Das Paradies in sich und im Garten

Der Riese im Garten ANIMA sprüht kühlenden Wasserdampf.
© Albina Bauer

André Heller auf seiner „Arche“
© Stefan Liewehr

ANIMA ist ein Zwischenspiel aus Kunstwerken und Pflanzen - wie dieser Kakteengarten.
© Kurt-Michael Westermann

Hinter dem Tor beginnt André Hellers Vision des Gartens.
© Stefan Liewehr

Fantasievolle Erlebniswelten von André Heller
© Albina Bauer
André Heller hat in Marrakesch ein exotisches Gartenprojekt verwirklicht. Expertin Daniela David führte mit dem österreichischen Universalkünstler ein Interview für das „ärztliche journal“.
Daniela David (Text)
Tue es nicht!“, hatten seine Freunde ihn gewarnt. Doch André Heller (72) konnte nicht anders. Er musste einen neuen Garten anlegen. In Marokko. Am Fuße des Hohen Atlas, fast in der Wüste. Am Rande von Marrakesch schuf der österreichische Schriftsteller, Sänger und Multimedia-Künstler aus Wien in fünfjähriger Arbeit einen märchenhaften Weltgarten: „ANIMA – die Rückkehr des Paradieses“.
Das Gartenkunstwerk ist sein botanisches Lebenswerk. Obwohl erst 2016 eröffnet, wirkt der Garten nicht neu, sondern vollkommen eingewachsen. Exotische Pflanzen umranken da Kunstwerke. Auf verschlungenen Wegen tasten sich die Besucher durch poetische Gartenräume, von einer Pflanzen-Kunst-Installation zur nächsten dschungel-dichten Fantasie, die Augen, Ohren und Nase einnimmt.
André Heller will mit Gartenszenen Geschichten erzählen. Und längst plant der Illusionskünstler, der überwiegend in Marokko wohnt, sein Gartenreich zu erweitern. Ein Labyrinth ist angedacht, in Herzform.
ärztliches journal: Herr Heller, haben Sie sich mit ANIMA Ihren lang gehegten Traum vom Süden erfüllt?
André Heller: Dieser Garten ist eine Art von Selbstportrait, von all dem, was ich in 72 Jahren gelernt habe. Was ich über Licht weiß, über Farbe, Düfte, über Botanik, über Spiele des Windes ... Alles, was ich je in mich aufgenommen habe, ist hier eingeflossen.
äj: Sie hatten am Gardasee bereits einen fantasievollen Garten, den haben Sie aufgegeben …
AH: Den Garten hatte ich zwar erweitert und verändert, aber nicht wirklich selbst gemacht. Es ist energetisch ein großer Unterschied, ob man etwas in die Welt gebracht hat oder ob man ein Adoptivkind angenommen hat, das man auch liebt. Bei ANIMA habe ich jeden Millimeter des Geburtsvorganges miterlebt.
An der Stelle, an der heute der Garten ist, gab es zuvor nichts. Wir haben in aufwendigster Logistik alte Bäume und Kakteen durch das Land transportiert. Auch Palmen. Es hat noch kein Mensch in Marokko jemals so große Palmen umgesetzt. Wenn Sie aus sterbenden Oasen große Palmen holen und quer durch Marokko fahren, dann kommen Sie an geschätzten 250 Stellen vorbei, wo Sie nicht um die Straßenkurve kommen. Da muss man dann die Oberleitungen abmontieren oder quer über die Felder fahren.
äj: Bei so einer verrückten Gartenidee fällt mir der berühmte Fürst Pückler ein, der nach England fuhr und dort lernte, große Bäume zu versetzen ...
AH: Aber der hatte andere Mittel als ich. Für seine Gartenprojekte hat er sich ruiniert. Nicht künstlerisch, das war großartig, sondern finanziell.
Ich musste mit dem, was ich in meinem Leben verdient habe, auskommen. Und da ich nach meinem Selbstverständnis ein völlig verarmter Renaissance-Prinz bin, habe ich nicht die Mittel eines Königshauses.
äj: Afrika hat bei Ihnen schon immer eine Rolle gespielt. Aber warum haben Sie den Garten genau an diesem Ort in Marokko angelegt?
AH: Bereits 1972 hatte ich damit begonnen, mir Marokko zu erreisen, zu erlaufen, zu ersitzen, zu erschauen. Aber erst 2005 habe ich mich für das ANIMA-Projekt entschieden.
Es musste erst reifen in mir, weil ich mehr wissen musste und weil ich mir erst ein Gefühl für die Natur erwecken musste, welches ich in den 1970er Jahren gar nicht gehabt hätte. Da war ich ungeduldig, viel zu dickköpfig, viel zu sehr auch von Hybris besetzt.
Einen Garten zu machen, ist eine Demutsübung. Weil der Garten zu dir sagt: „Lass mich in Ruhe! Ich nimm mir die Zeit, die ich brauche. Und Du, schau, dass der Boden gut ist und es genügend Wasser gibt!“
äj: Ist das die berühmte Altersfrage, dass man für die Weisheit des Gartens eine gewisse Reife haben muss?
