Kulturleben in Fjord-Norwegen

Bei Sonnenschein findet in Bergen das Leben auf der Straße statt, wie hier im Hanseviertel Bryggen.
© Gesine Unverzagt

Die Stabkirche Røldal in der Kommune Odda wurde um 1250 gebaut.
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Stavanger Symphony Orchester
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Einst Edvard Griegs Wohnsitz, seit 1928 Museum: die Holzvilla Troldhaugen, die im Süden seiner Heimatstadt Bergen am Ufer des Nordåsvannet liegt.
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Lokale Köstlichkeiten, grandiose Natur sowie leidenschaftliche Kunst und Musik
Gesine Unverzagt (Bilder und Text)
Auf der Dachterrasse des „Comfort Hotels“ in Stavanger bietet der blaue Himmel beste Bedingungen für das „Culinary Lookout“. Tamara Kulina, Gründerin einer Förderinitiative für regionale Produkte, offeriert hier oben lokale Köstlichkeiten mit Blick über die Stadt. Da ist Mikals Lachs aus Hjelmedal, luftgetrockneter Schinken von den Bergen von Ryfylke und Wurst, die in sechster Generation von der Familie Idsøe hergestellt wird. Köstlich ist Bo Jensens Ziegenkäse, die handgemachte Schokolade vom Lysefjord zergeht auf der Zunge. Dazu wird regionales Bier angeboten. Tamaras Probierhappen sind ein wunderbarer Einstieg in die Kulinarik Norwegens.
Ein Herz für Straßenkunst
In Stavanger, europäische Hauptstadt für Öl und Energie, herrscht dank internationaler Arbeitnehmer ein Multikulti-Flair. Wir schlendern durch die Stadt, um in der „Breigata“ Michael Woytowicz zu treffen, der uns bei einer Tour zum Straßenkunstfestival begleiten wird. „NUART“ ist ein jährlich stattfindendes Street Art Festival, eine Kunst bestehend aus Graffitis, Schablonenkunst und Pflas-termalerei. Als Leinwand dienen Mauern, Wohnhäuser, Fabrikgebäude und Gehwege. Rebellen und unkonventionellen, nationalen und internationalen Künstlern möchte das „NUART“-Festival eine Plattform bieten.
Es sind großartige Kunstwerke, die Michael uns in dem Industriegebiet in der Nähe des Ölmuseums zeigt. In einer ziemlich trostlosen Gegend sind riesige Getreidespeicher mit ebenso riesigen Figuren bemalt, über die komplette Wand eines Wohnhauses ist ein faltiges Handtuch entstanden. Eine Art Baracke wurde mit Parolen in enormen Lettern versehen. Wundervoll sind die kleinen Schablonenbilder mit gesellschaftspolitischen Aussagen.
Mit einigen Künstlern kommen wir ins Gespräch. Da ist ein Spanier, der große, verfremdete Portraits herstellt, die in Leuchtkästen präsentiert werden. Ein Ägypter kniet vor einer Wand, die er mir großen Lettern versieht, ein Engländer bastelt an einem neuen Werk. Es herrscht eine junge, kreative und fröhliche Stimmung voller Leidenschaft für die Straßenkunst. Einigen Straßenkünstlern ist von hier aus sogar der Sprung in die internationale Kunstszene geglückt, erzählt uns der gebürtige Pole Michael.
Leidenschaft erfahren wir auch am Abend im Konzerthaus während eines Konzerts des „Stavanger Symphony Orchesters“ unter der Leitung von Christian Vasquez. Die Begeisterung für die Musik der sonst eher kühlen Skandinavier ist ungebremst.
Landschaftsbilder wie gemalt
Wer Stavanger besucht, sollte unbedingt an einer Schifffahrt in den 42 Kilometer langen, traumhaften Lysefjord teilnehmen, umgeben von hohen Bergen und zahlreichen Wasserfällen. Höhepunkt der Tour ist der Blick auf den in 600 Metern Höhe gelegenen Berg Preikestolen. Die „Kanzel“ ist während einer markierten Wanderroute den Fjord entlang auch zu besteigen. Dort oben angekommen, werden die Extremwanderer mit einem gigantischen Blick über den Fjord belohnt. Für die richtige Stimmung während der Schiffstour durch die großartige Landschaft des Lysefjords sorgt zusätzlich die Musik Edvard Griegs, die uns über Lautsprecher beglückt.
