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Reportagen

Leeuwarden – Ein Hoch auf den Norden

Im Keramiekmuseum Princessehof läuft noch bis 5. Mai die Ausstellung „In Motion – Ceramic Reflections in Contemporary Art“; hier ein Werk des Künstlers Céleste Boursier-Mougenot.

Im Keramiekmuseum Princessehof läuft noch bis 5. Mai die Ausstellung „In Motion – Ceramic Reflections in Contemporary Art“; hier ein Werk des Künstlers Céleste Boursier-Mougenot.

© In Motion, project van Leeuwarden-Fryslân 2018

Das Fries Museum in Leeuwarden beherbergt rund 170.000 Objekte aus Kunst, Kultur und Geschichte.

Das Fries Museum in Leeuwarden beherbergt rund 170.000 Objekte aus Kunst, Kultur und Geschichte. Der Mata-Hari-Saal ist dem Leben der Tänzerin und als Spionin hingerichteten Mata Hari gewidmet, die 1876 in Leeuwarden als Margaretha Geertruida Zelle geboren wurde.

© Ruben van Vliet

Die „Bildter Kartoffelwochen 2018“ sind unter dem Namen „Potatoes Go Wild“ im Kulturhauptstadt-Programm vertreten.

Die „Bildter Kartoffelwochen 2018“ sind unter dem Namen „Potatoes Go Wild“ im Kulturhauptstadt-Programm vertreten.

© Potatoes Go Wild

 

„Grand Café“ im Hotel „Post-Plaza“

„Grand Café“ im Hotel „Post-Plaza“

© Post-Plaza Hotel and Grand Café

Im Rahmen des  Projekts „Sense of Place“  werden längs der Küste zahlreiche Kunst­objekte im Wattenmeer platziert.

Im Rahmen des Projekts „Sense of Place“ werden längs der Küste zahlreiche Kunst­objekte im Wattenmeer platziert.

© Ruben Hamelink

Gemeinsam mit Valletta in Malta ist Leeuwarden „Kulturhauptstadt Europas 2018“ und lockt mit einem vielseitigen Programm Gäste aus aller Welt in die niederländische Provinz Friesland.

Cornelia Ganitta (Text und Bilder) 

Sie heißen „Bürgermeister von Neapel“, „Design-Fabrik“, „Fritten-Studio“, „Auf Bewährung“ und „Laura & ihr Chef“. Hippe Läden und Restaurants in Leeuwarden, die erst in den letzten zwei Jahren eröffnet haben. Auch das „House of Taste“ gehört dazu, ein Delikatessen-Geschäft in der Kleinen Kerkstraat. „Eigentlich habe ich Marketing studiert, aber dann wollte ich was anderes machen“, sagt Inhaber Jan Tjip Douwstra. Nun macht der 37-Jährige in Tapas, Öl und Wein. Und das in der Straße, die 2010 zur gemütlichsten Einkaufsmeile der Niederlande gewählt wurde. Tatsächlich reihen sich hier eine typisch friesische Bäckerei, ein Käseladen, in dem sich die Käselaibe bis unter die Decke stapeln, Bistros und Deko-Shops aneinander und vermitteln das Bild einer prosperierenden Stadt. 

Kunst auch im Wattenmeer

Sie alle wollen profitieren von 2018, dem Jahr, in dem sich die friesische Provinzmetropole der Welt als „Kulturhauptstadt Europas 2018“ präsentiert. Als Start-Ups vertreten sie mottogemäß die „iepen mienskip“ (Friesisch für „Offene Gesellschaft“). Dabei hatte keiner die knapp 109.000 Einwohner zählende Stadt im nördlichsten Zipfel der Niederlande ernsthaft auf dem Schirm, als 2013 der Hammer zu ihren Gunsten fiel. Und doch hat sich Leeuwarden samt seiner Region, die bis dato nur durch ihr flaches Land und den darauf weidenden schwarz-weißen Kühen auffiel, gegen namhafte Mitbewerber wie Utrecht, Maastricht und Den Haag durchgesetzt. Zweifelsohne hat auch die Nähe zum Wattenmeer den Zuschlag begünstigt. Denn das ist nur 30 Kilometer entfernt und seit 2009 UNESCO-Weltnaturerbe. Ab dem Frühjahr werden dort, längs der Küste im Rahmen des Projekts „Sense of Place“, zahlreiche Kunstobjekte platziert. Als architektonische Landmarken sollen sie über das Kulturhauptstadt-Jahr hinaus bestehen bleiben. Desweiteren passieren Anfang August in dem Hafenstädtchen Harlingen nach einer zweiwöchigen Regatta in internationalen Gewässern 80 Großsegler die Zielgerade. 

