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Reportagen

Atemberaubend

Blick auf die schwimmenden Inseln und Totora-Boote der Urus auf dem Titicacasee

Blick auf die schwimmenden Inseln und Totora-Boote der Urus auf dem Titicacasee

© Lydia Geißler

Kakteen wachsen an den einsamen und kargen Ufern des Pazifiks entlang der Panamericana.

© Lydia Geißler

Traditionell gekleidete Frauen verkaufen Souvenirs aus Alpaka-Wolle am Patapampa-Pass; im Hintergrund raucht der 5976 m hohe Stratovulkan Sabancaya.

Traditionell gekleidete Frauen verkaufen Souvenirs aus Alpaka-Wolle am Patapampa-Pass; im Hintergrund raucht der 5976 m hohe Stratovulkan Sabancaya.

© Lydia Geißler

Die Urus leben auf dem Titicacasee auf schwimmenden Inseln, die sie aus getrocknetem Totora-Schilf herstellen; den Rohstoff verwenden sie auch für die Schilfboote und Häuser.

© Lydia Geißler

 

Kondore im Colca-Tal am „Cruz del Condor“

Kondore im Colca-Tal am „Cruz del Condor“

© Lydia Geißler

anzende Folklore-Gruppe beim Fest  „Inti Raymi“ in Cusco

Tanzende Folklore-Gruppe beim Fest „Inti Raymi“ in Cusco

© Lydia Geißler

Festlicher Aufmarsch beim „Inti Raymi“ vor der Iglesia de la Compañía de Jesús an der Plaza de Armas in Cusco

Festlicher Aufmarsch beim „Inti Raymi“ vor der Iglesia de la Compañía de Jesús an der Plaza de Armas in Cusco

© Lydia Geißler

Gehäutete und gegrillte Meerschweinchen

Gehäutete und gegrillte Meerschweinchen

© Lydia Geißler

Übersichtskarte

Übersichtskarte

© wh4 Design GmbH

Geheimnisvolle Bodenzeichnungen, indigene Völker, feiernde Inka-Krieger und beeindruckende Andenpässe – Peru bietet eine ungeheure Vielfalt.

Lydia Geißler (Bilder und Text)

Kaum sind wir am internationalen Flughafen in Lima gelandet, treffen wir auch schon auf unsere bunt gemischte, 15-köpfige Reisegruppe und unseren in Peru lebenden, deutschen Reiseleiter. Er begeleitet uns die nächsten drei Wochen und legt als ehemaliger Zehnkämpfer ein flottes Tempo vor. Als Erstes nimmt er uns mit auf Erkundungstour durch die mondäne, spanisch-kolonial geprägte Hauptstadt. Umgeben von prächtigen Stadtvillen mit ungewöhnlich aufwendig verzierten Holzerkern, Kirchen und Palästen fühlen wir uns in die Zeit der einstigen Eroberer zurückversetzt. Am nächsten Tag heißt es sehr früh aufbrechen, drei Stunden Busfahrt Richtung Süden, denn noch vor Sonnenaufgang geht es dort mit Motorbooten hinaus aufs Meer in das Naturschutzreservat Paracas. Wir sind umgeben von kleinen Inseln, den Islas Ballestas, die übervoll mit brütenden, weiß-bauchigen Guanotölpeln sind. Die kargen Felsen lassen es kaum erahnen, aber dies ist ein Paradies für hunderte Vogelarten, wie Blaufußtölpel, Pelikane, Kormorane und Möwen. Lustig umherwatschelnde Humboldt-Pinguine hatten wir hier nicht erwartet. Wir erfahren, dass diese Tierart von Süden her sogar die Küsten bis hoch zum Äquator bevölkert. Der fischreiche und kühle Humboldtstrom schafft auch den Lebensraum für Robben und Seelöwen. Alle posieren für uns tiefenentspannt auf den Felsen.

Ritueller Kult oder Außerirdische?

