Zauberlicht

Reine ist ein authentisches Fischerdorf auf den Lofoten, das für seine malerische Lage am Nordpolarmeer und den majestätischen Gipfeln der Lofoten bekannt ist. Umso schöner, wenn am Himmel Nordlichter erstrahlen. Die bunten Himmelsphänomene entstehen, wenn sich energiegeladene Sonnenwindteilchen mit erdeigenen Atomen verbinden.
© Adobe Stock/Blickfang

"MS Trollfjord" am Quai von Brønnøysund
© Adobe Stock/GunnarE

Svolvær im Herzen der Lofoten zieht Naturliebhaber und Abenteuerlustige an – und Künstler, die nach dem besonderen Licht suchen.
© Adobe Stock/surachetkhamusk

Die bunten Lagerhäuser In Trondheim entlang des Flusses Nidelva stammen aus dem Mittelalter.
© Adobe Stock/Blickfang

Der Nidarosdom in Trondheim ist die nördlichste mittelalterliche Kathedrale der Welt, er gilt als Nationalheiligtum. Auch wenn der größte Teil der Kirche im Stil der Gotik erbaut wurde, zeigen die ältesten Teile am Querschiff noch romanische Züge.
© Tobias Rentsch

Hikingtour bei Kirkenes
© Tobias Rentsch
Seit 130 Jahren verkehren die legendären Postschiffe der „Hurtigruten“ entlang der norwegischen Küste. Wer im Winter bis in den März hinein an Bord geht, erlebt ziemlich sicher das fantastische Spektakel der Nordlichter.
Gudrun Rentsch (Text)
Velkommen! Das „Hurtigruten“-Terminal in Bergen mit seinen Check-in-Countern erinnert ein bisschen an einen Flughafen. Auch das internationale Stimmengewirr in der eleganten Lounge, wo skandinavische Häppchen die Wartezeit verkürzen. Die schönste Seereise der Welt, wie die Postschiffroute gern kolportiert wird, zieht Gäste aus der ganzen Welt an. Jetzt in den Wintermonaten locken viele die Polarlichter, die Reederei wirbt sogar mit einem „Nordlicht-Versprechen“ – sollte man während der Fahrt tatsächlich keines zu Gesicht bekommen, könnte man im Jahr darauf die Reise (bis zu 7 Tage) kostenfrei wiederholen. Ob das schon mal vorgekommen ist? Das lässt sich nicht wirklich verifizieren. So viel vorab: Auf unserer Reise erleben wir Nordlichter satt!
Erst einmal gehen wir am späten Abend an Bord der eleganten „Trollfjord“ – sie wird unser schwimmendes Hotel für die Reise sein. Alles wirkt freundlich und hell, im Speisesaal, im Bistro, in den Bars und im Vortragsraum. Die Möbel skandinavischen Stil geben der Einrichtung des Postschiffs ein frisches Gesicht. Da dieser Termin nicht ausgebucht ist, gibt es an der Rezeption die Möglichkeit auf ein kostengünstiges Upgrade von der Außenkabine auf eine der sonst echt teuren Suiten. Wir schlagen zu und freuen uns auf der ganzen Reise über deutlich mehr Privatraum.
Mit 15 Knoten gen Norden
Passagiere drängen sich aufs Außendeck, Fotoapparate klicken, Abschiedsrufe und Gelächter, und schon schiebt sich die „Trollfjord“ aus dem Hafen und nimmt Kurs Richtung Norden.
Bergen, angeblich die regenreichste Stadt Europas, entfernt sich immer weiter, die Lichter der Stadt mit ihren knapp 270.000 Einwohnern werden immer kleiner. Der Wind frischt auf, noch sind die Temperaturen im Plusbereich. Der Nordatlantik umschließt uns schwarz und ein bisschen unheimlich. Leise klatschen die Wellen an den Bug, als das Schiff mit etwa 15 Knoten in der Stunde unserem Nordabenteuer entgegen pflügt.
Seit Kapitän Richard With vor genau 130 Jahren die Strecke zum ersten Mal befahren hat, sind die legendären Postschiffe, die Süd- und Nordnorwegen miteinander verbinden, eine norwegische Institution. Die Schiffe fahren fast täglich zwischen Bergen und Kirkenes und stoppen auf ihrer 12-tägigen Reise (hin und retour) an insgesamt 34 Häfen.
Der Fahrplan hat oberste Priorität
Mehrmals täglich legen wir nach einem festen Fahrplan in den Orten entlang der Küste an. Dann läuft alles routinert: Passagier- und Frachtluke öffnen sich, Menschen verlassen das Schiff oder kommen an Bord. Fracht wird entladen, neue aufgenommen. Im Schnitt dauert das Schauspiel etwa eine Viertelstunde, für einen Landgang lohnt sich das nicht.
Länger ankert das Schiff nur in größeren Städten wie Alesund, Trondheim oder Tromsø. Jeden Tag hält das Expeditionsteam unter der Leitung von Heinz Erbacher – halb Norweger, halb Schweizer und von allen Onkel Heinz genannt – launige, kurze Vorträge in Deutsch und in Englisch, und erklärt, was die Passagiere jeweils tags darauf bei Landgang erwartet. Für Stadtexkursionen auf eigene Faust liegen Stadtpläne aus, die buchbaren Ausflüge konzentrieren sich auf besondere Highlights.
Perfekt geplante Norwegen-Abenteuer