Zurück nach Leeuwarden. Auch „A Guide to Leeuwarden“ zählt zu den jungen Unternehmen, die auf den Zug „Kulturhauptstadt“ aufgesprungen sind. Seit 2013 bietet es „gratis“ Stadtführungen an, seit diesem Jahr außerdem spezielle Kultur-Führungen. Das Prinzip ist simpel, jeder gibt am Ende das, was es ihm wert war. „Das Tolle ist: Auf diese Weise zahlen die Leute sogar mehr, als wir vorher verlangt hätten“, bringt Initiativnehmer Henk Leutscher das Konzept auf den Punkt. Mit seiner Kollegin, einer jungen Deutschen, die nach dem Studium in Leeuwarden hängengeblieben ist, geht es auf einen Rundgang durch die Stadt. Zunächst führt uns Christina zum Fries Museum, das als Neubau seit fünf Jahren den Wilheminaplein schmückt. Hier ist aktuell die Schau „Escher auf Reisen“ zu sehen. M.C. Escher, der bekannte Grafiker und Maler optischer Täuschungen, wurde 1898 in Leeuwarden geboren. Sein Geburtshaus am Princessehof steuert Christina, die mit ihren blonden langen Haaren schon selbst wie eine Friesin daherkommt, als Nächstes an. 

Das Who is Who aus Leeuwarden

„Bevor Escher hier das Licht der Welt erblickte“, erzählt die 28-Jährige, „war dies das Stadtpalais von Maria Louise von Hessen-Kassel. Als Prinzessin von Oranien-Nassau war sie die Mutter aller europäischen Königshäuser“. Heute befindet sich in dem Haus aus dem 18. Jahrhundert das Keramiekmuseum Princessehof, das neben der ständigen Sammlung regelmäßig auch moderne Trends in der Porzellan-Herstellung präsentiert. 

Auch vor einem Hauswand-Graffito, das Saskia und Rembrandt van Rijn zeigt, macht die junge Mecklenburgerin Halt. „Wussten Sie, dass die Frau eines der bedeutendsten niederländischen Künstler aus Leeuwarden stammt?“ Nein, das ist den Tour-Teilnehmern neu. „Als Bürgermeistertochter und diejenige, die das Geld in die Ehe gebracht hat, war Saskia van Uylenburgh zu Rembrandts Lebzeiten sogar bekannter als er.“ 

Schließlich steuert Christina das Elternhaus einer weiteren Tochter der Stadt an. „In diesem Haus hat unsere dritte starke Frau gelebt – Mata Hari.“ Das herrschaftliche Gebäude inmitten der Altstadt lässt erahnen, wie wohlbehütet Margaretha Geertruida Zelle (geb. 1876) hier aufgewachsen sein muss. Als Offiziersgattin verbrachte sie einige Jahre in Indonesien.

Merchandising mit Mata Hari

Als Mata Hari avancierte sie nach ihrer Rückkehr zur berühmtesten exotischen Tänzerin des europäischen Kontinents. Als Kurtisane schließlich hatte sie es besonders auf Uniformierte abgesehen. Das ging so lange gut, bis man sie 1917 wegen des Verdachts der Spionage in Frankreich verhaftet und im Oktober des gleichen Jahres hingerichtet hat. Bis zuletzt hatte sie bestritten, Spionin im Dienste der Deutschen zu sein. Ihr Schicksal wirkt bis heute nach. In vielen Restaurants, Hotels und Läden der Grachten-Stadt erinnert ein Porträt an die verführerische Schöne. Aber auch Marketing-Artikel tragen zur Erhöhung ihrer Bekanntheit bei. So verkauft das neue Sterne-Hotel „Post-Plaza“, das früher ein Postkantor war, eine hauseigene „Mata Hari“-Kaffeemischung, und ein Lunch-Bistro wirbt selbst mit einem eigens kreierten „Mata Hari“-Bagel – natürlich extra scharf.