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Reportagen

James Parkinson: Ein wahres Ausnahmetalent

Titelbild von Parkinsons Booklet „The Villager’s Friend and Physician“ (1804), die Illustration trägt den Titel „The Alehouse Sermon“, es wird vermutet, dass der Mann in der Mitte James Parkinson darstellt – es gibt keine verbrieften Porträts von ihm.

© Wellcome Collection/Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)

Eine Gedenkplakette an James Parkinsons Geburtshaus,

1 Hoxton Square in London, erinnert heute an den Wissenschaftler und Mediziner.

© Courtesy Parkinsons Life

 

Die Surrey Institution (gegründet 1807) in der Blackfrars Road, London, war eine Organisation, die sich der wissenschaftlichen, literarischen und musikalischen Ausbildung und Forschung widmete.In der hier gezeigten Rotunde war auch James Parkinson häufiger Gast.

© Wellcome Collection/Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)

Der englische Landarzt James Parkinson beschrieb im Jahr 1817 erstmals die Symptome und den Verlauf der Parkinsonkrankheit, die er „Shaking Palsy“ (Schüttellähmung) nannte. Seit 1876 trägt die Krankheit seinen Namen. Er war aber auch Chirurg, politischer Querdenker, Geologe und Fossiliensammler.

Marion Vorbeck (Text)

Parkinson war eine bemerkenswerte Persönlichkeit voller Visionen und Schaffenskraft, ein Vordenker und ein Querdenker. So führte er nicht nur eine florierende Praxis in London und verfasste zahlreiche medizinische Schriften, sondern engagierte sich darüber hinaus als einflussreicher Sozialreformer und Geologe.

Stärkung der Volksgesundheit

Ein lebenslanges Anliegen Parkinsons war es, mit seinen Veröffentlichungen die Volksgesundheit zu stärken. So wandte er sich mit einer umfassenden Sammlung gesundheitlicher Ratschläge an den Laien oder warnte er im Kinderbuch „Dangerous Sports“ vor Unfallgefahren. Darüber hinaus befasste sich der vielseitig interessierte Mediziner mit psychischen Erkrankungen, praktizierte als Gastarzt in einer privaten „Irrenanstalt“ in Hoxton und kritisierte die Einweisungspraxis in den „Irrenhäusern“. 

Zudem schrieb er wissenschaftliche Traktate über die Beobachtungen aus seiner eigenen Praxis. Dass James Parkinson zum Krankheitsbild Gicht publizierte oder im Jahr 1812 gemeinsam mit seinem Sohn John den ersten englischen Bericht über die Appendizitis als Todesursache veröffentlichte, ist in Vergessenheit geraten.

Korrekte Beobachtung, falsche Rückschlüsse 

Posthum berühmt gemacht hat ihn jedoch die Abhandlung „An Essay on the Shaking Palsy“, „Eine Abhandlung über die Schüttellähmung“ von 1817. In seinem Traktat beschreibt Parkinson erstmals exakt zwei der Kardinalsymptome der nach ihm benannten neurologischen Erkrankung: den Ruhetremor, den er noch als „Schüttellähmung“ („Paralysis agitans“) bezeichnete, sowie die Bewegungsstörung mit Verlangsamung der Bewegungsabläufe (Akinese). 

Diese Symptome führte er auf eine gemeinsame Ursache zurück – fälschlicherweise jedoch auf das Rückenmark des Patienten. Treffend benennt er seine Beobachtungen als „unwillkürliche, zitternde Bewegungen, verbunden mit verminderter Muskelkraft, zeitweise selbst mit Unterstützung völlig unbeweglich; Neigung zu vornübergebeugter Körperhaltung und zum Übergang von einer laufenden in eine vorwärts rennende Bewegung; die Sinne und der Intellekt bleiben unbeeinflusst.“ 

1884 Benennung als „Morbus Parkinson“

Rund fünfzig Jahre danach sollte der schottische Pathologe William Rutherford Sanders die Symptomatik erstmals als „Parkinson-Krankheit“ benennen. 1884 dann führte der französische Neurologie-Papst Jean-Martin Charcot die Bezeichnung „Morbus Parkinson“ ein, später auch als „Parkinson-Syndrom“ bekannt. Das dritte wichtige Merkmal der Parkinson-Krankheit, eine erhöhte Muskelspannung (Rigor), sowie die verminderte Mimik der Patienten wurde erst später von eben dem Jean-Martin Charcot identifiziert, der die Benennung „Morbus Parkinson“ lanciert hatte.