Das sind geführte Wanderungen in die nordische Natur, die Besichtigung einer Lachsfarm oder einer lokalen Brauerei, besondere kulinarische Erlebnisse wie ein festliches Wikingermahl oder ein fischiger „farm to table“-Trip wie in der Barentsee, wo die Gäste mit dem Boot rausfahren, riesige Königskrabben (die Spannweite der Beine kann bis zu 180 cm betragen,) aus den Reusen holen und anschließend live bei der Zubereitung zuschauen können – gefolgt von einem köstlichen Krabbenessen. Im Winter sind auch nordische Abenteuer wie eine Jetskitour, Hundeschlittenfahrten oder ein Lunch im Eishotel im Programm. Alles minutiös geplant, der Fahrplan hat oberste Priorität!
Nach Alesund am ersten Tag, erkunden wir an Tag drei Trondheim auf eigene Faust. Rund 183.000 Einwohner, der Nidarosdom, der übrigens auch norwegische Krönungskirche ist, beeindruckt mit erhabener Gotik und imposantem Grau. Etliche Straßenzüge in der Universitätsstadt erinnern ein wenig an amerikanische Roadmovies, cool sind die bunten Holz-Lagerhäuser an der Nidelva.
Als wäre man auf Zeitreise in einer anderen Welt
Bezaubernd bei Tag und bei Nacht ist das Städtchen Svolvær auf den Lofoten, hier ankert die „Trollfjord“ bei der Hin- und Rückreise jeweils für zwei bis drei Stunden. Wir gehen mit Heinz Erbacher auf eine zweistündige Nachtwanderung auf die Svolværgeita, eine 150 Meter hoch aufragende Bergspitze, die auf dem knapp 570 Meter hohen Berg Fløyfjellet aufgesetzt ist. Die Kulisse um das beleuchtete 4800-Einwohner-Städtchen ist auch im Dunklen spektakulär, aber magisch wird es, als über uns der Himmel zu glühen beginnt.
Ein heller Fleck, der immer größer wird, schließlich grün wabert. Das Licht teilt sich in senkrechte Schlieren, die zu tanzen beginnen. Das Grün versucht, uns zu umfangen. Wie gebannt starren wir himmelwärts zu diesem Zauberlicht, und dann ist es weg – genauso plötzlich wie es aufgetaucht war. Fast muss man sich schütteln, um wieder in die Wirklichkeit zurück zu finden, die salzige Luft wieder wahrzunehmen und die knackige Kälte der Polarnacht zu spüren. Ein sehnsüchtiger Blick noch in den Himmel, dann machen wir uns an den Abstieg.
Kaum, dass wir am fünften Tag den Polarkreis überquert hatten, ging es abends mit den Durchsagen los: „Meine Damen und Herren, es sind Nordlichter zu sehen.“ Für fast alle an Bord ist die berühmte Aurora borealis der Hauptgrund, diese Reise exakt im Winter zu übernehmen. So auch für Karen und Anne, zwei betagte Freundinnen aus Missouri: „Bitterkalt wird es bei uns auch, aber wir haben nicht dieses fantastische Polarlicht.“
Der fantastische Tanz der Nordlichter
Oft kommt der Alarm, wenn wir beim Abendessen sitzen. Keine Frage, das Nordlicht hat Vorrang. Gabel fallen lassen, schnell noch auf in die Kabine, rein in die Winterklamotten und ab aufs Promenadendeck: Backbordseite – so wie es Expeditionsleiter Erbacher geraten hat. Je nördlicher und je klarer die Nacht, desto schöner die Lichter. Von Gelb über Grün bis Blau und Lila strahlt der Himmel. Das Spektakel macht süchtig. Schlafen kannst du im Süden, heißt ein Spruch in Nordnorwegen.
Das Schiff bietet keine große Ablenkung. Je eine Sauna für Damen und Herren und zwei Whirlpools auf Deck 9 – und basta. Natürlich ist das Essen exzellent, viele Produkte liefern lokale Erzeuger direkt ans Schiff und die Köche kreieren mit der frischen Ware bodenständige, leckere Hausmannskost. Ein Fine-Dining-Restaurant überzeugt Gourmets mit exquisiten Spezialitäten. Das Expeditionsteam bietet interessante Vorträge an und auf dieser Reise setzt sich Giske vom Expeditionsteam manchmal in der Bar ans Klavier und singt mit zarter Stimme romantische Weisen. Das war es in Sachen Bordunterhaltung. Wofür bräuchte man sie auch?
Warm eingepackt raus aufs Panoramadeck
Die „Hurtigruten“-Passagiere sind ein uneitles Volk: Funktionskleidung, Thermounterwäsche, Mützen und Handschuhe, Hauptsache warm. So gut gerüstet, können einem selbst der Fahrtwind und die Minusgrade nicht mehr viel anhaben. Drinnen prägen Jogginghosen und warme Puschen an den Füßen das Bild, aufgetrumpft wird hier höchstens mit einem besonders kunstvoll gestrickten Norwegerpullover.
Tag um Tag steht man warm eingemümmelt an Deck und kann sich nichts Schöneres vorstellen als in die Weite zu schauen, das Licht ist das Entertainment. Der Morgen dämmert, aber die Sonne lässt sich Zeit, die blaue Stunde führt Regie. Die tief verschneiten Berge erstrahlen in rosaroten Tönen, darüber der Himmel in allen Blauschattierungen, dazu immer wieder hell erleuchtete Siedlungen. Stille, nur schauen, so geht sie also, die schönste Seereise der Welt!

Maryann Bendiksen, die einzig weibliche Kapitänin bei Hurtigruten, checkt die Lage auf hoher See.
© AS Hurtigruten

Flagge der Postschiffroute
© Adobe Stock/Robert Ruidl

Sehnsuchtsziel Nordkap
© Gudrun Rentsch