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Reportagen

Humboldt und das Fichtelgebirge

Alexander von Humboldt, Gemälde von Friedrich Georg Weitsch, 1806

Alexander von Humboldt, Gemälde von Friedrich Georg Weitsch, 1806

© Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie/Fotografin: Karin März

Ochsenkopfgipfel im Fichtelgebirge

Auf dem Ochsenkopfgipfel im Fichtelgebirge

© F. Trykowski

Goldbergbaumuseum in Goldkronach

Der Raum 6 „Bergleute“ im Goldbergbaumuseum in Goldkronach widmet sich u.a. auch Alexander von Humboldt.

© Tourismuszentrale Fichtelgebirge

Drendologischer Garten in Bad Berneck

Drendologischer Garten in Bad Berneck

© Florian Fraß

Burgstein, ein 879 m hoher Berg im Kösseinestock

Burgstein, ein 879 m hoher Berg im Kösseinestock des Hohen Fichtelgebirges

© Tourismuszentrale Fichtelgebirge

Nageler See

Einst ein Mühlweiher, ist der 6 Hektar große, künstlich angelegte Nageler See ein Staugewässer sowie geschütztes Naturdenkmal bei der Gemeinde Nagel im Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge. Um den See führt ein bequemer Rundweg herum.

© Ferienregion Fichtelgebirge/Gerd Syha

Im September jährt sich zum 250. Mal der Geburtstag Alexander von Humboldts. Im Fichtelgebirge begann der Universalgelehrte und Weltreisende seine Karriere im Dienste der Wissenschaft. Vielerorts findet man dort seine Spuren.

Michael Juhran (Text und Bilder)

„Hier bin ich glücklicher, als ich je wagen durfte zu glauben“, schrieb Alexander von Humboldt aus Goldkronach an seinen Freund Carl Freiesleben, nachdem er 1793 seinen Dienst als preußischer Oberbergmeister im Fichtelgebirge angetreten hatte. In nur acht Monaten konnte er sein Studium an der Bergakademie Freiberg absolvieren und zählte gerade einmal 22 Lenze, als er mit dem neuen Posten betraut wurde, um für den preußischen König die Förderung und Verhüttung von Erzen in der Region zu neuer Blüte zu führen. Dabei war er äußerst erfolgreich. Es gelang ihm bis zur Beendigung seiner Dienstzeit 1797 nicht nur den Bergbau wieder profitabel zu machen. Er brachte den Menschen Arbeit, sorgte sich um soziale Belange und revolutionierte das Bildungswesen. Seine Erfahrungen im Fichtelgebirge prägten Humboldt nachhaltig auf seinem Weg, der ihn schließlich zu einem der angesehensten Wissenschaftler weltweit werden ließ.

Mit unstillbarem Arbeitseifer 

Aus Humboldts Briefen, die er vom Fichtelgebirge aus an seine Freunde richtete, geht hervor, dass er ein immenses Arbeitspensum bewältigte. „Ich bin so mit bergmännischem Geschäft überhäuft, daß nur wenig Muße bleibt“, berichtet er beispielsweise Samuel Thomas von Soemmerring 1793. Ständig von einer Grube zur nächsten per Pferd unterwegs, gab es für ihn keinen festen Wohnsitz. Ruhelos pendelte er zwischen Arzberg, Steben, Goldkronach, Wunsiedel und anderen Orten.

Besonders tiefe Spuren hinterließ der junge Wissenschaftler im beschaulichen Goldkronach. Der dort beheimatete Goldbergbau hatte es ihm angetan, nachdem er aus dem Studium alter Quellen erfahren hatte, dass um 1400 in den Gruben des nahen Goldberges mehr Gold abgebaut wurde als an jedem anderen Ort in Deutschland. Humboldt stürzte sich daher mit einem unstillbaren Arbeitseifer darauf, das bedeutendste Goldrevier in der Fürstenzeche für den königlichen Hof neu zu erschließen und schon bald konnte er erste Erfolge vermelden.

Die Fürstenzeche ist nicht mehr begehbar, aber im benachbarten Tagesstollen „Mittlerer Name Gottes“ lässt sich die Zeit des Goldabbaus sehr realistisch nachvollziehen. Hier versteht es der ehrenamtliche Führer Heinz Zahn äußerst anschaulich, seine Besucher auf eine Zeitreise durch die glanzvolle Geschichte des Berges mitzunehmen. Nach einer kurzen Einführung am Informationshaus geht es durch dichten Fichtenwald bergab. Dann und wann hält Zahn vor trichterförmigen Löchern im Erdboden inne. „Hier befanden sich einst Licht-, Förder- und Wetterschächte“, lässt er seine Begleiter wissen. „Unter Humboldt konnte die Förderung deutlich verbessert werden, indem er horizontale Stollen zur Entwässerung und zum Transport der Erze mit Hunden (kleine Loren) treiben und sicherere Holzstützen verbauen ließ“, fügt er hinzu. Zudem sorgte Humboldt durch die Installation kleiner Pochwerke, Röstöfen und Amalgier-Werke dafür, dass sich der Goldgehalt schnell ermitteln ließ.