Wir verlassen den nur 60 Kilometer breiten Küstenstreifen und beginnen, etwas von der klimatischen Vielfalt und Weite des Landes zu erahnen. Der Küstennebel löst sich auf, und vor uns erstreckt sich das kühle und trockene Anden-Hochland. Der Bus quält sich über steile Serpentinen zur Schotterwüste von Nazca hinauf. Von den berühmten Nazca-Linien hatten wir bisher nur durch die wilden Außerirdischen-Theorien des Archäo-Fantasten Erich von Däniken gehört. Die moderne Archäologie geht jedoch davon aus, dass die Nazca-Linien zwischen 800 und 600 v. Chr. für Wasser- und Fruchtbarkeitsrituale angelegt wurden. 

Mitten im Niemandsland steht ein kleiner Aussichtsturm, von dem aus wir aufgeregt die ersten von über 1500 riesigen Scharrbildern sehen, fachmännisch auch Geoglyphen genannt. Mit etwas Fantasie erkennt man einen Baum und eine Figur mit Händen. Wir wollen mehr sehen! Neugierig besteigen die Mutigen unter uns auf dem nahegelegenen kleinen Flughafen die bereitstehende Cessna, und schon kreisen wir über der vegetationslosen weiten Landschaft. Der Pilot macht einen abrupten Schlenker und zeigt für alle, die auf der rechten Seite sitzen, mit dem Flügel auf einige der imposanten Linien. Wir sehen den „Astronauten“, den „Affen“, die „Schnecke“, den „Kolibri“, den „Papagei“ und andere Darstellungen von Mensch und Tier in Linien auf den Boden geritzt. Nun folgt in einem knappen Bogen das ganze Manöver für die Linkssitzenden. Mit nervösem Magen, immer schön den Blick auf den Horizont gerichtet, versuche ich, gar nicht erst die abgeflogenen Figuren und Erklärungen auf meinem Prospekt zu verfolgen. Trotz der ganzen schwindelerregenden Angelegenheit sind wir euphorisiert von den Dimensionen und der rätselhaften Erstellung und Bedeutung dieser Erdzeichnungen.

Zurück am Boden geht es entlang der Kakteen bewachsenen Panamericana,  die Alaska mit Feuerland verbindet, weiter nach Süden und später Richtung Anden. In Arequipa verschlägt es uns den Atem, als wir das erste Mal 6000er-Berge erblicken. Ein überwältigendes Panorama über gleich drei Vulkane: den kegelförmigen Misti, den Chachani mit seinen 6057 Metern und den etwas weiter entfernten Picchu Picchu.

Von Alpakas über Kondore zu schwimmenden Inseln

Auch auf der Weiterfahrt über knapp 5000 Meter hohe Pässe sind wir von immer neuen grandiosen Ausblicken auf die weite und raue Landschaft berauscht. Bei den vielen Fotostopps bieten oft Frauen in traditionellen Gewändern ihre selbst gefertigten bunten Handschuhe, gemusterten Decken und Pullover aus der wärmenden Wolle der allgegenwärtigen Alpakas feil. Das scheinbar gemütliche, kuschelige Tier ist ein beliebtes Fotomotiv für Touristen. Seine Geschwister in der Familie der Neuweltkamele, die Guanakos und das Vikunjas, sehen wir nur von Weitem als wilde Herden über die steppenartig bewachsenen Hochebenen ziehen. Dafür kreist über uns aber noch ein wahres Highlight. Im grün bewachsenen Colca-Tal am „Cruz del Condor“ können wir den König der Vögel, den riesigen Kondor, majes-tätisch in der Morgenthermik aufsteigen sehen. Gigantisch! 

Während unsere Gedanken noch hoch in den Wolken weilen, erreicht unser Bus Puno am Titicacasee. Im Motorboot tuckern wir über den 3800 Meter hoch gelegenen, größten Süßwassersee Südamerikas zu den winzigen schwimmenden Inseln der Urus. Kaum zu glauben, dass der inidigene Volksstamm in dem kalten Klima des Sees auf schwankenden, aus getrocknetem Totora-Schilf hergestellten Graspolstern lebt. Anhand von Modellen erklären uns die bunt gekleideten Bewohner, wie sie die Inseln bauen, darauf kochen, ohne einen Brand des Schilfs zu riskieren, und Familienstreitigkeiten lösen. Platzt die Familienidylle, wird die Insel einfach in zwei neue Wohngemeinschaften geteilt. 

