Bühne frei

Den Palácio Nacional da Pena ließ 1840 der „Künstlerkönig“ Ferdinand II. für seine Lebensgefährtin und spätere Gemahlin, die Schweizer Opernsängerin Elise Friederike Hensler, auf den Ruinen eines Klosters errichten.
© Mathias Rentsch

Erkundungstour im Höhlensystem der Quinta
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Blick auf den Strand Praia Azenhas do Mar bei Colares
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Pulpo vom Grill mit Kartoffeln und Olivenöl
© Mathias Rentsch

Azulejos spielten bei der Gestaltung der Gartenanlagen von Sintras Palästen eine zentrale Rolle.
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Der Naturpark Sintra-Cascais erstreckt sich von den grünen Hügeln Sintras bis zu den Stränden von Cascais. Hier ist alles atemberaubend: die Atlantikküste, der Wind, die romantische wie überwältigende Architektur der Paläste und Gärten.
Mathias Rentsch (Bilder), Gudrun Rentsch (Text)
Gold, Glanz, textiles Schimmern, Bling-Bling von der gehobenen Sorte. „Villa Daurada“ heißt unser Domizil mit Pool im portugiesischen Alcabideche, hoch über Cascais. Ein Obdach mit Ereignischarakter. Sogar das Besteck leuchtet golden aus der Küchenschublade. Eklek-tizismus 2018? Eher landestypisch inspiriert möchte man sagen, denn in der Nachbarschaft liegt Sintra mit seinen überbordenden Villen und Palästen. Bei „Victor’s Portugal“ sind Pomp und Extravaganz zwar nach innen verlagert, und – ob Ähnlichkeiten beabsichtigt oder nicht – vorm inneren Auge tauchen automatisch der Palácio Nacional da Pena und seine Zuckerbäcker-Nachbarn auf.
Irgendwie passt das! Wegen der Wunderwelt in der Serra di Sintra, die seit 1995 UNESCO-Welterbe ist, sind wir schließlich hier. Denn die Gegend ist eine einzige Schmuckschatulle: Schlösser, Burg-ruinen und verwunschene Paläste mit üppig bewachsenen Gärten reihen sich im Nordwesten von Lissabon aneinander.
Glanzvolles royales Comeback
Wenn in Portugal die Hitze drückt, flüchten viele Lisboetas ins 30 Kilometer entfernte Sintra, eine kleine Oase mit einem erfrischenden Mikroklima. Als königliche Sommerresidenz war das Städtchen, das die Portugiesen Mitte des 12. Jahrhunderts den Mauren abgenommen hatten, spätestens seit Manuel I. (1469 bis 1521) über lange Zeit eine feste Institution. Doch im 17. Jahrhundert kam es zu einem radikalen Einschnitt: Alfons VI. beschloss, den Königspalast in ein Gefängnis zu verwandeln – für die Stadt ein beträchtlicher Prestigeverlust, verbunden mit großen wirtschaftlichen Einbußen, da die Hofgesellschaft ausblieb. Erst als im frühen 19. Jahrhundert vornehme Ausländer Sintra wiederentdeckten, begann sich das Glücksrad erneut zu drehen. Jetzt zeigte sich auch der portugiesische Adel wieder interessiert. Villen wurden gebaut und erweiterten die Stadt, und Landhäuser, sogenannte Quintas, veränderten die Landschaft. Mit großzügigen Parkanlagen betonten die Eigentümer ihren sozialen Status. Eine Neuauflage des einstigen Glanzes, nur weit raffinierter gestaltet mit den Mitteln einer neuen Epoche – wohlkomponierter Luxus in einer Zeit, als das Land dauernd von innenpolitischen Krisen erschüttert wurde.
Portugals Neuschwanstein
Lord Byron, Englands ruheloser Dichter der Romantik, schwärmte begeistert von Sintra: Der Ort sei „unter jedem Aspekt der entzückendste Europas, mit Schönheiten jeder Art, natürlicher wie künstlicher; Paläste und Gärten breiten sich inmitten von Felsen, Katarakten und Abgründen aus; Klöster stehen auf erstaunlichen Höhen, diese Aussicht auf den See und den Tejo. Es vereint in sich die Wildheit der Western Highlands in Schottland mit dem Grün des Südens in Frankreich.“ Eine romantische und märchenhafte Landschaft, auf Effekte bedacht – und doch, Byron spricht es an, nicht nur künstlich geschaffen, sondern auch von natürlicher Schönheit. Mit beachtlichem botanischem Reichtum gesegnet, gedeihen dort wie in einem natürlichen Gewächshaus rund 3000 Pflanzen.
Sintras Renaissance wäre ohne einen königlichen Förderer nur halbe Sache geblieben. Ferdinand II. aus dem Hause Sachsen-Coburg-Gotha-Koháry, der Gemahl der Königin Maria II. da Glória, war ein hochromantischer Prinzregent. Mit dem exotischen Pena-Palast oben auf der Serra hat er seine Vorstellungen besonders deutlich umgesetzt. Ideenreich und stilistisch mutig ließ er den Erker mit steinernem Blattwerk und einem Dämon aus der Wasserwelt und das Eingangstor mit gedrehten Säulen verzieren. Eingebettet in einen weitläufigen Park mit Teichen, Springbrunnen und Kanälen, mit künstlichen Ruinen im Stil des 18. Jahrhunderts, durch Pavillons und Kapellen geschmückt, präsentiert sich dem Besucher eine Architektur, die gern als ein portugiesisches „Neuschwanstein“ bezeichnet wird. Im Parque da Pena findet man neben den einheimischen Kork-, Berg- und Pyrenäeneichen sogar Mammutbäume, Araukarien, Stinkholzbäume und Erdbeerbäume.
Der Prinzregent war in guter Gesellschaft: Zu den außergewöhnlichsten Schöpfungen der damaligen Zeit zählt auch die neogotische Quinta de Monserrate, seit 1856 im Besitz des schwerreichen Engländers Sir Francis Cook. Dieser ließ das Hauptgebäude nach orientalisch-romantischem Geschmack umgestalten und pflanzte auf dem Anwesen Weißtannen, Araukarien und Mammutbäume, die sich mit den einheimischen Kastanien und Stieleichen den Platz teilen. Heute überziehen Ranken, Moospolster und Farne Marmortreppen, Grotten, Gräber und Kioske auf dem Gebiet der aufgegebenen Quinta.

