Gold im Glas

Ein junger Ruby Port ein exzellenter Appetitanreger, auch zu Nüssen, einem Stilton oder Blauschimmelkäse ist er eine gute Wahl.
© Shutterstock/Joe Gough

Schon der Blick von der „Quinta do Val Moreiro“ ins Tal ist sensationell: Weit unten macht der Nebenfluss Rio Tedo noch eine letzte, verwegene Schleife, bevor er sich mit dem Douro vereint.
© Vila Galé Hoteis

Von Pinhão aus hat der Besucher Zugang zu zwei Portwein-Routen (Rotas do Vinho do Porto), denen rund 40 Betriebe angeschlossen sind.
© visitportugal.com

Kellermeister Ricardo Gomes bei der Weinlese des noch relativ jungen Weinguts „Quinta do Val Moreira“
© Vila Galé Hoteis

Traubenernte bereit zum Abtransport, die Lese erfolgt in den Steillagen ausschließlich per Hand.
© Adobe Stock/TMAX

Nach dem Stoppen der Gärung, muss der Portwein reifen. geschieht zunächst in so genannten Pipes, Holzfässern mit einem Fassungsvermögen von jeweils 520 Litern. Für die traditionelle Herstellung werden alte Fässer verwendet, so dass der Wein kein Holzaroma annimmt.
© Adobe Stock/Marin M303

Ob Ruby, Tawny oder Vintage Port – ein Portwein enttäuscht nie.
© Adobe Stock/Oleksandr Babich

