Mit allen Sinnen

Das Landschloss Chatsworth House liegt etwa fünf Kilometer nordöstlich von Bakewell in Derbyshire.
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„Stables“, Café in Tatton Park
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Die Gärten von Arley Hall gehören mit ihren unterschiedlichen Gartenräumen, der üppigen Bepflanzung und dem wunderbaren, ländlichen Ambiente zu den schönsten in Europa. Picknicken im Park ist ausdrücklich erlaubt.
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Beliebt bei Wanderern: der Peak District National Park. Großbritanniens erster Nationalpark ist von Derby, Manchester und Sheffield aus leicht zu erreichen. Der riesige Park umfasst die mit Heidekraut bedeckten Gipfel des Dark Peak und die südlich gelegenen Kalkberge des White Peak
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Scones mit Marmelade und Schlagsahne sind unverzichtbar beim High Tea.
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Der Klassiker Fish and Chips – fein angerichtet
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Auch abseits von Südenglands Pilcher-Cornwall lohnen traumhaft schöne Gärten, Parks und heimische Köstlichkeiten einen Besuch. Zum Beispiel im Norden, nahe Manchester entlang der Gourmet Garden Trails: Sie lotsen auf weniger ausgetretenen Reisewegen durch die Grafschaften Cheshire und Derbyshire
Marion Vorbeck (Bilder und Text)
Nur 15 Kilometer vom einstigen Industrie-Moloch Manchester entfernt wähnt man sich in einem Film mit grandioser Natur als Hauptdarsteller. Gleich beim Städtchen Knutsford beginnt das Gelände von Tatton Park. Durch sanfte Hügellandschaft, dekorativ betupft mit Schafen und Hirschen, geht es zu den weitläufigen Parkanlagen des Herrenhauses.
Immer wieder auf der Reise scheint es, als ob diese geradezu unwirklich schönen Kulissen eigens für Besucher vorgeschoben wurden, um extrastark zu beeindrucken: pittoreske Landstriche von sanft bis dramatisch, sattgrüne Parks und Gärten mit einer Vielzahl von Gewächsen, umschwärmt von Bienen, Hummeln, Schmetterlingen und Vögeln, kleine Ortschaften, gesäumt von geduckten Brownstone-Häusern.
Formeller Terrassengarten und Heckenlabyrinth
„Tatton Park beeindruckt durch Gartenareale wie den formellen italienischen Terrassen-Garten, den duftenden Rosengarten, ein Heckenlabyrinth und Teichlandschaften oder Bauern- und Obstgärten. Der japanische Garten wurde 1910, als die Asien-Mode in Europa Einzug hielt, auf einer Anhöhe in Form des Berges Fuji angelegt. Jede Menge Fotomotive bieten Details wie ein Shinto-Schrein und steinerne Figuren, kleine Pagoden und Brücken überm plätschernden Bach, der Lichteinfall zeichnet durchs Blätterwerk immer neue Stimmungen. Kaum zu glauben, dass nur neun Gärtner diese 50 Hektar große Anlage in Schuss halten, immerhin – typisch englische Begeisterung fürs Gärtnern – helfen an die 50 Freiwillige mit.
Schwelgen mit Gartenblick
Wieder schiebt sich so ein Kulissenmoment vor im üppig bepflanzten Innenhof des Tatton-Cafés: Das verwinkelte Brownstonegebäude diente einst der Chefgärtner-Familie als Unterkunft. Wer drinnen in einem der ehemaligen Wohnräume einen Fensterplatz erobert, genießt seinen Afternoon-Tea mit Blick auf den Orchideengarten.
Wobei der Tee selbst eher dezenter Begleiter ist zum Genuss üppig beladener Etageren. Hier arbeitet man sich von unten (pikant) nach oben (sehr süß) vor: Gurken- und Räucherlachs-Sandwiches, feine Patisserien, Pralinés und Scones – das Nationalgebäck der Engländer. Auf die kleinen Hefekuchen werden sahnelastige Clotted Cream sowie Marmelade aufgetragen. Spätestens beim ersten Biss durch den mürben Teig, zuckrige Fruchtmasse und weiche Creme schmelzen etwaige Vorsätze dahin, die England-Tour zurückhaltend anzugehen.