Statue in der „Allee der Götter“ im Park der Quinta da Reguleira
© Mathias Rentsch

Esszimmer in der „Casa Laranja“
© Victor’s Portugal

Ausflugsziel in der Serra di Sintra: Cabo da Roca, der westlichste Punkt des europäischen Festlandes
© Mathias Rentsch
Hohe Gartenkunst
Monserrate wurde 2013 mit dem „Europäischen Gartenpreis“ ausgezeichnet. „Dieser Preis geht an Gärten, die eine große historische Bedeutung haben, vorbildlich restauriert wurden und ein gutes Konzept für die Zukunft haben“, lautete die Begründung des „Europäischen Gartennetzwerkes“, das den Preis verleiht. Das Konzept für die Zukunft war in Monserrate wie auch den anderen Parkanlagen in Sintra, nach der mit EU-Geldern unterstützten Restaurierung selbsttragend zu wirtschaften. Das haben sie alle geschafft, der Besucherandrang ist immens.
So auch bei der Quinta da Regaleira. Der Brasilianer Antonio Augusto Carvalho Monteiro, der sein Vermögen mit Kakao und Kaffee gemacht hatte, ließ zwischen 1904 und 1911 mit Hilfe des Architekten und Wagner-Fans Luigi Manini ein altes Landgut ins Haus seiner Träume verwandeln: Mit Zinnen und Türmen liegt es wie ein Schlösschen in einem Märchenwald, einer Opernkulisse gleich.
Wie bei Jules Verne
Das Schloss und der Park mit seinen zahlreichen Tunnel, Brunnen und Fußwegen ist eine Welt für sich. In diesem verwunschenen Park mit seiner üppigen Vegetation auf dem vier Hektar großen Anwesen wandelt der Besucher auf gewundenen Pfaden zwischen Wasserfällen, überquert Brücken, findet Grotten, Höhlen, Statuen, Labyrinthe und mehrere architektonisch reizvolle Gebäude und sogar einen Palast. In dieser großzügigen Fantasielandschaft gibt es versteckte Teiche und eine exotische Pflanzenwelt zu entdecken.
Vom zentralen Pavillon aus steigt man in einen Brunnen, den „inversen Turm“, hinein und gelangt über eine monumentale Wendeltreppe, die 27 Meter tief hinunterführt, zu einem sogenannten Initiationsbrunnen. Hier, in der Tiefe der Erde, fanden z.B. Initiationszeremonien der Freimaurer statt. Viele esoterische, alchemistische und Freimaurer-Symbole schmücken bis heute die Wände.
Der Besucher wird über die Wendeltreppe immer tiefer in ein Höhlensystem hinuntergeführt, bevor er sich unerwartet im Tageslicht an einem See mitten im Park wiederfindet. Fast fühlt man sich in Jules Vernes „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ hineinversetzt …