Freude, schöner Ludwigfunken

Das neu gestaltete Beethoven-Haus Bonn, hier Gartenansicht mit Büste von Riscutia, zeigt mehr als 200 Exponate rund um das Leben des Künstlers, …
© Sonja Werner

… darunter dessen Instrumente, …
© Sonja Werner

… Hörrohre und originale Handschriften.
© Beethoven-Haus Bonn

Im Theater an der Wien fand die Premiere von „Fidelio“ statt, Beethovens einziger Oper. Es verfügt derzeit über 1129 Sitz- und 50 Stehplätze.
© Andreas J. Hirsch/Edition Lammerhuber

Im Theater an der Wien hatte Beethoven auch eine Dienstwohnung.
© Andreas J. Hirsch/Edition Lammerhuber

La Redoute in Bad Godesberg, Teil des „Beethoven-Rundgangs“
© Beethoven Jubiläums GmbH

Die Schauräume im Beethovenhaus Baden sind auf drei Ebenen eingerichtet; hier der Raum der Begegnungen – Menschen um Beethoven.
© Beethovenhaus Baden/C. Schörg
Empfehlungen zum Beethoven-Jahr 2020, das besonders in Bonn und Wien groß gefeiert wird.
Dr. Robert Quitta (Text)
Am 17. Dezember 1770 wurde Ludwig van Beethoven in Bonn getauft. Also geht man davon aus, dass er am 16. Dezember 1770 daselbst geboren worden ist. Daher nimmt man dieses Datum sowohl in Bonn als auch in Wien zum Anlass, 2020 zum Beethovenjahr auszurufen und dem Jubilar das ganze Jahr über umfangreichste Aktivitäten zu widmen.
Es gibt zwar das durchaus plausible Gerücht, Ludwig van wäre auf dem Weg nach Bonn schon verfrüht im wunderhübschen niederländischen Städtchen Zutphen zur Welt gekommen, aber von solchen Querschüssen lässt man sich am Rhein nun wirklich nicht beeindrucken, denn so viele andere große Söhne hat man hier schließlich auch nicht abzufeiern. Außerdem bleibt unbestritten, dass Beethoven die ersten 22 Jahre seines Lebens in Bonn verbracht hat und dass seine Talente als Bratschist, Organist, Improvisator und Komponist als erstes von den Bonnern entdeckt wurden.
Das Land der Dichter und Denker will sich dieses Jubiläum was kosten lassen. Weil dieses Datum „herausragende Chancen“ für die Darstellung der „Kulturnation Deutschland im In- und Ausland“ biete. 48 Millionen Euro werden dafür von Bund, Land Nordrhein-Westfalen und der Stadt Bonn lockergemacht.
Dem Genie auf Schritt und Tritt folgen
Am besten beginnt man die Jubilar-Pilgerfahrt naturgemäß in seinem Geburtshaus, das nicht nur die größte Beethoven-Sammlung weltweit beherbergt, sondern auch im Hinblick auf 2020 von Grund auf renoviert und erweitert wurde. Dennoch weist es mit seinen knarrenden Fußböden und alten Fens-tern immer noch so etwas wie Zeitkolorit auf.
Des Weiteren gibt es den so genannten „Beethoven-Rundgang“: An 22 Stellen (elf in der Stadt, elf in der Umgebung) hat man Video-Stelen errichtet, bei denen man sich informieren kann, welche Bedeutung der betreffende Ort für das Leben des Komponisten gehabt hat. Und mit großer Spannung wird der größten Beethoven-Ausstellung aller Zeiten mit dem schönen Titel „Beethoven.Welt.Bürger.Musik“ in der Bundeskunsthalle entgegengesehen. Es ist schon erstaunlich, welchen Weitblick Ludwigs adelige Gönner bewiesen haben, als sie ihn relativ früh bereits in eine Reihe mit Haydn und Mozart stellten und daher das vielversprechende Junggenie nach Wien schickten, um seine Studien zu vervollkommnen.
In der österreichischen Haupt- und Residenzstadt bleibt unser Meister anschließend bis zum Lebensende und feiert hier seine allergrößten Erfolge. In Wien begegnet man den Spuren des „Titanen“ (wie man ihn bald nannte) buchstäblich auf Schritt und Tritt, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass „unser Freund“ insgesamt gezählte 67 Wohnungswechsel vollzog.
Die Stadt Wien setzt im Jubiläumsjahr auf ein schlankes Budget, „man wolle deutlich unter zwei Millionen Euro bleiben“, so Bürgermeister Michael Ludwig. Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler nannte als Mission, „zum Klingen zu bringen, was in der Stadt schon da ist“. Viele Institutionen würden sich sowieso mit dem Meister beschäftigen, man wolle „bündeln, verstärken und Impulse setzen, um ungewöhnliche Formate anzugehen“.
Gedenktafeln gibt‘s viele, zu besichtigen sind indes nur zwei Wohnungen: Die eine befindet sich mitten in der Stadt im so genannten Pasqualati-Haus, einem beeindruckenden strahlend weißen, vierstöckigen Gebäude auf der Mölkerbastei vis-à-vis der Universität. Innen ist die Wohnung allerdings sehr bedrückend, was an zwei Dingen liegen mag: Erstens ist die Beleuchtung fürchterlich lieblos und provisorisch, und zweitens muss man erfahren, dass diese Gedenkstätte erst 1941 mitten im Krieg gegründet wurde und zu diesem Zweck („In Beethovens Lieblingswohnung hausen Juden!“, schrieb der „Völkische Beobachter“) die jüdische Eigentümerfamilie „leider“ nach Auschwitz deportiert werden musste …
