Seelenwärmer in der kalten Jahreszeit

Volkacher Mainschleife mit Blick auf Escherndorf, von der Vogelsburg aus
© FrankenTourismus/FWL/Hub

Im Staatlichen Hofkeller, unter der Residenz in Würzburg
© FrankenTourismus/FWL/Hub

Das Weingut Rings inmitten der Freinsheimer Weinberge
© Weingut Rings

Steffen und Andreas Rings aus Freinsheim in der Pfalz bekamen für ihren 2029er Syrah trocken Reserve den Titel „Bester anderer Rotwein“ im „Weinguide Deutschland“.
© Weingut Rings

Das Weingut Knipser im pfälzischen Laumersheim
© Weingut Knipser/Jens Lübkemann

Werner, Volker und Stefan Knipser vom Weingut Knipser erhalten regelmäßig Bestnoten, so kürzlich 5 Sterne im „Weinguide Deutschland“: „Der Spätburgunder ,RdP‘ ragt mit seiner noblen Gerbstoffdichte und seiner Kalkprägung heraus ...“.
© Weingut Knipser/Hardy Müller

Das Sekthaus Raumland hat seinen Stammsitz in dieser schönen Gründerzeit-Villa in Flörsheim-Dalsheim.
© Sekthaus Raumland

Eine Familie mit Sektleidenschaft: 1990 haben Heide-Rose und Volker Raumland ihr hochdekoriertes Sekthaus gegründet und dieses Jahr an die Töchter Katharina und Marie-Luise übergeben.
© Sekthaus Raumland/Rüther
Wenn es draußen so früh dunkel wird, ist Saison für kulinarische Genüsse daheim, nicht zuletzt in flüssiger Hinsicht.
Johannes Bucej (Text)
Schon der französische Gastrophilosoph Balthasar Grimod de la Reynière (1758-1837) meinte in seinem „Küchenkalender“, dass nur wenige Monate für das leibliche Wohlleben so günstig seien wie der Januar. Also Vorsicht mit den guten Vorsätzen an Silvester und neumodischen Bräuchen wie dem „dry January“. Trockenere Zeiten können auch später noch folgen.
Heimische Edelgewächse
Jetzt wabern erst einmal herzhafte Aromen durch die Küchen, wärmespendende Schmorgerichte und würzige Gaumenschmeichler füllen die Teller, und so manch edler Tropfen wartet auf seinen Auftritt. Genau die richtige Zeit, um eine Inventur der Weinvorräte vorzunehmen und gegebenenfalls noch vorzusorgen: für die Festtage, für all die geselligen Gelegenheiten, zum Aufwärmen nach langen Spaziergängen – oder auch meditativ bei Kerzenschein. Es sind aber auch gar keine besonderen Festtage nötig, um in diesen Genüssen zu schwelgen. Ein paar nette Menschen um den heimischen Tisch oder Herd versammelt – ein Anlass dafür findet sich unschwer. Die Küche ist endlich wieder substanziell und verlangt entsprechende Gegengewichte im Glas – nicht selten rote.
Man muss kein Kenner der Weinszene sein, um zu wissen, dass mit die besten und vor allem interessantesten Tropfen des Planeten aus heimischen Winzerkellern stammen können – und zwar nicht nur aus der angestammten Domäne der Weißweine, seien sie trocken oder edelsüß. Nicht wenige Winzer spielen schon seit Längerem in der internationalen Rotwein-Liga problemlos mit und verweisen oft genug renommierte Betriebe aus Frankreich, Italien, Übersee auf die Plätze.
Bei alledem gibt’s obendrauf jede Menge Spaß – vor allem für Kinder. Womit wir wieder bei der Schnecke sind. Diesmal ist es aber eine aus Teig. „Die ess’ ich ganz sicher“, sagt die Kleine, legt das Ding aufs Blech und klatscht vor Freude in die Hände, dass das Mehl nur so staubt. Unter der Staubwolke taucht sogar Thomas Matitz für einen Augenblick ab. Wir sind in seiner Backstube in Kötschach gelandet.
Er zeigt, wie man Brezen formt, Hörnchen dreht, Zöpfe flechtet und Schnecken kringelt. Auch den Teig haben wir gemeinsam gemacht. „Ich habe zehn Jahre nur mit dem Trockenzeug gearbeitet, wusste gar nicht mehr, wie ein Natursauerteig geht.“ Matitz war einer der ersten, der die Slow-Food-Idee mitgetragen und seinen Betrieb umgestellt hat. Die Zutaten kommen nur noch aus der Region, wachsen teils auf den Fel-dern vor der Haustür. Der Bäcker hat alte Getreidesorten wieder ausgegraben und sich eine Mühle angeschafft, um Dinkel selbst zu mahlen. „Bei mir fliegt nichts in die Tonne“, erklärt er. Brot, das er nicht an den Mann bringt, verarbeitet er zu Semmelbrösel. Süße Teilchen, die niemand vernascht, findet man am nächsten Tag als Füllung in Nusshörnchen wieder. Da piept endlich der Ofen, die Nachwuchs-Bäcker dürfen sich Brezen und Co. in Papiertüten packen. „Mhhm, ich wusste nicht, dass Schnecken so gut schmecken“, sagt die kleine Tochter zum Abschied.

