dieser Zeit brauchte Arbeitskräfte. Möglichst billig. Das mörderische Klima in den sumpfigen Küstenregionen forderte besondere Eigenschaften beim Anbau von Reis und Baumwolle, die man den Menschen aus dem fernen Afrika am ehesten zutraute.
Wir fahren weiter durch die eleganteren Vororte von Savannah, vorbei an den schönen Südstaatenhäusern mit ihren Holzfassaden und Veranden hinaus aus der Stadt. Die Landstraße führt durch Pinienwälder und einfache Siedlungen mit kleinen Holzhäusern und Wohn-Trailern nach Pin Point. Das Land direkt am Wasser wurde nach dem Bürgerkrieg an freigelassene Sklaven verkauft. Die neuen Eigentümer nutzten die Schätze des Meeres und bauten eine kleine Austern- und Krabbenindustrie auf. Bis 1985 fischte und verarbeitete die Pin Point Community Meeresfrüchte für die Märk-te und Restaurants der Region. Bis sich das Geschäft nicht mehr lohnte. Heute ist in den alten Gebäuden ein Museum. Hanif Haynes ist hier aufgewachsen und erzählt den Besuchern anschaulich vom Leben und Arbeiten am Pin Point. In der Siedlung leben noch 300 Menschen, die ihre Gemeinschaft hochhalten und pflegen.
In Georgia kann man den Spuren der amerikanischen Geschichte von past to present, wie es dort heißt, folgen. Entlang der malerischen Küste mit ihren mäandernden Flussläufen und ihren sattgrünen Salzwiesen kommt man nach Darien.
Birders fliegen auf Sapelo Island
Hier beginnt einer der eindrucksvollsten Abschnitte unserer Reise: Sapelo Island. Diese landschaftlich sehr vielschichtige Insel hat eine bewegte Geschichte. Durch die Jahrhunderte gaben sich hier die Kolonialisten die Klinke in die Hand, es wurde Holz geschlagen, Baumwolle, Reis und Tabak angebaut. Freigelassene Sklaven bekamen Land, irgendwann kaufte der Tabak-Milliardär Reynolds die ganze Insel und baute sich als Ferienhaus das luxuriöse Reynolds Mansion, das man heute für Gruppen mieten kann.
Besonders beliebt ist die Insel bei Birders, den Vogelfreunden, die mit Fernglas und Kamera Jagd auf seltene Vögel wie den kunterbunten Painted Bunting machen.
70 Menschen leben heute hier in weitverstreuten kleinen Häuschen, es gibt Center, die über Natur und Geschichte informieren, einen skurrilen kleinen Kramladen. Touren in Kleinbussen werden angeboten. Auf der 20-minütigen Überfahrt von Darien sieht man Delfine und Pelikane. Mit etwas Glück kann man im Dschungel von Sapelo Island auch Alligatoren be-obachten. Am Ende lockt ein schneeweißer, naturbelassener Traumstrand.
Die anderen Inseln entlang der Küste sind meistens über Brücken zu erreichen und sehr unterschiedlich in Landschaft und Architektur. Auf St. Simons Island kann man sich über das Fort Frederica informieren, das hier im 18. Jahrhundert errichtet wurde. Von St. Simons stammt auch Robert S. Abbott. 1868 als Sohn ehemaliger Sklaven geboren, stieg er im Norden zum Verleger auf und gab ab 1905 mit dem „Chicago Defender“ die erste afro-amerikanische Zeitung der USA heraus. In den Südstaaten musste das Blatt über lange Zeit illegal vertrieben werden. Auf seiner Heimatinsel ließ Abbott für seine Eltern einen Gedenkstein errichten.
Die nächste Insel heißt Jekyll Island. Hier finden sich Villen, Golfplätze, Ferienwohnungen und Luxushotels. Neben aufwendig angelegten Parks gibt es naturbelassene Ecken mit Schilflandschaften, Stränden und Naturschutz. Sehens- und erlebenswert ist das „Jekyll Island Club Resort“. Das mondäne Grand Hotel versprüht den Charme der 1930er Jahre, dazu gehört auch, dass es technisch und in Sachen Komfort nicht in allen Punkten auf dem heutigen Stand ist. Das Hotel wirkt wie aus der Zeit gefallen, und man rechnet jederzeit damit, dass die Rockerfellers und Vanderbilts um die Ecke kommen.