Traurige Bekanntheit entwickelte die Krankheit während der weltweit grassierenden „Spanische-Grippe“-Epidemie von 1918 bis 1920. War ihr Gehirn in Mitleidenschaft gezogen, entwickelten viele Patienten als Spätfolge das postenzephalitische Parkinson-Syndrom. Heute überwiegt mit rund 80 Prozent das idiopathische Parkinson-Syndrom gegenüber symptomatischem und atypischem Parkinson-Syndrom. Die Angaben über die aktuell von der nicht meldepflichtigen Krankheit Betroffenen schwanken zwischen 250.000 bis 450.000 Erkrankten in Deutschland. Laut Erhebungen des Institute for Health Metrics and Evaluation, University of Washington waren 2016 weltweit 6,1 Millionen Menschen an Morbus Parkinson erkrankt.

Grundideen für Steuer- und Gefängnisreformen 

Man würde James Parkinson – von dem übrigens kein gesichertes Porträt überliefert ist – nicht gerecht, würde man sein Engagement als Sozialreformer außer Acht lassen. In seiner antiroyalistischen Haltung ging der engagierte Arzt so weit, unter dem Pseudonym „Old Hubert“ monarchiefeindliche Pamphlete zu veröffentlichen und dadurch berufliche Nachteile zu riskieren. Als Mitglied der oppositionellen Vereinigungen „Society for Constitutional Information“ setzte er sich ebenso wie in der „London Corres-ponding Society United for the Reform of Parliamentary Representation“ unter anderem für Steuer- und Gefängnisreformen ein, die Grundideen der heute in Großbritannien praktizierten Regierungsform lieferte.

Neben seiner Praxis machte sich der vielseitig interessierte Mediziner als Geologe einen Namen. Das Faible für Naturkunde teilten zu dieser Zeit zahlreiche Kollegen – aber wohl selten so tiefgehend wie Parkinson, der sich auch dieser Thematik mit Verve widmete, etwa indem er publizierte, um seine Erkenntnisse mit der Allgemeinheit zu teilen: Seine umfangreiche Mineralien- und Fossiliensammlung sowie sein Mammutwerk „Organic Remains of a Former World“ und ein paläontologisches Lehrbuch waren über die Grenzen Englands hinaus berühmt. 1807 begründete er die Geological Society of London mit und erhielt 15 Jahre später als Anerkennung seiner Leistungen die Goldmedaille des angesehenen Royal College of Surgeons of England.

Hoffnung auf Heilung

In seinem Aufsatz über die Schüttellähmung beschreibt James Parkinson die Unzulänglichkeit der Behandlungen Betroffener, kommt jedoch zu dem Schluss: „Es scheint Grund genug zu geben, zu hoffen, dass bald ein Heilungsprozess entdeckt wird, durch den zumindest das Fortschreiten der Krankheit gestoppt werden kann.“ Es sollte mehr als 150 Jahre dauern, bis die Forschung Levodopa als symptomatische Behandlung für die „Shaking Palsy“ entwickelte. Noch heute hoffen wir auf Erkenntnisse, die helfen, ein Fortschreiten des Leidens wirksam zu verzögern oder gar zu stoppen.

Der Allgemeinheit blieb James Parkinson lange kaum bekannt, wie 1912 im Bulletin of the John Hopkins Hospital vermerkt wurde: „In England geboren, in England gezeugt, von den Engländern vergessen und von der freien Welt – das ist das Schicksal von James Parkinson“. Das hat sich zwar geändert – wenn auch sein der Aufklärung gewidmetes Leben weitgehend unbekannt geblieben ist. Heute erinnert eine Plakette an seinem Geburtshaus und eine Gedenktafel in der St.-Leonard’s-Kirche an ihn, auf deren Friedhof er am 21. Dezember 1824 begraben wurde.