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Reportagen

Rambo und seine Combo

Einst von seinen Besitzern ausgesetzt, lebt der Mischling Rambo das ultimative Hundeleben griechischer Nachbarschaftshunde auf Rhodos.

Einst von seinen Besitzern ausgesetzt, lebt der Mischling Rambo das ultimative Hundeleben griechischer Nachbarschaftshunde auf Rhodos.

© Hans Hochstöger

Rambo genießt die Sonne am Strand …

Rambo genießt die Sonne am Strand …

© Hans Hochstöger

Mixdame Tina genießt die liebevollen Streicheleinheiten.

… und Tina die liebevollen Streicheleinheiten.

© Hans Hochstöger

In Griechenland werden streunende Hunde oft von Bewohnern eines Stadtviertels gemeinschaftlich adoptiert. Wie Mischling Rambo im Viertel Niochori auf Rhodos

Frauke Gans (Text) Hans Hochstöger (Bilder)

Erst brach für Rambo die Welt zusammen. An der Altstadtmauer von Rhodos ließ seine menschliche Familie ihn aus dem Auto springen und fuhr davon. Anfangs glaubte er an ein Spiel und galoppierte mit wehenden Schlappohren die Hauptstraße auf und ab. Autofahrer lenkten vorsichtig an ihm vorbei. Warum ihn niemand mitnahm? Frei lebende Hunde und Katzen sind ein relativ normales Bild in Griechenland: wenig Geld, ergo wenige Tierheime.

Als in der Dämmerung die Laternen angingen, begriff Rambo, dass er die Nacht auf der Straße verbringen würde. Und der Beagle-Bassett-Irgendwas-Mischling trottete die am Hang gelegene Stadt gen Strand hinunter. Wo er seine neue Heimat auf Rhodos finden würde: das Stadtviertel Niochori.

Am nächsten Morgen zog er hängenden Kopfes durch die bunten, engen Gassen. Die Bewohner litten erschüttert mit. Innerhalb weniger Stunden hatte Rambo mehrere Portionen Hackfleisch, einen Knochen, ein Clubsandwich, etwas Wurst und ein Schälchen Wasser intus: vom Metzger, einem Restaurant, einer Taverne, der Wäscherei und einer mitleidigen Frau, die in der grellen Morgensonne ihren Hof kehrte. Metzger Kostas war erleichtert: „Zur Mittagszeit trabte Rambo fröhlich von Laden zu Laden.“ Seine tägliche Essensroute war damit grob festgelegt. Und das Viertel, in das er ab jetzt gehörte. Ganz automatisch reihte er sich in die Riege der Nachbarschaftshunde ein und begann, die neue Freiheit zu genießen.

Halsband als Erkennungszeichen 

Touristen halten sie oft für Streuner. Aber wenn Hunde auf Rhodos wohlgenährt und etwas dreckig ohne menschliche Begleitung durch die Straßen flanieren, gibt es meist keinen Grund für mitleidige „Achs“. Vor allem nicht, wenn sie zusätzlich ein Halsband als Erkennungszeichen tragen. Sie leben das ultimative Hundeleben griechischer Nachbarschaftshunde, spazieren frei durch ihr Revier und werden an jeder Ecke versorgt. Aber hinter einigen liegt eine traurige Geschichte wie Rambos.

Zum Glück traf der kurze Kerl auch auf John und Tina. Einen Irischen Wolfshund und eine dicke Mixdame. Eines der Viertelfrauchen heißt Henni. Sie war es, die Rambo taufte. Und füttert das Trio jeden Abend neben der Bar ihres Sohnes an der Strandpromenade. „Die drei sind seit Rambos Ankunft ein unzertrennliches Nachbarschaftsrudel. Sie gehören zusammen und zu unserem Viertel.“ Henni war es auch, die ihnen das Halsband umlegte: Das Erkennungszeichen für Adoptionswillige – bitte nicht mitnehmen! Denn mehr als einmal sind halbfreie Hunde und Katzen von der Insel verschwunden, weil Besucher sie für Streuner hielten. Und lassen die vielen Versorger und die dem Rudel zugehörigen Tiere verzweifelt zurück.

Entspannte Alltags-Routine

Ein Blick in ihren Vierbeinertag offenbart ein entspanntes Hundeleben. Die Hauptbetreuer kümmern sich um die Schlaf- und Essensroutine. Wenn Henni aufsteht, „meist übernachten sie in oder an unserem Haus“, trotten die drei Richtung Metzger. Kostas ist bereit: „Bei mir frühstücken sie pünktlich um neun.“ Es folgt eine Verdauungspause im Schatten auf den Stufen des gegenüberliegenden Restaurants. Auf und unter Autos sitzen zehn wilde Katzen. „Die warten ebenfalls auf ihren Snack.“ Bellende und Maunzende schauen dabei gleichgültig aneinander vorbei: Man kennt sich. Anwohner, die in der Sonne an ihrem Morgenkaffee nippen, kraulen den Tieren Köpfe und Bäuche, teilen ihre Sandwiches. Dann brechen die Hunde gestärkt auf zu ihrer mittäglichen Vergnügungstour in den Gassen des Niochori.

Das Wetter auf Rhodos ist so mild, dass die Tiere auch im Winter ihren Freiheitsdrang ausleben können. Die Niochori-Legenden Liza und Mouli erreichten mit diesem Lebensstil über stolze 18 Jahre, dank der Versorgung durch die Einheimischen. Bis die Viertelbewohner sie nach Absprache einschläfern ließen, weil das Alter die Hunde zu stark plagte. Henni wollte die geschwächte Liza erst ins Haus holen, aber der betreuende Tierarzt riet ab: „Sie drinnen zu behalten, wäre für den Hund Quälerei.“

Gesundheit und Freiheit gewähren 

Auch Rambo, Tina und John haben inzwischen Greisenalter erreicht. Das gesamte Viertel überwacht besorgt ihren Gesundheitszustand. Klar birgt dieses Leben Risiken. Ein Problem ist die medizinische Versorgung. Al-lerdings nicht, dass sie fehlen würde, weiß Henni: „Ich gebe ihnen Medikamente gegen Würmer und Flöhe und lasse sie impfen. Das wissen nicht alle. Viele Herrchen und Frauchen, viel Medizin. Neulich kamen sie mit Flohhalsbändern angelaufen. Da besteht die Gefahr der Überdosierung.“ Es bräuchte ein Erkennungszeichen am Halsband, ob und wann jemand die Tiere versorgt hat. „Als Rambo einen Schlaganfall hatte, war es aller-dings ein Glück, dass er nicht allein in der Wohnung saß, sondern mitten auf der Straße umkippte.“ Die Erstversorgung habe so schnell geklappt, „dass er heute etwas schiefbeinig, aber wieder ohne Probleme seine Route läuft.“

Doch alle haben gelernt, den Freiheitsdrang der Tiere zu respektieren. „Die Hunde zerstören uns die Haustüren, wenn wir sie nicht sofort herauslassen, sobald sie möchten. Mein Mann musste unseren Eingang deshalb schon dreimal reparieren“, lacht Henni. Rambo und Kumpanen können nur zustimmend mit dem Schwanz wedeln. Wer sie trifft: füttern und kraulen, aber bitte nicht mitnehmen. Hennis Tipp: „Wer einen Hund adoptieren möchte – echte Streuner sitzen in den wenigen überfüllten Tierheimen und warten sehnsüchtig.“