Wir verlassen Stavanger, um weiter per Bus Fjord-Norwegen zu entdecken. In nördliche Richtung geht es auf der Panoramastraße Ryfylke vorbei an moosbewachsenen, hoch aufragenden Felsen, an Birkenwäldern und Wasserfällen, durch zahlreiche Tunnel, vorbei an Seen und Fjorden, in denen sich weiße und rote Holzhäuser spiegeln. Unterwegs ist ein kurzer Stopp in Røldal empfehlenswert, um die für Norwegen typische Stabkirche zu besichtigen, eine Pilgerkirche aus dem Mittelalter.
Obstanbau und historische Gemäuer
Inzwischen sind wir am Sørfjord angekommen, einem Nebenarm des Hardangerfjords. Hier ist Norwegens größtes Obstanbaugebiet. Rote Äpfel hängen dicht an dicht schwer an den Ästen. Zwischen den Plantagen in Aga, nördlich von Odda, befindet sich unterhalb eines hohen Berges das Freilichtmuseum Agatunet, eine gut erhaltene Siedlung. Dreißig denkmalgeschützte Holzhäuser sind hier zu besichtigen, erbaut von dem Richter, Ritter und Ratsmitglied Sigurd Brynjolfsson und Berater von König Erik Magnusson. Das älteste Gebäude wurde ca. 1250 erbaut und ist Norwegens ältestes Haus, das auf seinem ursprünglichen Platz steht. Cecilia Holm führt uns durch die historische Farm-anlage, wobei der Besucher auch erfährt, unter welch schweren Bedingungen die Bauern früher lebten und arbeiteten.
Weiter geht die Fahrt nach Utne ins Hardanger Volksmuseum, das 1911 gegründet wurde. Es zeigt die Kulturgeschichte der gesamten Region Hardanger und ist eines der ältesten Museen seiner Art in Westnorwegen. Der Fiedler Alexander, traditionell gekleidet, spielt uns dort ein Ständchen auf einer Violine ähnelnden Kastenhalslaute, die in der Volksmusik Norwegens häufig verwendet wird.
Ein besonders interessantes Museum ist das Hardanger Maritim Museum. Hier werden nicht nur historische Boote ausgestellt, sondern auch alte, schrottreife Boote mit viel Liebe detailgetreu restauriert. Der Ort ist ein Eldorado für Bootsliebhaber, die hier auch ein wieder flott gemachtes, traditionelles Oldtimer-Holzruderboot erwerben können.
Blauer Himmel in Bergen
Die Hansestadt Bergen ist bekannt dafür, die regenreichste Stadt Europas zu sein. Wir haben Glück, der Himmel ist heute blau mit Wattewolken. Mit der Seilbahn geht es hoch auf den Hausberg Fløyen, von wo aus wir den besten Blick auf die hübsche Stadt mit den bunten Häusern im Hanseviertel Bryggen haben. Bei dem Traumwetter bleibt kein Bewohner Bergens daheim, wovon das Gourmetfestival profitiert, das am Wochenende stattfindet.
Sämtliche 278.000 Einwohner der Stadt scheinen unterwegs zu sein, um an Verkaufsständen die angebotenen Köstlichkeiten zu probieren. Auch hier geht es um die Förderung regionaler Produkte, die mit viel Kreativität zubereitet und angepriesen werden. Besonders lecker ist der Apfelkuchen, kombiniert mit dem frischen Apfelsaft der lokalen Obstplantagen.
Berühmte Söhne
Nur ungern verlassen wir das Festival der Köstlichkeiten, um uns abschließend mit Kunst zu befassen, denn in Bergen ist der Besuch des Kunstmuseums Kode Pflicht. Auf einer ganzen Etage sind dort Werke des berühmten norwegischen Malers Edvard Munch zu bewundern.
Auch Troldhaugen, der ehemalige Wohnsitz des Komponisten Edvard Grieg (1843-1907), sollte nicht ausgelassen werden. Das hübsche Holzhaus, idyllisch am Fjord gelegen, wurde 1928 zum Museum. Hier lebte Grieg mit seiner Frau Nina die letzten 22 Jahre seines Lebens. Etwas Besonderes ist es, in dem angebauten Konzertsaal in den Genuss von Griegs Musik zu kommen. Heute spielt der Pianist Einar Steen-Nøkleberg mit Hingabe die Ballade in g-Moll Op. 24, eine Musik der Seele Norwegens.

Auch kleine Schablonenbilder prägen die Street-Art-Szene in Stavanger.
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Am Sørfjord liegt Norwegens größtes Obstanbaugebiet.
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Geräuchertes Rentierfleisch mit Avocadocreme beim Gournetfestival in Bergen
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