5000 Tonnen Gold schlummern noch im Berg

Nach einer kurzen Wanderung erreicht Zahn mit seiner Besuchergruppe den Eingang eines Goldförderstollens, der auf einer Länge von etwa 200 Metern für Besucher erschlossen ist. In dem engen Gang ist es kühl. Wasser tropft von den Wänden und sammelt sich am Boden. Rußgeschwärzte Felspartien verraten die Verwendung von Feuern zur Sprengung des harten Pyrit-Gesteins. Unter welch ätzendem Gas-Rauch-Gemisch müssen die Bergleute in bis zu 40 Metern Tiefe geschuftet haben, als sie die meist nur Dezimeter breiten, goldhaltigen Quarzadern ins Innere des Berges in mühseliger Handarbeit abbauten? Plötzlich zeigt sich der Fels hinter den schwarzen Stellen von seiner schönen Seite und beeindruckt mit formvollendeten Konturen. Am Ende des oft nur gebückt zugänglichen Stollens deutet Heinz Zahn auf die Stollendecke. Im Lichtkegel seiner Lampe taucht eine Quarzader auf, in der winzige Goldpartikel glitzern. Wissenschaftler, die hier vor wenigen Jahren Proben entnahmen, konnten einen durchaus abbauwürdigen Goldgehalt von bis zu sechs Gramm Gold pro Tonne Erz nachweisen. Man müsste allerdings den gesamten Goldberg abbauen, um einen vermuteten Ertrag von bis zu 5000 Tonnen Gold zu fördern.

Auf der Fahrt vom Besucherstollen nach Goldkronach passiert man in Goldmühl eines der Häuser, in denen Humboldt von Zeit zu Zeit wohnte, Quellen studierte, Erze analysierte und biologische Studien betrieb. Wie vielschichtig sich die Alltagsarbeit des jungen Wissenschaftlers gestaltete, erfährt man im Goldbergbaumuseum in Goldkronach. Voller Forscherdrang entwickelte er effektivere und sichere Methoden für den Abbau von Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Zinn oder Alaun. Intensiv beschäftigte er sich mit den „matten Wettern“ (schlechte Luftzufuhr) in den Gruben, erfand eine Grubenlampe und eine Atemmaske zur Rettung verunglückter Bergarbeiter. In Steben, Arzberg und Goldkronach gründete Humboldt Bergschulen, die als Vorgänger der Berufsschulen gelten, und stattete sie mit selbst erarbeiteten Unterrichtsmaterialien aus.

Humboldt begeistert bis heute

Es ist phänomenal, was die Goldkronacher in ihrem Museum zusammengetragen haben und wie intensiv sie sich auf den Geburtstag des berühmten Gelehrten mit einer Sonderausstellung und Festveranstaltungen vorbereiten. Als Krönung der Humboldt-Ehrung in seinem Ort freut sich Bürgermeister Holger Bär auf den anderthalb Hektar großen Humboldt-Park, der bis Ende 2020 gleich neben dem Humboldt-Kulturforum entstehen soll. Selbst 160 Jahre nach seinem Tod vermag es der Naturforscher in dem nicht einmal vier Tausend Einwohner zählenden Ort Scharen von ehrenamtlichen Helfern, Gymnasiasten und Besuchern mit seinem transdisziplinären Wissensdrang zu begeistern.

Panoramablicke en masse

Von Goldkronach sind es nur wenige Kilometer nach Ruppertsgrün – ein kleiner Ort, der mit dem „Fichtelrad“ über eine ausgezeichnete E-Bike-Leihstation verfügt. Per Mountainbike lässt sich von dort die landschaftliche Vielfalt des Fichtelgebirges sportlich entdecken. Während die Gegend in der Blütezeit des Bergbaus aufgrund des riesigen Holzbedarfes nahezu entwaldet war, erholte sich der Baumbestand im letzten Jahrhundert erfreulich. Vorbei an Fichten, Kiefern und Birken gelangt man in frischer Waldluft nach einigen Kilometern an die mit reinstem Trinkwasser erfrischende Saalequelle. „Nahe der Quelle ließ Humboldt Anlagen zum Abbau von Gelbkreidevorkommen errichten“, fand der Historiker und Kreisarchivar Adrian Roßner heraus. Die in der Kreide enthaltenen Ocker-Pigmente waren seinerzeit ein gefragter Rohstoff für die Herstellung von Farben.

