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Reportagen

Dr. Burrill B. Crohn: Arzt und Entdecker des Morbus Crohn

Innenansicht: Darm mit Morbus Crohn

Innenansicht: Darm mit Morbus Crohn

© Adobe Stock/Juan Gärtner

 

3D-IIlustration, die Morbus Crohn darstellt

3D-IIlustration, die Morbus Crohn darstellt

© Adobe Stock/Lars Neumann

Der New Yorker Gastroenterologe war sich bei der Veröffentlichung seiner Forschungsergebnisse im Jahr 1932 sicher, dass er eine „neue Erkrankung des Darms entdeckt“ hatte. Aber die Medizin brauchte noch eine ganze Weile, ehe Morbus Crohn als Autoimmunerkrankung mit erblichen Anteilen verstanden wurde.

Bettina Rubow (Text)

Die chronisch entzündliche Darmerkrankung, die Burrill Bernard Crohn 1932 erstmalig beschrieb, ist schon vor seiner Zeit von Ärzten bemerkt worden. Es gibt eine Fallbeschreibung aus England aus der Mitte des 19. sowie weitere Fälle aus Schottland und den USA aus dem frühen 20. Jahrhundert, die sich perfekt ins Krankheitsbild des Morbus Crohn (MC) fügen, aber damals noch vielfach mit Tuberkulose in Verbindung gebracht wurden. 

Auf der Jahrestagung der „American Medical Association“ im Mai 1932 schließlich trat die „Regional Ileitis“, wenig später nach ihrem Entdecker Morbus Crohn genannt, als klar definierbare entzündliche Erkrankung des letzten Dünndarmabschnitts auf den Plan. Die 14 klinischen Fälle, die Dr. Crohn und Kollegen vorlegten, bestätigten die im Labor getroffene Diagnose einer intestinalen Störung, an der schon damals überwiegend junge Erwachsene erkrankten. Die zweite immunologische Störung des Darms, die meist den Dickdarm befällt, die Colitis ulcerosa, war da schon bekannt.

Der Gastroenterologe Burrill B. Crohn, zu der Zeit bereits ein erfahrener Arzt und Forscher, beschrieb sehr genau die pathologischen Veränderungen in der Darmwand zwischen Dünn- und Dickdarm, darunter die teilweise großflächigen Entzündungen, eine Häufung von Granulozyten, die Fistelbildung und das nekrotisch vernarbte Gewebe. Auch dass der Entzündungsprozess die Darmwand durchbricht, war ihm bereits klar. 

Diese Beobachtungen konnte er machen, weil an seiner Klinik, dem berühmten Mt. Sinai Hospital in Manhattan, viele Patienten mit Störungen des Verdauungsapparates behandelt und vor allem, weil sie dort operiert wurden. Seine Proben stammten von den OPs, die sein hochbegabter Mitarbeiter, der Chirurg A. A. Berg, vornahm. 

Neben der Arbeit im Labor war Crohn, seit 1920 Chef der neu geschaffenen Gastroenterologie am Mt. Sinai, der Symptomatik auf der Spur und notierte Durchfall und abdominelle Schmerzen, Gewichtsverlust und Auszehrung, aber auch Fieber und Anämie. Zusammenhänge mit dem Blutkreislauf bzw. Gefäßschädigungen durch MC wurden aber erst in den 1990er Jahren deutlich, ebenso, dass die Krankheit im Prinzip alle Abschnitte des Verdauungstraktes befallen kann (das aber selten tut). 

Wie kam Burrill B. Crohn überhaupt an das berühmteste Krankenhaus der Vereinigten Staaten? Als eines von elf Kindern eines jüdischen Einwanderers in New York war er nicht auf Rosen gebettet, schaffte es aber dennoch auf die Columbia University und bekam nach einem strengen Auswahlverfahren eine Stelle als Assistenzarzt am Mt. Sinai Hospital. An diesem vorzüglichen Spital am Central Park war die Enddarmspiegelung (Sigmoidoskopie) ein eingeführtes Verfahren, hinzu kam, dass dort, wie in der übrigen westlichen Welt, die Fälle chronisch entzündlicher Darmerkrankungen beständig zunahmen. Allerdings existierte zu Crohns Assistenzzeit noch keine Gastroenterologie, sondern das Fach wurde in den USA den Chirurgen überlassen. Ihre Arbeit kam Crohn aber im Labor zugute, und 1925 konnte er den Zusammenhang zwischen Colitis ulcerosa und Darmkrebs anhand eines Falles beweisen. Das war, neben der Entdeckung der Ileitis regionalis (MC), seine größte wissenschaftliche Leistung.

Arbeit vor das Privaleben gestellt

Crohn, der sich früh für eine eigene Praxis entschied, aber immer mit Mt. Sinai in Verbindung blieb, verfügte über drei zentrale Voraussetzungen für  eine Medizinerkarriere: Er fühlte sich mit seinen Patienten verbunden, die er noch nach Dienstschluss zu Hause aufsuchte, er liebte die Arbeit im Labor, und er war bereit, für seinen ärztlichen Dienst und die Forschung auf ein Privatleben zu verzichten. Seine erste Ehe, aus der zwei Kinder hervorgingen, zerbrach daran. 

Bezeichnend ist sein Selbstversuch mit einem Gummikatheter, den er jeden Abend schluckte, um am nächsten Morgen „Pankreassekrete und Galle aus [dem] Zwölffingerdarm abzusaugen“. Diese unangenehme Prozedur konnte und wollte er seinen Patienten nicht zumuten. Seine Pankreas-Periode, wie er sie selbst bezeichnete, umfasste ein ganzes Jahrzehnt (1913 bis 1923). Sein aktives Leben in Klinik und Forschung hat Crohn in seinen Lebenserinnerungen („Notes on the Evolution of a Medical Specialist“, 1907-1965) beschrieben.

In den 1950er Jahren war er der bekannteste Gastroenterologe der USA und wurde 1956 zu Präsident Eisenhower gerufen. Seine Praxis in der Park Avenue war den New Yorkern ein Begriff und sein Arztkoffer, in dem immer eine Lektüre steckte, stadtbekannt. Er las nicht nur Fachliteratur, sondern auch Romane von Edith Wharton und Henry James. 

Erst nach 1945 lernte er seine zweite Frau kennen. Sie begegnete ihm auf seiner Suche nach einem Rückzugs-domizil in Connecticut. Mit ihr teilte er sein Leben … was ihn aber nicht daran hinderte, noch bis ins zehnte Lebensjahrzehnt zu praktizieren. Er verstarb 99-jährig und noch vor seiner Frau auf ihrem gemeinsamen Anwesen in New Milford.