Hand in Hand

Die Umrundung des Annapurna-Massivs (8091 m) ist das Ziel vieler Bergtouristen in Nepal.
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Blick auf den Durbar Square in der alten Königsstadt Bhaktapur
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Figuren am Fasidega-Tempel in Bhaktapur
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Von Nagarkot im Kathmandutal aus hat man den ganzen Himalaya im Blick.
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Die Rettungswagen der „Nepalhilfe“ sind derzeit in vier verschiedenen Regierungsbezirken in und um Kathmandu im Einsatz.
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Schulbeginn in der Shree Kali Devi Secondary School; seit 1995 hat die „Nepalhilfe“ im Bezirk Sindhupalchok, ca. 80 km nordöstlich von Kathmandu, ausgehend von der Schule in Kadambas insgesamt
20 weitere Schulen für ca. 4500 Jungen und Mädchen gebaut.
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Blick in ein Jungszimmer im Kinderhaus Shaligram
© Dr. Georg Bayerle

Autor Dr. Georg Bayerle (re.) im Gespräch mit dem Schulleiter der Shri Setidevi Secondary School in Thulosirubari
© Dr. Georg Bayerle
Seit dem verheerenden Erdbeben 2015 im Kathmandutal brauchen die Menschen in Nepal mehr denn je humanitäre Unterstützung. Die „Nepalhilfe Beilngries“ engagiert sich seit 27 Jahren vor Ort.
Dr. Georg Bayerle (Text und Bilder)
Auf der Liste der Wirtschaftskraft der Länder auf der Erde belegt Nepal ungefähr Platz 160 von 190 Staaten, in direkter Nachbarschaft mit afrikanischen Nationen wie Äthiopien oder Uganda. Was für ein Widerspruch: Das Land mit den gewaltigsten Bergen und den teuersten Expeditionen findet sich im Armenhaus dieser Erde wieder. Wer in Nepal unterwegs ist, das Panorama genießt und die große Freundlichkeit der Gastgeber, der spürt meistens auch diesen Widerspruch zwischen den Postkartenmotiven und der Lebensrealität vieler Menschen. So ging es vor fast 30 Jahren auch vier Polizisten aus Beilngries, die die „Nepalhilfe Beilngries“ gründeten.
Anpacken und helfen
Begonnen hatte es mit einer Traumreise für viele Bergliebhaber, einem Trekking um die Annapurna im Jahr 1990. Wie so viele, die mit offenen Augen in armen Ländern unterwegs sind, ging es auch den vier Bayern: Neben den großartigen Erlebnissen blieben Eindrücke bitterer Armut und der der Chancenlosigkeit der Kinder und das bei ausnehmend großer Freundlichkeit und Herzlichkeit der Menschen. Tausende von Dias brachten die Beilngrieser Polizisten mit von der Reise, veranstalteten Vorträge und sammelten Geld. Und dann machte sich Manfred Lindner 1992 mit einem Kumpel erneut auf den Weg und brachte die Vortragserlöse in Höhe von 3000 DM zu einer Schule der Englischen Fräulein nach Kathmandu, die sie über Kontakte in der Heimat ausfindig gemacht hatten.
Noch in der nepalesischen Hauptstadt führte der Zufall Regie, die Bayern lernten den deutschsprachigen Rajendra und Sunil kennen, die sie ins abgelegende Bergdorf Kadambas einluden, wo dringend eine Schule gebraucht wurde. So entstand aus der einmaligen Spendenaktion ein langfristiges Hilfsprojekt. Mit ihrem guten Ruf als Polizisten holten sie Ausrüs-tungsfirmen und berühmte Bergsteiger wie Hans Kammerlander, Gerlinde Kaltenbrunner oder Ralf Dujmovits ins Boot.
Unterstützung ohne Abzüge
Drei der vier Polizisten, die die „Nepalhilfe Beilngries“ gegründet haben, sind heute noch ehrenamtlich für den Verein aktiv. Im Schuppen eines alten Handwerksbetriebs lagern sie Schulsachen, Schuhe und Kinderkleider, die sie in Seesäcken auf ihre Reisen mitnehmen; ein Büro gibt es nicht, die Verwaltung machen sie bei sich zu Hause, vermutlich gibt es kein anderes Hilfsprojekt, das die Unterstützung so effizient an die Betroffenen bringt, wie dieses.
Sie garantieren, dass jeder Spenden-Euro direkt in die Projekte fließt. Die Unkosten für Projekt-reisen oder die beiden Koordinatoren vor Ort bestreiten sie aus dem Verkauf der „Nepalhilfe-Kalender“. Und jedes Projekt begleiten sie von der Planung bis heute, besuchen alle Schulen mindes-tens einmal im Jahr und schauen nach dem Rechten. So wurden Anfang November dieses Jahres auch die letzten der wiederaufgebauten Schulen vor Ort eingeweiht, die dem verheerenden Erdbeben am 5. April 2015 zum Opfer gefallen waren.
Ein Erdbeben, das erschütterte
Am Tag des Erdbebens saßen in Oberbayern Michael Rebele, Manfred Lindner und Chris-tian Thumann erschrocken vor dem Fernseher und versuchten, über das Smartphone Kontakt zu den Projektmit-arbeitern in Nepal zu bekommen. Die Shri Setidevi Secondary School in Thulosirubari ist eine von 14 Schulen der „Nepalhilfe Beilngries“, die 2015 ganz oder teilweise zerstört worden sind. Über 400 Kinder aus sieben umliegenden Bergdörfern, von der Vorschule bis zur 10. Klasse, waren allein in dieser Schule betroffen.