Geburt einer Epoche
Folgt man dem Lauf der Geschichte weiter ins Landesinnere in Richtung der Hauptstadt Atlanta, kommt man in die kleine Stadt Dublin. Dort, in der First African Baptist Church, hielt am 17. April 1944 ein 14-jähriger Teenager aus Atlanta eine beeindruckende Rede zum Thema „The Negroe and the Constitution“. Sein Name: Martin Luther King Jr. Mit Monumenten und zahlreichen Führungen und Veranstaltungen hält man hier diesen Auftakt der Menschenrechtsbewegung im kollektiven Bewusstsein.
Über die Stadt Macon mit ihrem spannenden Tubman African American Museum und seiner Sammlung moderner Kunst gelangt man nach Milledgeville. Von 1804 bis 1868 Hauptstadt Georgias. Das Governor’s Mansion liefert ein eindrucksvolles Zeugnis vom Leben eines Regierungschefs dieser Zeit. Erwähnenswert: Die Führung durchs Haus konzentriert sich nicht auf den pompösen Lifestyle der First Family, sondern auf den harten Arbeitsalltag der bis zu 17 Sklaven, die hier gleichzeitig beschäftigt waren. Für einen Bummel durch Milledgeville, vorbei an schicken Villen und Wohnhäusern, und für die schmucken Einkaufsstraßen und Restaurants sollte man viel Zeit einplanen.

In der First African Baptist Church in Dublin hielt Martin Luther King Jr. als Teenager am 17. April 1944 eine beeindruckende Rede.
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Hanif Haynes bei seiner Tour am Pin Point
© Christoph Elbern

Bus-Tourguide Tom Houck vor einer Statue von Martin Luther King Jr. in Atlanta
© Atlanta Civil Rights Tours
In Atlanta darf MLK ewig leben
Schlusspunkt dieses 500-Meilen-Trips durchs faszinierende Georgia ist die Hauptstadt Atlanta. Eine moderne, pulsierende Großstadt mit Wolkenkratzern, internationalem Flair und dem größten Flughafen der Welt.
Hier wurde Martin Luther King Jr. 1930 geboren. Sein Geburtshaus und das Haus, in dem er bis zu seinem Tod mit seiner Frau Coretta und seinen vier Kindern lebte, können zurzeit nur von außen besichtigt werden. Im Martin Luther King, Jr. Center for Nonviolent Social Change wird der Menschenrechtler und Friedensnobelpreisträger ebenso mit Ausstellungen geehrt wie seine Frau und sein Idol Mahatma Gandhi. In der nahegelegenen Ebenezer Baptist Church wurde 1974 Kings Mutter von einem fanatischen Rassisten ermordet.
Die Legende MLK, wie er hier gerne in Abkürzung genannt wird, wird besonders lebendig bei einer „Civil Rights Tour“ im Bus rund um Atlanta mit Tom Houck. Der heute 71-jährige Weiße war seit 1966 bis zum Attentat zwei Jahre Kings Fahrer, Assistent und ein enger Vertrauter der Familie. Entlang der geschichtsträchtigen Orte hat er viel zu berichten.
Davon, dass der Kampf um Gerechtigkeit und Menschenrechte noch lange nicht gewonnen ist, zeugt auch das Center for Civil and Human Rights mitten in Atlanta neben der „World of Coca Cola“ und dem Georgia Aquarium. Multimediale Ausstellungen in dem spektakulären Gebäude widmen sich den Menschenrechten überall in der Welt. Das Center ist seit seiner Eröffnung 2014 zu einem Sammelpunkt für Menschenrechtsgruppen aus aller Welt geworden. Seit Donald Trump im Weißen Haus sitzt, haben sich die Besucherzahlen verdreifacht. Auch 50 Jahre nach der Ermordung Kings in Memphis besteht nach wie vor Interesse daran, Menschlichkeit und Gerechtigkeit überall durchzusetzen. Eine gute Nachricht.