„Es gibt nicht den einen Moment für ein Glas Portwein, aber sicher gibt es einen passenden Port für jeden Moment“. (Portugiesisches Sprichwort)
© Vila Galé Hoteis
Portwein! Das ist portugiesisches Lebensgefühl pur. Und der perfekte Genuss in der kalten Jahreszeit
Gudrun Rentsch (Text)
Um schöne Aussichten ist Porto, eine der ältesten europäischen Städte im Norden Portugals, wahrlich nicht verlegen. Um das Panorama zu genießen, finden sich im Auf und Ab der Stadt zahllose Gelegenheiten. 225 Stufen führen z.B. zum Torre dos Clérigos hinauf, dem mit 76 Metern höchsten Kirchturm Portugals, der bei gutem Wetter einen genialen Blick auf die pittoreske Szenerie bietet.
Porto ist aber nicht nur die Stadt der atemberaubenden Aussichten, sondern – wie der Name schon sagt – auch die des stoffigen und zugleich süffigen Portweins. Eine hölzerne Fähre verbindet Portos Altstadt mit Vila Nova de Gaia auf der anderen Seite des Flusses. Dort reihen sich im Dauerschatten der nach Süden steil aufsteigenden Berge die Portwein-Kellereien berühmter Marken wie „Ramos Pinto“, „Taylor’s“ oder „Sandeman“ aneinander.
Die Winzer bauen die Trauben im oberen Douro-Tal rund 100 Kilometer flussaufwärts an. Über Jahrhunderte brachten die Weinbauern ihre Ernte auf offenen hölzernen Segelbooten, den Rabelos, in Holzfässern den Fluss herunter in die Kellereien von Vila Nova de Gaia. Seit Lastwagen diesen Job übernommen haben, dümpeln viele der historischen, mit Weinfässern beladenen Boote als Dekoration am Flussufer.
Bürgerliche Genusskultur
Ein Glas Portwein trinken ist wie ein Glas Geschichte goutieren. Die Geschichte einer Region, die vom Wein regiert wird. Die Engländer entdeckten die kräftigen Weine gegen Ende des 17. Jahrhunderts für sich. Nachdem Ludwig XIV. einen Handelskrieg mit den Briten vom Zaun gebrochen hatte, suchten sich diese einen Ersatz für den kaum mehr bezahlbaren Bordeaux, und fanden ihn im Portwein aus dem Douro-Tal.
Die Nachfrage stieg seinerzeit derart rapide, dass die Qualität drastisch sank, weil nun jeder Fusel als Porto deklariert wurde. Im Jahr 1756 setzte Portugals Erster Minister, Marquês de Pombal, dem Wildwuchs mit einem klaren Regelwerk ein Ende. So wurde das Douro-Tal die älteste Weinbauregion der Welt mit geschützter Herkunftsbezeichnung.
Mathematische Ordnung im morphologischen Chaos
Der Fluss Douro hat auf seinem unaufhaltsamen Weg in den Atlantik ein tiefes Tal ins Gebirge gefräst. An steilen Hügeln und Hängen stehen die Reben auf geschwungenen Terrassen. Die meisten Weingärten sind kleine, alte Parzellen, in denen die Sorten im gemischten Satz nebeneinanderstehen. Durch das Zusammenspiel der unterschiedlichen Rebsorten, aber auch durch die extremen Temperaturunterschiede (im Sommer ist es wochenlang bis zu 45 Grad heiß und im Winter sehr kalt), ensteht die besondere Komplexität, die Portweine und auch die neuen, erstklassigen Douro-Weine auszeichnet.
Ursprünglich um den Portwein für die langen Transportzeiten haltbarer zu machen, heute als Markenzeichen, fügt man den Weinen noch während des Gärprozesses Weinbrand hinzu. Die alkoholische Gärung kommt so zum Erliegen, und im verstärkten Wein verbleibt ein höherer Zuckergehalt. Dies erklärt die Nuancen von fruchtiger Süße, die viele Portweine kennzeichnet, wobei die guten Portweine mit der notwendigen Säure und Struktur dies fein auszubalancieren wissen. Je nach Qualität lagern die Portweine unterschiedlich lang in Fässern und auf der Flasche, bevor sie den besten Trinkgenuss bieten.
Port ist immer eine Cuvée
Blender mischen aus den verschiedenen Weinen in jeder Kellerei eigene Kreationen, die dann in Eichenfässern, Flaschen oder Stahltanks reifen. So entstehen die Sorten Ruby (rubinrot), Tawny (gelb-braun) und die weißen Portweine. Jede Art der Lagerung verändert noch mal den Geschmack. „Mikroorganismen, die Höhe des Weinbergs, seine Ausrichtung und die Bodenqualität geben jeder Traube ihren eigenen Charakter“, erklärt Kellermeister Ricardo Gomes bei einer Verkostung in der Kellerei des noch relativ jungen Weinguts „Quinta do Val Moreira“. Ein Agriturismo, der, wie viele in der Gegend, auch Übernachtung und alle möglichen Aktivitäten rund um das Thema Wein anbietet. Der Önologe gießt einen Schluck Ruby aus einem Reagenzglas in einen Weinschwenker, riecht mit geschlossenen Augen daran und nickt zufrieden. „Jedes Haus hat seinen eigenen Geschmack.“
Old School is best School!
Portweine zählen zu den langlebigsten Weinen und können weit über 100 Jahre reifen. Noch in den 1970er Jahren existierte in Deutschland keine Hausbar ohne Port, bis der Trend des trockenen Trinkens sich im Land durchsetzte und den Port ins Abseits schickte. Seither führt er hierzulande ein Schattendasein. „Vollkommen zu Unrecht“, meint Axel Probst, seines Zeichens offizieller Botschafter des Portwein-Instituts für den deutschen Markt und Verfasser des Standardwerks „Portwein“.
Eine anständige Flasche Ruby Port eines guten Produzenten sei bereits für unter 10 Euro zu haben und ein wahrhaftiger Genuss. Man könne sich sicher sein, immer einen herkunftsgeschützten Wein, also gute Qualität, im Glas zu haben. Es wird einem schlicht kein namenloser Wein aus Überschussproduktion eingeschenkt, sondern feinste portugiesische Ware aus dem seit 2001 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärten Douro-Tal.
Wer es würziger und filigraner mag, greift zum Tawny Port
Wie wahr! Welcher Port soll’s sein? Rubies zeichnen sich durch ihre Fruchtfülle und ihre rubinrote Farbe aus. Sie sind für den sofortigen Genuss produziert und schmecken zum Beispiel toll zu Weihnachtsgebäck. „Schokoprinten, Lebkuchen, Dominosteine – ein Paradies in Kombination mit einem Gläschen Ruby Port“, schwärmt Weinjournalist und Sommelier Sebastian Bordthäuser in einem Beitrag des Düsseldorfer Magazins „Königsallee“ letzten Herbst.
Auch zu Nüssen oder Blauschimmelkäse sei der Ruby die beste Wahl. „Wer es würziger und filigraner mag, greift zum Tawny Port.“ Tawnies duften nach winterlichen Aromen wie Dörrobst, Pfefferkuchen, Orangeat und Tabak. Je älter sie sind, desto trockener werden sie und lassen sich hervorragend zum Essen einsetzen. „Die klassische Variante wäre ein Gläschen 20 Jahre alter Tawny zum Rehrücken mit Spitzkohl oder zu geschmorten Bäckchen mit Dörrpflaumen. Aber auch zum Burger mit Bacon oder Chili Cheese, BBQ-Rippchen oder chinesischen Spezereien wie Char Siu trinken sich Tawnies wie von selbst.“ Spätestens jetzt weiß man: Es ist Zeit für einen guten Port!

Die spektakuläre Eisenbrücke Luís I verbindet seit 1886 Portos Altstadt mit Vila Nova de Gaia, wo die berühmten Portwein-Kellereien traditionell angesiedelt sind.
© Adobe Stock/efired

Portwein-Hersteller, die etwas auf sich halten, ziehen das Traubenstampfen anderen mechanischen Methoden auch heute noch vor. Bei vielen Betrieben, wie hier in der „Quinta do Val Moreira“, sind Gäste herzlich zum Mitmachen eingeladen.
© Vila Galé Hoteis

Um die vorletzte Jahrhundertwende herum ersetzte der Produzent „Ramos Pinto“ die bis dahin meist biederen Illustrationen auf den Etiketten der Portweinflaschen durch erotische Motive, hier „Der Kuß“, ein Design des französischen Art-déco-Illustrators René Vincent.
© Ramos Pinto