Dass sich für die Schüler in Thulosirubari wieder alles zum Guten gewendet hat, zeigt ein Besuch mit den Beilngriesern im Sommer dieses Jahres: Kinder toben vor dem tiefblauen Himmel auf gut 1500 Metern Höhe dem Ball hinterher, schießen auf einfache, aus drei geraden Stecken zusammengeschnürte Tore; es ist Pause in der Shri Setidevi Secondary School.
Die neuen Bauten sind erdbebensicher
Nichts erinnert mehr an das Erdbeben, die Stunde null, die der heutige Rektor der Schule bei sich zu Hause erlebt hat: „Ich war damals noch normaler Lehrer, und es war ein Riesenglück, denn es war Samstag. Da war keiner da, sonst wären vermutlich viele von uns gestorben. So aber ist nichts passiert.“
Aufeinandergepresst wie ein Sandwich lagen damals die drei Stockwerke der alten Schule da. Hier, im grünen Bergland knapp 100 Kilometer nordöstlich von Kathmandu, lag das Epizentrum des Bebens. Die alte Schule, weiß gestrichen, oben auf dem Berg war berühmt als „Weißes Haus“. Weil man es sogar vom Touristenort Nagarkot aus sehen konnte, kamen öfters Reisende vorbei, die glaubten, dass es sich um einen besonderen Tempel oder ein Hotel handeln würde.
Jetzt ist der Neubau fertig: In sonnenhellem Gelb leuchtet er auf dem Bergkamm, und auch die Menschen sind vom damaligen Schock geheilt, berichtet der Rektor: „Im ersten Jahr nach dem Erdbeben, als wir quasi unter freiem Himmel unterrichtet haben, hatten viele noch Angst. Aber heute ist es wieder gut. Die Kinder wurden seither auch psychologisch betreut, und die Neubauten sind erdbebensicher.“
Es ist also Gras darüber gewachsen, nicht nur auf dem Schulhof, sondern auch über die Angst der Menschen. Die Statik der Gebäude mit doppelt verstärkten Eckenpfeilern, Säulen und Decken wurde nach neuesten Berechnungen ausgeführt.
Erste Schützlinge schon erwachsen und erfolgreich
Ein anderes der Ursprungsprojekte, das Kinderhaus Shaligram Bal Griha für Waisen und Halbwaisen, hatte das Erdbeben schadlos überstanden. Hier sind die ersten Generationen von Kindern längst Erwachsene, wie die 28-jährige Shamila, eine elegante junge Frau, die nach einem dreimonatigen Praktikum in Ingolstadt sogar ein wenig deutsch spricht. Nach dem frühen Tod der Mutter war sie über Bekannte der Familie ins Kinderhaus der „Nepalhilfe“ vermittelt worden.
Seit fünf Jahren arbeitet sie nun im Controlling eines Krankenhauses, hat geheiratet und ist mit dem ersten Kind schwanger. „Wenn ich damals nicht ins Kinderhaus gekommen wäre, wäre ich nicht der Mensch, der ich heute bin“, sagt sie: „Ich wäre vermutlich mit 16 verheiratet worden, so wie meine Schwester, hätte viele Kinder und wäre Hausfrau, aber nicht eine berufstätige, gut ausgebildete Frau, die selbst entscheidet, was sie tut.“
Weg zur Heilung
Das Krankenhaus, in dem sie ihren ersten Arbeitsplatz hatte, ist das Siddhi Memorial Hospital in Bhaktapur, einer der alten Königsstädte Nepals. Gegründet wurde es von einem Unternehmer, dessen damals vierjähriger Sohn Siddhi auf dem Heimweg vom Kindergarten auf der Straße überfahren wurde und nicht gerettet werden konnte, weil es keine adäquate medizinische Versorgung gab. Mit 20.000 Dollar legte der Vater, Shyam Sundar, den Grundstein, dann kam die „Nepalhilfe Beilngries“ ins Boot und baute seit 1997 das heutige Kinderkrankenhaus auf.
„Als wir 1993 unseren einzigen Sohn verloren haben, wussten meine Frau und ich nicht mehr weiter“, erzählt Shyam: „Dann dachten wir, der beste Weg zur Heilung von unserem Schmerz ist es, etwas für Kinder zu tun, und so haben wir eine kleine Klinik aufgebaut. Dank der „Nepalhilfe“ wurde ein großes Krankenhaus daraus, und so haben wir zwar unseren Sohn verloren, aber tausenden anderen Kindern helfen können.“
So schließt sich stimmig ein Kreis in der hinduistisch-buddhistisch geprägten Lebensphilosophie Nepals. Und am Beginn steht der Entschluss der vier Beilngrieser Polizisten, die aus den Erfahrungen ihrer Trekkingreise ein Charity-Projekt entwickelt haben, das Jahr für Jahr immer weitere Kreise gezogen hat.

Buddha ist allgegenwärtig. Der Besuch bedeutender Kraftplätze und Klöster allerdings ermöglicht einen besonderen Zugang zur gelebten Spiritualität in Nepal.
© Nepalhilfe Beilngries

Das Kinderhaus Shaligram Bal Griha in der kleinen Ortschaft Lhubu vor den Toren Kathmandus im Südosten gelegen, stellt das Kernprojekt der „Nepalhilfe“ dar.
© Nepalhilfe Beilngries

In Ratanpur im Distrikt Tanahun bietet nun ein Rohrleitungssystem mit 15 Wasserstellen die Möglichkeit an frisches und sauberes Wasser zu gelangen.
© Dr. Georg Bayerle