Schweine im Schneckentempo

Die Pfarrkirche St. Daniel in der Gemeinde Dellach im Gailtal gilt als Urpfarre des oberen Gailtales und des Lesachtales.
© W. Hummer

„Das Tal der hundert Mühlen“ – so wird das Lesachtal heute noch genannt. Zu seiner Hochblüte klapperten an die 200 Wassermühlen am rauschenden Bach. Der Mühlenweg Maria Luggau ist ein kurzer Rundgang vom „Lesachtaler Bauernladen“ in Maria Luggau zu den fünf alten Wassermühlen.
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Stolz präsentiert Bäcker Thomas Matitz seine Brotlaibe in seiner Backstube in Kötschach.
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Die eigene Landwirtschaft und Produktion auf Schloss Lerchenhof bei Hermagor existiert seit Anbeginn am Schloss und ist somit die Basis des Erfolges. Die Schweine werden dort z.B. ein Jahr mit Bio-Futter aus Eigenanbau gemästet.
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Speckbauer Hans Steinwender vom „Hotel Schloss Lerchenhof“ bei Hermagor prüft seine Waren.
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Der Ausdruck Morende leitet sich vom Italienischen ab und bedeutet so viel wie „jausnen“. „Geamo Morenden“ - hieß es seit jeher im Lesachtal, wenn die Bauernfamilien zusammenkamen und ihre traditionellen, selbst hergestellten Gerichte speisten. Genuss pur verspricht auch die Speckdegustation im „Hotel Schloss Lerchenhof“.
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In Kärnten erleben interessierte Gäste beim Brotbacken und Speckmachen, was hinter Slow Food steckt.
Christian Schreiber (Text)
Die Schnecke kommt der kleinen Tochter unheimlich vor. „Müssen wir die essen?“ Schließlich unternehmen wir einen kulinarischen Trip der besonderen Art, sind aufgebrochen ins österreichische Kärnten, um außergewöhnlichen Lebensmittelproduzenten über die Schulter zu schauen und gemeinsam mit ihnen leckere Sachen auf den Tisch zu zaubern. Und überall, wo wir hinkommen, klebt die kleine, rot-weiße Schnecke. Wir können jedoch Entwarnung geben: Sie landet nicht bei uns auf dem Teller, sie leitet und begleitet uns, denn sie ist das Symbol der Slow-Food-Bewegung, die vor gut 30 Jahren in Italien als Gegenpol zum schnellen Fertigessen entstand.
Slow Food Travel im Zeichen der Schnecke
Obwohl die Schnecke nicht besonders fix unterwegs ist, hat sie viele Ecken in Europa bereits erobert. In Kärnten hat sie sogar noch mehr geschafft: die weltweit erste Slow-Food-Travel-Region, die im Südwesten des österreichischen Bundeslandes liegt. Und so dürfen Urlauber im Gail-, Gitsch- und Lesachtal sowie am Weißensee zum Beispiel zum Buttermachen auf die Alm, „kuhles“ Bauerneis herstellen, aus Ziegenmilch Käse und aus Eiern Nudeln machen. Die Slow-Food-Idee, die für gesunde Esskultur mit besten Produkten aus der Region steht, soll für den Gast nicht erst erlebbar sein, wenn die Forelle bereits blau auf dem Teller liegt. Vielmehr soll der Besucher im Idealfall die Chance haben, das Lebensmittel mitzugestalten. Er soll sich überzeugen, dass der Produzent tatsächlich für umweltfreundliche, gesunde und ressourcenschonende Erzeugung steht, dass faire Bedingungen für alle herrschen und die Preise am Ende gerecht sind.
Bei alledem gibt’s obendrauf jede Menge Spaß – vor allem für Kinder. Womit wir wieder bei der Schnecke sind. Diesmal ist es aber eine aus Teig. „Die ess’ ich ganz sicher“, sagt die Kleine, legt das Ding aufs Blech und klatscht vor Freude in die Hände, dass das Mehl nur so staubt. Unter der Staubwolke taucht sogar Thomas Matitz für einen Augenblick ab. Wir sind in seiner Backstube in Kötschach gelandet.
