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Reportagen

Genusstouren im Pulverschnee

Von Itter umrunden wir den nahen Saukogel bei besten Schneeverhältnissen.

Von Itter umrunden wir den nahen Saukogel bei besten Schneeverhältnissen.

© Norbert Eisele-Hein

Am Gruberberg vis-à-vis von Hopfgarten stiefeln wir mutterseelenallein durch den frischen Pulverschnee.

Am Gruberberg vis-à-vis von Hopfgarten stiefeln wir mutterseelenallein durch den frischen Pulverschnee.

© Norbert Eisele-Hein

Fernab von jeglichem Trubel passieren wir alte Gehöfte und Bilderbuch-Stadel.

Fernab von jeglichem Trubel passieren wir alte Gehöfte und Bilderbuch-Stadel.

© Norbert Eisele-Hein

Auf der Höhenbrandalm lässt es sich gemütlich einkehren, und bei diesem Kaiserwetter machen wir es uns draußen gemütlich.

Auf der Höhenbrandalm lässt es sich gemütlich einkehren, und bei diesem Kaiserwetter machen wir es uns draußen gemütlich.

© Norbert Eisele-Hein

In den stillen Seitentälern der Kitzbüheler Alpen bekommt man vom Trubel des Skizirkus rein gar nichts mit – sofern man mit Schneeschuhen fernab der Pisten unterwegs ist.

Norbert Eisele-Hein (Bilder und Text)

Ich bin gewarnt worden, ich gebe es zu. Dass Schneeschuhtouren nicht bloß Wandern im Schnee für Leute ist, denen Skitouren und Langlaufen zu anstrengend sind. Dass dieser Sport mehr ist, als breitbeinig und mit Stöcken ausgerüstet durch den tiefen Schnee zu stapfen, die Aussicht zu genießen und danach schön einzukehren. 

Das gehört dazu, ist aber längst nicht alles. Aber um es zu verstehen, musste ich selbst laufen. Also bin ich gelaufen. Das Ziel: die Kitzbüheler Alpen. Der Treffpunkt: Hopfgarten auf der Südseite der Hohen Salve. Dort treffe ich auf Elke, die Schneeschuhwanderführerin aus der Gemeinde Itter.

Leichtes Terrain und geringe Steigung

Dank ihr wird schon die Einführungstour rund um Itter zum Schneeschuhmärchen. Vor uns die Hohe Salve, links auf der anderen Talseite baut sich der markante Pendling auf, und rechts blicken wir hinüber Richtung Wilder Kaiser, dessen steile Felswände in der Morgensonne glänzen. Zwischendrin ragt immer wieder der gut 1100 Jahre alte Turm des Schlosses Itter zwischen den Bäumen hervor.

Auf den ersten Metern muss ich mich noch an den breitbeinigen Laufstil gewöhnen, aber bald schon genieße ich es, mit leichten Schritten auf dem hohen Pulverschnee zu laufen. Mit normalen Schuhen würden wir hier gnadenlos einsinken. Mit gleichmäßigen Bewegungen geht es weiter. Das leichte Terrain und die geringe Steigung sind gut machbar. Unsere Atemwölkchen explodieren förmlich im Gegenlicht.

Die flankierenden Bäume tragen schwer an ihrer aufgebauschten Schneelast. Auf den Stadeln haben sich ganze Wolken von Pulverschnee mit windverblasenen Elvis-Presley-Tollen gebildet. Winterwunderland – unsere Einstiegstour hat Suchtpotenzial. 

Traumhafte Kulisse gibt Energie

„Das Schöne am Schneeschuhwandern ist der direkte Einstieg in die Natur. Wir sind weder an Straßen noch an Wanderwege gebunden. Das ist Winterromantik pur“, sage ich zu Elke. Sie nickt und steigt sogleich auf meine Schwärmerei ein. „Freut mich, dass dich das Trapper-Virus gepackt hat, dann wechseln wir morgen die Talseite und arbeiten uns aus dem Kurzen Grund der Kelchsau hinauf zur berühmten Neuen Bamberger Hütte – eigentlich ein Paradeziel für Skibergsteiger.“ 

Gesagt, getan. Am nächsten Morgen starten wir auf 1144 Metern Seehöhe beim Gasthof „Wegscheid“, einem bodenständigen Tiroler Wirtshaus. Das Anschnallen der Schneeschuhe funktioniert jetzt schon deutlich besser. Die Gamaschen an den Hosenbeinen fixiert, damit sich vor allem beim Bergabgehen kein Schnee unter die Hosenbeine oder gar in die Schuhränder mogelt, Getränk und das T-Shirt zum Wechseln im Rucksack verstaut, jetzt kann’s losgehen. 

Zuerst geht es auf der Forststraße ein Stück taleinwärts, dann schwenken wir direkt in den verschneiten Zauber-wald. Passieren ein paar Lichtungen und gelangen auf offene Hänge. Der Wind hat feine Rillen und Kanten in den Schnee modelliert, unsere Schneeschuhe wippen fleißig, katapultieren kleine Pulverschneewolken in die Luft. Nach einer Brücke folgen wir dem Winterweg weiter hinein ins Tal bis zu einer Lichtung vor der Kuhwildalm. Hier offenbart sich unvermittelt ein gewaltiger Panoramablick. 

Ganz hinten reckt der 2361 Meter hohe Tristkopf seinen kantigen Gipfel in die Höhe, rechts daneben bauen sich die weitläufigen Hänge des 2469 Meter hohen Salzachgeiers auf. Nach zwei Stunden und gut 600 Höhenmetern kommt die Neue Bamberger Hütte in Sichtweite. Der fast schon kitschig-schöne Anblick sorgt für einen zusätzlichen Energieschub. Nur noch wenige Höhenmeter auf dem offenen Gelände, dann schnallen wir die „Bratpfannen“ an unseren Füßen ab. Und freuen uns auf die warme Gaststube und die herzhafte Tiroler Küche.

 

Entschleunigung genießen

Die Kaspressknödel in dampfender Brühe sind ein Gedicht, der hausgemachte Millirahmstrudel, mit Vanille-sauce und feinem Puderzucker bestäubt, einfach nur gut. Derart gestärkt, entsteht sofort neuer Tatendrang. „Wir könnten mit den Schneeschuhen schon auch den einen oder anderen Gipfel erreichen, den Schafsiedl oder auch das Kröndlhorn“, sinniert Elke, „aber dafür bräuchten wir eine vollständige Lawinenschutzausrüs-tung mit Pieps, Schaufel und Sonde.“

Hm, am frühen Abend mit den Schneeschuhen zur Neuen Bamberger Hütte, dann übernachten und am nächsten Morgen eine schöne Gipfeltour. Das klingt ziemlich verlockend, und ich sehe mich schon als Stammgast in der Kelchsau. Auf dem Weg zurück schmieden wir bereits Pläne, wie wir es beim nächsten Mal angehen wollen.

Dass uns bergab einige Tourengeher mit ihren Skiern locker überholen, ärgert mich nur für einen kurzen Moment. Klar, sie sind schneller unten, aber wir sind ja zur Entschleunigung unterwegs. Und dafür bieten die Schneeschuhe die bestmögliche Alternative. Wir sind die Genießer unter den Alpinisten – und Genuss darf auch mal länger dauern.