Weiter schippern wir zu dem idyllischen und ursprünglichen Dorf Llachón, das auf einer kleinen Halbinsel liegt. Dorfbewohner mit bunt bestickten Trachten aus Wolle empfangen uns mit Ketten aus Cantuta-Blüten, unser Gepäck wird auf Esel geladen. Einfache, unbeheizte, eiskalte Lehmhütten sind für die nächs-ten zwei Tage unser Quartier. Unsere Gastfamilie bewirtet uns liebevoll, wir haben schnell Kontakt zu den Kindern. Das Leben auf der Halbinsel ist äußerst einfach. Geduldig sitzen die Frauen mit ihren langen, schwarzen Zöpfen und den lustigen Bommelhüten in der wärmenden Mittagssonne am Feldrand und sortieren die spärliche Kartoffel- und Maisernte. Hühner und Schweine laufen frei herum. Die Männer fahren mit einfachen Segelbooten zum Fischen. Eigentlich möchte man bleiben, hier kommt man zur Ruhe. Aber nix da: Die alten Inka warten auf uns in Cusco.

Fest der Sonne

Die Andenstadt ist durch das Aufeinandertreffen der Inka-Kultur und der spanischen Eroberer geprägt. Architektonisches Beispiel ist der ehemals heiligste Ort des Inkareiches, der Tempel des Inti (Sonne). Er wurde nach der Invasion der Spanier zerstört. Die imposanten Grundmauern sind jedoch erhalten und zeigen einstiges meisterliches Steinmetz-Handwerk. Passgenau, ohne Mörtel fügten die Inka Steine so ineinander, dass die Bauwerke bis heute Erdbeben überstehen. Nach der Eroberung und Zerstörung bauten die Kolonialherren auf den Mauerresten des ehemaligen Sonnentempels die Kirche „Santo Domingo“. 

Wir haben gerade die Zeit der Wintersonnenwende, zu der immer das bunte „Inti Raymi“-Fest (24. Juni) gefeiert wird – eines der größten Schauspiele Perus. Ich vergleiche es ein wenig mit dem Treiben des Münchener Oktoberfestes, nur dass hier die religiösen Zeremonien der Inka zu Ehren ihres sonnengleichen Herrschers nachgestellt werden. Eine Woche lang steht die Stadt Kopf. Aus dem ganzen Land treffen sich Gruppen in ihren traditionellen indianischen Trachten zum Tanzen und Musizieren auf den Straßen rund um die Plaza de Armas. In der Enge des Gewusels verkaufen Händler das beliebte Getränk „Chicha“, eine aus Lila-Mais hergestellte Limonade, und typische kleine Gerichte, wie frisch zubereitete Guacamole mit roten Zwiebeln und frittierte Eier mit Pommes – wirklich köstlich. Weniger überzeugen uns dagegen die gegrillten, frech die Nagezähne zeigenden Meerschweinchen, die die Peruaner als Delikatesse lieben.

Mitten im neugierigen Gedränge von Schaulustigen beobachten wir von den Treppen der imposanten Kathedral-basilika der Jungfrau Maria Himmelfahrt aus den Höhepunkt der Feierlichkeiten. Stolz zieht sich die riesige Inka-Prozession in Gruppen von bunt gekleideten Priestern, Kriegern, Tänzerinnen, Musikanten über den Hauptplatz bis hin zur Ruinenanlage Sacsayhuamán, eine ehemalige Inka-Festung. Auf einer prächtigen Sänfte wird der hoheitsvoll sitzende Inka getragen, gefolgt von seiner festlich gewandeten Frau nebst Gefolge. Überall herrscht ausgelassene, fröhliche Stimmung bis in die Nacht hinein.

So auf die Inka-Kultur eingestimmt, freue ich mich auf die kommenden Tage, die uns nach Machu Picchu führen werden. Jeder kennt die Bilder der schwer zugänglichen Ruinenstadt, doch die Wirklichkeit ist umwerfend. Wie so vieles in diesem wunderbaren Land –
atemberaubend!