Asiens Grand Cru

Lohnt den schweißtreibenden Aufstieg: Sonnenuntergang über Taipeh vom Elephant Mountain aus
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Typische Restaurant-Szene im Bergstädtchen Jiufen, das für seine traditionelle Architektur bekannt ist
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Ausblick vom Dach des Wen-Wu-Tempels auf den Sonne-Mond-See. Dies ist der einzige taiwanesische Tempel mit einer Abbildung von Konfuzius.
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Fried Tofu mit Bonitoflocken
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Traditionelle Teekanne für den Olong-Tee
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Das „Tor der großen Mitte und perfekten Aufrichtigkeit“ mit seinen fünf Rundbögen führt auf den weitläufigen Platz der Freiheit. An dessen Ende steht die monumentale Memorial Hall aus weißem Marmor für den früheren Präsidenten Chiang Kai-shek.
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Die Insel Taiwan ist so groß wie Baden-Württemberg. Reisende erwartet dort ein gewaltiges Stück China: tropische Bergwälder, Gärten, in denen einige der besten Tees Asiens wachsen, prächtige Tempel, exzellente Küche, kühne Architektur. Das alles mit liberalem Grundrauschen und feiner japanischer Kopfnote.
Peter Pfänder (Bilder und Text)
Schwüle Hitze liegt schwer über den Hängen des Maokong. Ein Dutzend älterer Frauen pflückt Tee. Breite Hüte spenden Schatten. Mir rinnt der Schweiß über die Stirn. Ein Taiwanbartvogel trällert aus dem Unterholz. Irgendein anderes Federvieh jagt tiefe, lange Pfeiftöne über den Hang.
Die Frauen zwischen den Teesträuchern sind konzentriert bei der Arbeit. Am Zeigefinger haben die meisten mit Klebeband eine halbe Rasierklinge befestigt. Mit Daumen und Zeigefinger knipsen sie die jüngsten Triebe ab, gezupft wird kaum. „Wir nehmen nur die letzten drei Triebe“, erklärt der Vorarbeiter.
Eine Viertelstunde zuvor saßen die Pflückerinnen noch im Gras und machten Mittag. Fotografiert werden wollten sie nicht: „Wir sind hässlich, wenn wir essen!“ scherzte eine. Die anderen giggelten und aßen weiter. Also marschierten wir auf einem der vielen Pfade, die sich die Flanken des Maokong entlangschlängeln, ein Stück weiter.
Die eiserne Göttin vom Maokong
Der Maokong Mountain ist bekannt für seinen blumigen Tieguanyin-Tee. Der „Eiserne Göttinnen“-Tee wird nach sechs Stunden Fermentierung geröstet, um die Oxidation zu stoppen. Er verliert dabei etwas von seinem beerig-fruchtigen Grundgeschmack. Die zweite kultivierte Sorte, Baozhong, ist ein feiner Tee von blassgoldener Farbe. Die Tees am Maokong werden im Herbst und Frühling gepflückt, verrät mir der Vorarbeiter. Und nur bei klarem Wetter.
Die Tees vom Maokong werden auch in Taipeis Di Hua Street verkauft. In dieser sehenswerten historischen Einkaufsstraße bieten Dutzende Teegeschäfte, TCM-Apotheken und Kräuterläden feinste Tees, Kräuter und Gewürze an. Traditionsläden verkaufen Bambusprodukte (Lin Feng Yi), Küchenbedarf (Zhumu Zaoka) oder traditionelle Papierlaternen (Lao Mian Cheng Latern Shop) .
Wer den schönsten Sunset-Blick auf den Taipei 101 und die Skyline genießen will, muss schwitzen. Die Treppe zum 170 Meter hohen Berg Xiangshan, dem Elephant Mountain, hat es in sich. Es geht 20 bis 30 Minuten sehr steil nach oben, in nervigem Wechsel von sehr niedrigen und sehr hohen Stufen. Rund 500 Stufen sind es bis zum Rock Viewing Point mit sechs großen Bouldern. 100 Stufen weiter ist man am View Point.

Der 508 m hohe, jadegrüne 101 Taipei ist ein echter „Wolkenkratzer“. Das einst höchste Gebäude der Welt wurde aus 40.000 t Stahl und Beton errichtet
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Teepflückerin am Maokong – die Tees werden hier zweimal im Jahr, im Herbst und Frühling, gepflückt.
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Zum Tee gibt es am Maokong Mountain bunte Mantou, eine Art Dampfnudel.
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Kaffee, Tee und Bergpfeffer
Von Taipei fahren wir 250 Kilometer in den Süden, ins bergige Herz der Insel. In der Markthalle des Städtchen Shila staunen wir über die Vielzahl an Früchten, die wir noch nie gesehen haben. Essbare Steine etwa und Rosenäpfel, die bedauerlicherweise langweiliger schmecken als sie aussehen.