AH: Ich weiß es nicht. Es gibt Leute, die sind sehr viel früher gescheit als ich. Ich bin ein Spätzünder auf manchen Sektoren. Und ich musste eben mal 15 Jahre lang meine Eitelkeiten befriedigen. Und dann musste ich lernen, aus mir einen Menschen zu machen. Das ist eine schwierige Übung.
äj: ANIMA, das ist die Seele?
AH: Ja, die weibliche Seele.
äj: Ist das Ihre Seele?
AH: Ja, auch das Weibliche in uns.
äj: Steckt das überall im Garten?
AH: Es gibt nichts, was in ANIMA unsorgfältig geschehen ist. Der Garten ist nur sehr groß. Es sind über acht Hektar. Und wenn ich jedem Zentimeter dieselbe Sorgfalt schulde, muss ich mir Zeit lassen, bis ich alles schaffe. Aber jetzt bin ich schon sehr weit. Jetzt habe ich ihn schon sehr lieb. Sehr, sehr lieb.
Bis auf meinen Sohn und meine Frau haben anfangs alle gesagt: Tue es nicht! Du kannst doch nicht deine Altersversorgung da reinschmeißen. Was machst Du, wenn Du krank wirst? Italien ist doch schon so schön. Bist Du wahnsinnig?! Aber ich wusste, ich schulde mir das. Und ich schulde das dem Land. Und dann habe ich es unter wütendem Geheul meiner Freunde begonnen. Und jetzt hat es die tollste Verzinsung, die je irgendetwas haben kann in der Welt, nämlich: Schönheit, Duft, Heilung, Sinnlichkeit. Etwas Tolleres gibt es doch gar nicht!
äj: „ANIMA – die Rückkehr des Paradieses“ heißt Ihr Garten. Was muss der Mensch tun, um ins Paradies zu kommen?
AH: Zunächst einmal muss er das Paradies in sich finden. Es ist der Ort, wo das Mitgefühl, wo das Wissen ist. Eben die Seele. Du hast ein Paradies in Dir.
Aber wir leben ja immer im Geist und nicht im Gefühl. Und wir sind ja so stolz darauf, so rational zu sein. Immer auf Kurs bleiben mit den Gedanken. Aber die Gedanken sind das Mächtigste, was es gibt. Sie schaffen eine Wirklichkeit. Daher ist mein Weg, an manchen Tagen mein läppischer Versuch, ein Bewusstsein zu erlangen, dass ich mir Gedanken schaffen kann, die mich erfreuen und die nicht eine Bestrafung sind oder mir Minderwertigkeitskomplexe machen.
äj: Und in einem Garten fällt Ihnen das leichter?
AH: Der Garten ist ein Meditationsraum, ein Besinnungsangebot, in dem man sich und der Welt auf den Grund gehen kann. Ein Garten ist eine sehr effiziente Lebenshilfe. Selbst der kleinste Schrebergarten in Berlin kann unendlich viel. Wir unterschätzen die Natur so, weil sie größtenteils gratis ist.
Doch ich merke, wie sich Menschen in meinem ANIMA-Garten Kraft holen. Warum ist Garten nicht ein viel größeres Thema? Nicht meinetwegen, denn was ich mir als Kind erträumt hatte, habe ich längst übertroffen. Aber es wäre so wichtig. Deshalb lassen wir auch alle marokkanischen Kinder umsonst herein. Die bekommen so etwas nirgendwo zu sehen.
Und wenn man auch nur ein paar Tage im Jahr in so einem Garten mit hoher Energie verbracht hat, dann versteht man etwas. Dann entwickelt man vielleicht eine Sehnsucht für so etwas. Und kaum hat man die Sehnsucht, ist man in der Falle: Man will es sich beschaffen und so dem Leben nachspüren.
äj: Wie war das, als Sie diesen riesigen Garten anlegten. Sind Sie da an Ihre Grenzen gekommen oder noch lange nicht?
AH: Nur wenn man auf etwas fixiert ist und hartköpfig darauf besteht, gelangt man an seine Grenzen, weil einem die dann aufgezeigt werden. Das habe ich mir vollkommen abgewöhnt, zu sagen: „So will ich es!“ Damit bin ich 50 Jahre lang herumgelaufen. Aber da bin ich eben immer wieder in Schwierigkeiten gekommen und war verbittert und wütend. Anstatt dass ich einlade, eine bessere Lösung zu bekommen … Nie, was man will. Immer was wird …
äj: Wie geht es weiter mit Ihnen und den Gärten?
AH: Ich habe noch einiges vor. Ich arbeite an verschiedenen Gartenprojekten, eines davon in Südtirol. Müde bin ich nicht. Es ist etwas Gutes, das kann ich nur jedem raten, in einem Alter, in dem andere in Pension gehen, etwas ganz Schwieriges zu beginnen. Da merkt man noch: Ach, da schau her. Es gibt mich noch. Ich bin belastbar. Ich kann das.

In ANIMA hat sich eine bunte Tierwelt angesiedelt.
© Albina Bauer

Bühnenelement von Keith Haring
© Albina Bauer

Bunte Installationen fügen sich ein in botanische Inszenierungen.
© Daniela David