Insel mit Seele

Die Gemeinde La Frontera umfasst das Golfo-Tal und den westlichen Bereich der Insel, Frontera ist der Hauptort dieses Landstrichs.
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Der Phönizische Wacholder ist eines der Wahrzeichen der Kanarischen Insel El Hierro. Starke Winde verursachen den extrem gebeugten Wuchs; hier ein schönes Exemplar im Wacholderhain El Sabinar.
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Die durch Lava geprägte Insel ist eher etwas für Wanderer und Mountainbiker als für Badenixen.
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Als Kolumbus sich 1493 zum zweiten Mal anschickte, die Neue Welt zu entdecken, machte er auf El Hierro Halt. Hier „tankte“ er auf. Nicht ohne Grund, denn die Insel ist die westlichste des Kanarischen Archipels. Nach ihr kommt der Atlantik und dann lange nichts. Das Ende Europas sozusagen. Nicht so für Alfredo Hernandez Gutierrez, den Chef der lokalen Winzergenossenschaft. Für ihn ist El Hierro das Gegenteil: der Beginn des europäischen Kontinents.
Cornelia Ganitta (Text und Bilder)
Einmal da, auf dieser erdgeschichtlich jüngsten der Kanarischen Inseln, hat der Aufwand gelohnt. Gegensätze bestimmen das landschaftliche Bild. Schroffes Lavagestein im Südwesten wechselt sich ab mit dichten Kiefer- und Lorbeerwäldern in der Inselmitte und dem fruchtbaren Golfo-Tal im Norden, wo Ananas und Bananen wachsen und ein guter Wein. „Die Reblaus gab es hier nie“, erzählt Alfredo. „Deshalb wachsen hier viele alte Sorten“. Außerdem habe es früher keine Trennung zwischen rotem und weißem Wein gegeben. „Bis vor Kurzem wurden hier noch bis zu 28 Rebsorten zusammengemixt“, so der Experte. Zu der Weinprobe, die wir hier genießen, werden leckere Tapas mit Ziegenkäse, gegrilltem Huhn, Feigen-Mousse und kanarische Kartoffeln serviert, samt der inseltypischen rot-grünen Mojo-Soße. Auch der Papageienfisch sowie Peto, ein weißer Thunfisch, zählen hier zu den viel verzehrten Speisen.
Vulkanausbruch mit Folgen
Ökonomische Einnahmequellen des Biosphärenreservats, zu dem El Hierro seit 2000 zählt, sind neben dem Wein der Export von Ananas und Bananen. Auf die anderen Kanaren, wohlgemerkt! Denn auf dem Kontinent können die ohne Chemie teuer produzierten Bananen von El Hierro mit der Konkurrenz aus Chile nicht mithalten.
Dem Tourismus als Wirtschaftszweig indes kommt immer mehr Bedeutung zu. Als im Oktober 2011 ein unterseeischer Vulkanausbruch rund zwei Kilometer vor der Küste von La Restinga mehrere Beben nach sich zog, verließ nicht nur die Hälfte der Herreños die Insel. Auch die Urlauber blieben in den Folgejahren aus. Seit der Ernennung zum UNESCO-Geopark 2014 sind die Zahlen mit 20.000 Insel-Reisenden pro Jahr stabil. Es sollen noch mehr werden, wenngleich man Besuchermassen weder will, noch stemmen könnte.
El Hierro eignet sich hervorragend für den individuellen Gruppentouristen, den Ruhe suchenden Wander-Liebhaber und Mountainbike-Freak. Wer hier „was los machen“ möchte, ist fehl am Platz. Es gibt kaum Hotels, keine Clubs und keine Biermeilen. Auch Sonnenanbeter und Badenixen kommen anderswo mehr auf ihre Kosten: 90 Prozent Steilküste erlauben das Baden nur an wenigen Stellen, wie in Las Playas. Immerhin gibt es ein atemberaubendes, natürliches Meeresschwimmbecken (La Maceta), und an der Ostküste laden Tauchschulen zum Tiefseetauchen ein. Für weiteren Zeitvertreib sorgen Basen für Gleitschirmsprünge, eine Echsen-Aufzuchtfarm und das Freiluft-Museumsdorf Guinea, das dokumentiert, wie beschwerlich das Leben auf dieser durch Lava geprägten Insel in früheren Jahrhunderten war.
Tolkiens Welt
Auch beim Wandern durch die karge Pampa wird uns das plastisch vor Augen geführt. Über weite Strecken nichts als hügelige Lavamasse, was durchaus seinen Reiz hat, vor allem weil man hier im Insel-Süden mit grandiosen Aussichten belohnt wird. Ganz anders die Landschaft im Norden und Westen der Insel, die von grünsatten Lorbeer- und Kiefern-Wäldern durchzogen ist und nicht selten an die sagenumwobene Welt von J. R. R. Tolkien erinnert. „Lorbeerbäume brauchen die Passatwolke zum Wachsen. Deshalb wachsen sie auf der Nordostseite der Insel“, erklärt unsere deutsche Reiseleiterin Johanna Söhner, die seit über 30 Jahren auf Teneriffa wohnt und von Inselführungen lebt. „Kiefern hingegen wachsen auf der westlichen und südwestlichen Seite. Die brauchen keine Wolken, da sie die Trockenheit gut vertragen können“. In völligem Gegensatz dazu erleben wir die bizarr gebeugten Bäume im Wacholderhain El Sabinar, die durch den ständigen Einfluss starker Winde entstanden sind und zu den Wahrzeichen der Insel gehören.
Sonnenuntergang im Panorama-Restaurant
Auch auf El Hierro sind Spuren von César Manrique sichtbar. Der spanische Künstler, der vor allem auf Lanzarote viel Einfluss auf die architektonische Gestaltung der Insel nahm, hat sich mit seinem Panorama-Restaurant „Mirador de la Peña“ auf El Hierro ein weiteres Denkmal gesetzt. Das aus Naturstein organisch gebaute Haus auf dem gleichnamigen Bergplateau passt sich seiner Umgebung perfekt an. Hier oben genießen wir ein letztes Mal den Sonnenuntergang mit einem spektakulären Blick auf das Golfo-Tal, das mit seinen Bananenplantagen zur Rechten an das Meer grenzt, zur Linken an die unbezwingbare, fast 1000 Meter hohe Steilküste. Ein guter Ort, um der Seele von El Hierro ganz nahe zu sein.