Nantou County ist Heimat der besten Schwarztees Taiwans, auf Chinesisch sagt man übrigens Roter Tee. Dort wachsen auch erlesene Kaffeesorten, die von Hand gepflückt und nur in kleinen Mengen geröstet in den Städten des Landes für viel Geld über die Tresen gehen.
„Die großen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht sowie die extrem mineralienreichen Böden in Anbauregionen wie Guoxing und Yuchi sorgen für viel Geschmack und tolles Aroma“, so die Barista im „SanFormosa“ in Taipei. „Viele Kaffeebauern in Nantou entfernen Schale und Fruchtfleisch der Kaffeekirschen und trocknen diese ungewaschen in der Sonne. So bleibt die klebrig-süße Fruchtschicht erhalten und sorgt für eine besondere Geschmacksnuance“.
In den oft nebelumflorten Bergen von Xinyi wächst neben Zigtausenden Betelnuss-Palmen an steilen, unzugänglichen Hängen der umwerfend duftende Bergpfeffer. Scharf auf der Zunge und zitronig im Duft.. Maqva nennen ihn die Menschen, die fast alle zum indigenen Stamm der Bunun gehören. Zwei junge Frauen zeigen uns später, wie man aus seinen Extrakten zusammen mit Moos- und Farn-Extrakten naturbelassene Parfüms mixt.
Sonne-Mond-See
Der See mit dem wohl romantischsten Namen der Welt, der Sun Moon Lake, ist umgeben von hohen Bergen, ausgedehnten Bambuswäldern und Banyanbäumen sowie ein paar scheußlichen hochgeschossigen Architektursünden aus den 1980ern. Rund um den See führt ein 30 Kilometer langer Radweg, teils direkt am Ufer, zum Teil auf Stelzen oberhalb des Ufers oder auf der öffentlichen Straße. Der Blick auf die Karte täuscht: Die Tour ist nicht lang, aber es geht ständig bergauf und wieder bergab. Gut die Hälfte der Strecke sind Steigungen. Erster Stopp beim Wen-Wu-Tempel: Schön bunt ist der Doppeltempel und kunstvoll verziert, vom See aus erreicht man ihn über eine Treppe mit 365 Stufen.
Tempel-Tour bergauf und bergab
Mittags machen wir Halt im unscheinbaren „New Restaurant Lusihan“, unweit vom Ita Thao Pier. Ein kleiner Raum, im Eck lärmt der Fernseher, ein paar Tische mit Plastiktischdecken. Und ein Duft, der mir das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Der Graskarpfen mit Ingwer, Koriander und Frühlingszwiebeln ist famos, wie auch das Huhn gefüllt mit Reis.
Die Kalorienbilanz optimiert der langen Anstieg bis zum Xuanzang-Tempel. Zwei Downhill-Kilometer später stehen wir vor dem kleinen Xuanguang-Tempel. Errichtet zu Ehren einer Reliquie des buddhistischen Mönchs Hsüantsang. Dieser hatte sich auf Befehl des Kaisers auf den Weg nach Indien gemacht, um buddhistische Schriften zu beschaffen. Nach 17 Jahren kehrte er mit 650 Sutren und 1335 Schriftrollen zurück. Hsüantsang alias Xuanzang befeuerte die Verbreitung des Buddhismus in China, Korea und Japan.
Topografischer „Höhe“-Punkt ist die Ci‘en-Pagode auf dem 950 Meter hohen Shabalan. Bauen ließ sie Staatsgründer Chiang Kai-shek zu Ehren seiner Mutter. Der Aufstieg zur Spitze des 46 Meter hohen Baus gilt als Muss: Der weite Blick über den gesamten Sonne-Mond-See ist einzigartig.
Architektur, Sushi und Onsen
Der letzte Stopp unserer Seerunde: das Xiangshan Visitor Center des japanischen Architekten Dan Norihiko. Spannend, wie harmonisch sich der rüde, pure Beton mit seiner futuristischen Formgebung in die Landschaft schmiegt. Da ist sie wieder, diese leichte japanische Kopfnote; am schönsten erlebe ich sie am Ende dieses Tags im Onsen des Hotels „Fleur de Chine“. Und beim Dinner mit traumhaften Sashimi- und Nigiri-Kreationen.
In Taipei komme ich zwei Tage vor unserer Abreise im Café „Otaru“ mit einem jungen Taiwaner ins Gespräch. Ob er sich keine Sorgen über einen möglichen Angriff Chinas mache, will ich wissen. Der Programmierer winkt ab: „Ach, wir sind entspannt. Wir Taiwaner leben seit Jahrzehnten mit Drohungen der übermächtigen Chinesen. Ja, sie verstärken ihre hybride Kriegsführung, kommen uns mit Drohnen nahe und setzen Hacker auf uns an. Aber wir haben das im Blick, werden passende Antworten finden und unsere Freiheit gegen die Kommunisten verteidigen.“