Andrea Wirsching führt gemeinsam mit ihrem Vater das Weingut Hans Wirsching in Iphofen, das zu den traditionsreichsten Weingütern Frankens gehört. Spezialität sind trockene Weißweine.
© Weingut Wirsching/Volker Schrank

Die besondere Vorliebe der Winzerin ist der Silvaner, der auch hervorragend zu Lachs passt.
© Weingut Wirsching/Ilona Müller
Die besten Anderen
Die Weinzeitschrift „VINUM“ lobt jedes Jahr den „Deutschen Rotweinpreis“ aus, und der „Weinguide Deutschland“ aus gleichem Hause hat ebenfalls Erzeuger gekürt, bei denen nicht nur die Burgundersorten, sondern inzwischen auch zum Beispiel Merlot und Syrah höchste Weihen erhalten. So gewannen etwa die Brüder Steffen und Andreas Rings aus Freinsheim (Pfalz) für ihren 2019er Syrah trocken Reserve den Titel des „besten anderen“ Rotweins des Jahres, gefolgt von einem weiteren Pfälzer Vorzeigebetrieb, dem Weingut Knipser aus Laumersheim, ebenfalls mit einem Syrah, der nach Meinung der Juroren keinen Vergleich mit den großen Vorbildern von der nördlichen Rhône zu scheuen braucht.
Der „nicht-andere“ Rotwein ist – klar – der klassische Spätburgunder, seit Urgedenken die edelste Rotweinrebe des Landes. Aktueller Beweis dafür: Der Winzer des Jahres für „VINUM“ ist Sebastian Fürst vom Weingut Rudolf Fürst in Bürgstadt, das mit seinen Pinot Noirs seit Jahrzehnten Furore macht. Schon Vater Paul hatte knapp zwanzig Jahre zuvor diesen Titel gewonnen für seine duftig-eleganten roten Gewächse mit Tiefe und Komplexität und das Weingut damit auch international ganz nach vorn gebracht. Zur diesjährigen Wahl hat allerdings auch beigetragen, dass der Sohn inzwischen ebenfalls mit seinem Chardonnay Aufsehen erregt – und sein Vorbild Burgund auch in dieser Kategorie herausfordert.

Etliche deutsche Winzer spielen in der internationalen Rotwein-Liga ganz oben mit.
© FrankenTourismus/FWL/Hub

Paul Weltner aus Rödelsee ist Stammgast im Besten-Ranking der „VINUM“-Jury.
© Weingut Weltner
Best of Gold
Spricht man von Rotweinen aus Franken, darf der Name Christoph Walter, ebenfalls aus Bürgstadt, nicht fehlen. Mit seinem 2015er Frühburgunder J aus dem Centgrafenberg überzeugte er 2021 die Jury des Wettbewerbs „Best of Gold“, der jährlich vom Fränkischen Weinbauverband durchgeführt wird, in der Kategorie „Rotwein Kulturreich trocken, Burgundersorten“ und bei dem diesmal rund 450 Weine in zehn Kategorien zu bewerten waren. Mit Nicole Roth aus Wiesenbronn brachte nicht nur eine junge Winzerin, sondern zudem noch das älteste Bio-Weingut Frankens die Rebsorte Blaufränkisch aus dem Heller Berg im gleichen Wettbewerb zu verdienten Ehren in der Kategorie „Cuvées und andere Rebsorten“.
Überhaupt: Franken – hier ist seit einigen Jahren ein unglaublicher Aufbruch spürbar. Mit dem Silvaner haben die Winzer an Main und Saale inzwischen ein Pfund, mit dem sie konkurrenzlos wuchern können, zumal in Zeiten des Klimawandels. Die fränkische Leitrebsorte kommt mit den klimatischen Bedingungen oftmals besser zurecht als viele andere klassische Rebsorten. Das zeigen nicht nur Allzeitstars wie das Weingut Wirsching aus Iphofen oder die beiden Würzburger Platzhirsche Juliusspital und Bürgerspital, sondern auch jüngere wie Paul Weltner aus Rödelsee, der jedes Jahr zumindest mit einem Top-Ten-Wein die „VINUM“-Jury überzeugt. Diesmal war es das Große Gewächs aus der Rödelseer Hoheleite des Jahrgangs 2020, welches das Rennen für sich entschied.
„Beim Weißwein denkt man Dummheiten, beim Rotwein sagt man Dummheiten, beim Sekt macht man Dummheiten“ – so ein leicht abgewandeltes französisches Bonmot. Und welche Zeit wäre dafür besser geeignet als die Faschings-saison, in der der spritzig-fröhliche Leichtsinn eines Sekts seine gute Laune verbreitet? Dabei darf es gern ein deutscher Winzersekt sein – der in den besseren Qualitäten allerdings auch schon auf dem Preisniveau eines Champagners liegen kann. Wenn diese noch zum Beispiel aus dem Hause Raumland im rheinhessischen Flörsheim-Dalsheim stammen, kann man sicher sein, jeden noch so anspruchsvollen Connaisseur zu überzeugen.
Nicht weniger als vier Cuvées seiner aktuellen Kollektion konnte Volker Raumland unter die Top Ten im soeben erschienenen „VINUM Weinguide 2022“ platzieren – und ein Abo auf den ersten Platz scheint der Betrieb ohnehin zu haben. Nicht nur diesmal, sondern auch in den Vorjahren gelang ihm der Sprung aufs Siegertreppchen. Ein schöner Erfolg – und ein Ansporn für die beiden Töchter, an die in 2021 auch die Betriebsübergabe erfolgte.