Etwa dreieinhalb Kilometer nordwestlich wartet der Historiker mit einer weiteren Überraschung auf. Als er sich mit einem Kompass dem Gestein auf dem Haidberg nähert, springt die Nadel plötzlich in eine völlig andere Richtung. Wieder war es Humboldt, der bei einem Spaziergang den Magnetismus des örtlichen Serpentingesteins entdeckt hatte. Tief beeindruckt schrieb er seinem Freund Freiesleben 1796: „Ich eile dir zu melden, … dass ich die größte Entdeckung meines Lebens gemacht.“

Der in Zell wohnende Adrian Roßner fühlt sich nicht nur deshalb immer wieder vom Berg angezogen. „Abgesehen vom damals kaum vorhandenen Wald ist der Panoramablick von hier oben noch genau so fantastisch und unverbaut wie zu Humboldts Zeiten“, schwärmt er. Hinter Wiesen, Weiden und Wäldern taucht am Horizont der etwa 15 Kilometer entfernte Ochsenkopf und daneben der Schneeberg auf, die mit 1051 Metern höchste Erhebung des Fichtelgebirges. Glaubt man, diese Aussicht sei kaum zu toppen, so wird man auf dem Rückweg über den Großen Waldstein eines Besseren belehrt. Oberhalb der Burgruine des Roten Schlosses und des Teufelstisches bietet der Aussichtspavillon „Schüssel“ einen prächtigen Rundblick auf große Teile des hufeisenförmigen Fichtelgebirges.

Bewunderung auch von Goethe

Über Weißenstadt geht es auf Humboldts Spuren weiter nach Wunsiedel. Nahe der Kreis- und Festspielstadt im Herzen des Fichtelgebirges ragt mit dem Luisenburger Felsenlabyrinth ein zerklüftetes Granitsteinmeer aus der Landschaft heraus, das neben Goethe und Humboldt auch Königin Luise faszinierte. Während sich damals wie heute die meisten Besucher der abenteuerlichen Landschaft mit ihren engen Schluchten und bizarren Felsformationen erfreuen, standen für Humboldt biologische Forschungen im Mittelpunkt des Interesses. So beschäftigte er sich zum Beispiel intensiv mit dem Leuchtmoos, das sich auch heute noch mit Hilfe so sachkundiger Gäste-Führer, wie Christine Roth vom Geopark Bayern-Böhmen, in versteckten Felsspalten entdecken lässt. Auch sonst war Wunsiedel mit seinen reichen Eisenerzvorkommen, drei Hochöfen, Zain- und Blechhämmern einer der wichtigsten Orte für den Oberbergmeister. Vielleicht wäre Wunsiedel sogar die bevorzugte Heimstatt Humboldts geworden, hätte es damals bereits die Felsenbühne mit ihrem reichhaltigen Repertoire an Opern, Operetten, Schauspielen und Konzerten gegeben?

Ist man auf den Spuren des großen Gelehrten unterwegs, so kann man die Fichtelgebirgsregion schwerlich verlassen, ohne einen Abstecher nach Arzberg im östlichen Teil zu machen. „Die Lagerstätten sind so interessant, ich kann im Laufe des Jahres mehrmals einfahren. Ich taumle vor Freuden“, schrieb Humboldt über den Ort, in dem er fünf Jahre tätig war. Ein Humboldt-Rundwanderweg führt heute vom Humboldt-Zimmer über das Museum des Bergwerkes „Kleiner Johannes“ bis zum „G´steinigt“ – einem idyllisch gelegenen Wanderlehrpfad im Tal des Flüsschens Röslau. Als Krönung wartet im Gasthof im Gsteinigt ein leckeres Kronfleisch als Spezialität des Fichtelgebirges auf die Wanderer.

Auch wenn es unmöglich ist, innerhalb einiger Urlaubstage alle Wirkungsstätten Humboldts im Fichtelgebirge zu erkunden, bleibt nach der Spurensuche eine tiefe Bewunderung für einen Mann, der eine ganze Region – zumindest für einige Jahre – zu neuer Blüte führte. Goethe brachte es auf den Punkt: „Man kann sagen, er hat an Kenntnissen und lebendigem Wissen nicht seinesgleichen; und eine Vielseitigkeit, wie sie mir gleichfalls noch nicht vorgekommen ist! … Was ist das für ein Mann …“ Und was ist das für eine Landschaft, möchte man Goethes Worten noch hinzufügen.