Intimes Museum in einem alten Bäckerhaus
Ganz anders verhält es sich mit der zweiten noch erhaltenen und öffentlich zugänglichen Wohnung in der Probusgasse in Heiligenstadt (sehr leicht mit der U4 zu erreichen). Sie befindet sich in einem alten Bäckerhaus, das wegen der bevorstehenden Festivitäten auf das allersorgfältigste und liebevollste renoviert wurde. Allein das Gebäude mit seinem zauberhaften Innenhof und romantischen Garten würde einen Besuch verdienen. Das hier eingerichtete Beethoven Museum ist vom Feinsten: hervorragend kuratiert, hervorragend gestaltet, horizont- und erkenntniserweiternd (man sollte sich dafür mindestens 3 Stunden Zeit nehmen).
So erfährt man, dass das Musikgenie mit auf „Louis van Beethoven“ lautenden Papieren nach Wien kam und die Werke Schillers, eine Büste des römischen Freiheitshelden Brutus (nicht identisch mit dem Caesar-Mörder) sowie ein Gemälde seines geliebten Großvaters, Ludwig van Beethoven des Älteren, mit sich führte. Man kann seine Skizzenbücher bewundern, diverse Hörrohre, lernt seine Lieblingsspeise kennen (Brotsuppe aus 12 Eiern), wird mit Nadine Gordimers These konfroniert, dass der „teutscheste aller Tonsetzer“ möglicherweise afrikanische Vorfahren gehabt haben mag („Beethoven was one-sixteenth black“), man kann die Eingangstür zu seiner Sterbewohnung betasten und sich vorstellen, wie er als „letzte Mahlzeit“ sein von ihm so geschätztes Kirschkompott zu sich nahm …
Ein weiterer Vorteil des detailreichen, aber intimen Museums: Nach der anregenden und inspirierenden Visite kann man zur Nervenberuhigung gleich im benachbarten Heurigen einkehren oder im Gasthaus „Mayer am Pfarrplatz“, einem der ältesten Gasthäuser Wiens.
Naturfreunden empfehlen sich Spaziergänge in der näheren Umgebung – auf jenen bis heute fast unveränderten Pfaden, die den Meister oft zu Werken (u.a. der „Pastorale“) inspiriert haben sollen.
Huldigungen allerorten
Äußerst aufschlussreich ist es auch, jene Spielstätten, in denen Beethoven (meistens eigenhändig) seine bedeutendsten Werke zur Uraufführung brachte, aufzusuchen: den „Eroica“-Saal im Palais Lobkowitz, den Festsaal der Alten Universität (heute: Akademie der Wissenschaften), den Landhaussaal des Palais Niederösterreich, den Großen Redoutensaal in der Wiener Hofburg etc. Das Orchester Wiener Akademie unter der Leitung von Martin Haselböck hat an diesen „Originalschauplätzen“ alle daselbst uraufgeführten Werke auf CD aufgenommen und in einer Box namens „RESOUND Beethoven“ auf den Markt gebracht: eine Box, die unser Klang-Bild von Beethoven für immer verändern wird …
Wenn man von Originalschauplätzen spricht, darf natürlich das Theater an der Wien nicht fehlen. Hier hatte der meistgespielte Komponist der Welt nicht nur eine Dienstwohnung, hier fand auch die Premiere seiner einzigen Oper „Fidelio“ statt. Sie wird im Beethoven-Jahr natürlich auch wieder dort auf dem Programm stehen – inszeniert von niemand Geringerem als dem österreichischen „Oscar“-Preisträger Christoph Waltz (die Wiener Staatsoper hingegen führt eine frühere Fassung des Werks „Leonore“ auf).
Die klassischen Wiener Konzertsäle wie Musikverein und Konzerthaus werden sich dem Schaffen des als Inbegriff des Komponisten schlechthin geltenden Jubilars klarerweise noch intensiver annehmen als schon in „normalen“ Jahren. Aber auch nicht-musikalische Institutionen wie die Österreichische Nationalbibliothek, das Kunsthistorische Museum oder das Leopoldmuseum werden mit Sonderausstellungen zum Ludwig-van-Fieber beitragen. Der wahre Van-Fan wird sich 2020 nicht langweilen. Am besten nimmt er sich ein Sabbatical, steigt im Hotel „Beethoven“ (vis-à-vis dem Theater an der Wien) ab, geht ins nahegelegene Restaurant „Ludwig van“ essen und hört sich in seinem Hotelzimmer die drei jetzt erschienenen Megaboxen mit dem Beethovenschen Gesamtwerk an – oder zumindest eine: die bei der „Deutschen Grammophon“ herausgekommene allervollständigste der allervollständigsten mit 118 CDs (und ein paar DVDs und Blue-Rays) sowie großartig gestalteten, ultimativen Begleitheften und Begleitbüchern.
In diesem Sinne: Alles Gute zum Geburtstag Ludwig, Louis, Titan, Genie, Mythos, Brotsuppen-Liebhaber, Kirschenkompott-Genießer … Prost!

In der Ausstellung „Beethoven.Welt.Bürger.Musik“ in der Bundeskunsthalle in Bonn zu sehen: Joseph Karl Stieler, Beethoven mit dem Manuskript der Missa solemnis, 1820
© Beethoven-Haus Bonn

Abschrift einer Partitur Beethovens
© Sonja Werner

BTHVN-Stele beim „Wirtshaus Zehrgarten“
© Beethoven Jubiläums GmbH