Er zeigt, wie man Brezen formt, Hörnchen dreht, Zöpfe flechtet und Schnecken kringelt. Auch den Teig haben wir gemeinsam gemacht. „Ich habe zehn Jahre nur mit dem Trockenzeug gearbeitet, wusste gar nicht mehr, wie ein Natursauerteig geht.“ Matitz war einer der ersten, der die Slow-Food-Idee mitgetragen und seinen Betrieb umgestellt hat. Die Zutaten kommen nur noch aus der Region, wachsen teils auf den Fel-dern vor der Haustür. Der Bäcker hat alte Getreidesorten wieder ausgegraben und sich eine Mühle angeschafft, um Dinkel selbst zu mahlen. „Bei mir fliegt nichts in die Tonne“, erklärt er. Brot, das er nicht an den Mann bringt, verarbeitet er zu Semmelbrösel. Süße Teilchen, die niemand vernascht, findet man am nächsten Tag als Füllung in Nusshörnchen wieder. Da piept endlich der Ofen, die Nachwuchs-Bäcker dürfen sich Brezen und Co. in Papiertüten packen. „Mhhm, ich wusste nicht, dass Schnecken so gut schmecken“, sagt die kleine Tochter zum Abschied.
Große Auswahl an Erlebnisprogrammen
In der warmen Jahreszeit geht Matitz mit Klein und Groß einmal im Monat zu festen Terminen in die Backstube. Daneben gibt es im südwestlichen Kärnten fast drei Dutzend weitere Produzenten, die ebenfalls Erlebnisprogramme im Zeichen der Schnecke kreiert haben. Jeder von ihnen bietet im Frühjahr, Sommer und Herbst mehrere Termine an, so dass eine stattliche Auswahl zustande kommt. Der Gast kann sich telefonisch oder via Internet für die Kurse einbuchen, die in der Regel zwischen zwei und vier Stunden dauern. Kinder sind meist gratis, die Teilnahmegebühren für Erwachsene liegen zwischen 29 und 75 Euro, wobei am Ende auch mal ein ganzes Menü rausspringen kann, etwa beim „Slow Fisch“-Kurs am Weißensee.
Null-Kilometer-Menü
Es ist sinnvoll, sich eine feste Unterkunft zu buchen und dann auf Schnecken-Tour zu gehen oder gleich die Schnecke im Haus aufzuspüren. Im „Hotel Schloss Lerchenhof“ bei Hermagor muss man nicht lange suchen, Slow Food ist seit Generationen oberstes Prinzip im Res-taurant. Schon in den 1960er Jahren setzten die Vorfahren von Hans Steinwender, der das Schlosshotel heute betreibt, auf das, was links und rechts auf den Feldern wuchs und weidete.
Der Sohn von Steinwender, der heute in der Küche steht, treibt das Prinzip auf die Spitze: Er hat ein Null-Kilometer-Menü kreiert. Bei den anderen Gerichten schreibt der junge Koch auf die Karte, wie weit die Zutaten reisen mussten, bis sie bei ihm im Topf landeten. Der Senior züchtet Schweine und mästet sie ein Jahr mit Bio-Futter aus Eigenanbau. „Bei mir gibt es keine Turboschweine.“ Er bietet Speckseminare, bei denen die Teilnehmer beim Einsuren und Räuchern dabei sind. Der Speck muss aber auch bis zu einem Jahr reifen, ehe er auf dem Teller landet. „Gute Produkte brauchen Sorgfalt und Zeit.“ Alles im Schneckentempo …

Die Slow-Food-Idee steht für gesunde Esskultur mit besten Produkten aus der Region. So werden auch alte Getreidesorten wiederentdeckt und fürs Brotbacken genutzt.
© Daniel ZUPANC/TVB Lesachtal

Wer will, kann in der Backstube von Thomas Matitz beim Backen mithelfen. Den Kindern gefällt und schmeckt es ausgezeichnet.
© Christian Schreiber

Slow Food ist im Restaurant „Hotel Schloss Lerchenhof“ seit Generationen oberstes Prinzip.
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