Chester-Käse und Banana-Toffee
Angemessene Nachtruhe bietet das ans Parkgelände anschließende Hotel „The Mere“ mit 18-Loch-Golfplatz und exklusivem Spa im Extrabau – wo man auch nachts oder frühmorgens schwimmen gehen oder saunieren kann. Was man tagsüber beim Rundgang über die Tatton-Farm gelernt hat über Anbau und Zubereitung lokaler Produkte, wird hier im Restaurant „Browns“ zelebriert.
Im Städtchen Knutsford selbst geht es urban-unprätentiös zu; gemütliche kleine Pubs und Gasthäuser bieten hier traditionelle bis innovative Küche. Anbieter heimischer Köstlichkeiten in den geduckten historischen Häusern laden zum Probieren und Einkaufen ein, etwa den berühmten samtigen Cheshire-Käse oder Eiskreationen wie Strawberry Ripple oder Banana Toffee. Toffee, eine feste Karamellmasse, dient in England häufig als Basis süßer Kreationen, das weiche Fudge dagegen lässt man sich vom Block in Varianten wie Pfefferminze, Himbeere oder Schokolade abschneiden.
Gartenfestivals – Die große Passion der Engländer
Für Gartenfreunde, die im Bezirk Chestershire unterwegs sind, ist Arley Hall and Gardens im Dörfchen Arley ein weiterer Höhepunkt. Wie in vielen Parks findet hier im Frühsommer ein Gartenfestival statt, werden Pflanzen verkauft oder neue Züchtungen gezeigt. Chefgärtner Gordon Baillie erklärt während seiner Führungen die Philosophie des Gartens: Alle Pflanzen werden möglichst natürlich belassen, jede einzelne als Individuum geschätzt, das zum Erblühen des großen Ganzen beiträgt. Anlässlich der jährlichen Blumenschau dürfen Besucher durchs prächtige denkmalgeschützte Herrenhaus flanieren und treffen dort sogar auf Lord und Lady Ashbrook höchstpersönlich. Übrigens ist Gartenchef Baillie versiert im Umgang mit der englischen Prominenz: Früher kümmerte er sich um das Grün des Anwesens von Sänger Sting.
Bond. Gin-Bond.
Genuss der hochprozentigen Art verspricht ein Ausflug zu einem jungen Gin-Brenner aufs Land durch mit Schafen betupfte dramatisch-hügelige Landschaft an den Westrand des Peak District National Park. Was Karl Bond hier abfüllt, wird in First Class Lounges, Hipster-Bars und Feinkostläden bis in Japan und China ausgeschenkt. Seine „Forest Gin Distillery“ hat er in einer Scheune aus dem 17. Jahrhundert eingerichtet. Für bis zu 400 Flaschen Gin pro Woche schöpft der Brenner aus hauseigener Quelle; besonders begehrt ist der „Earl Grey Gin“, den er auf getrockneter Zitrone und Hibiskusblättern serviert. Und während Bond von der Tradition des Gin in England erzählt, erfreuen die Kostenden an den Aromen von Farnen, Pinien, Koriander, Himbeeren, Zitronen, Zimt und dem Oolong-Tee. Gerne ergänzt der Gin-Brenner seine Tastings mit einem Spaziergang durch den Macclesfield Forest, wo er viele Zutaten eigenhändig pflückt.
Lokale Köstlichkeiten
Eine Alkohol neutralisierende, wohlschmeckende Kalorienbombe verspricht die „Bakewell Pudding Experience“ im gleichnamigen Städtchen. Das Erlernen herausragender Fertigkeiten dürfen sich Teilnehmer ebenso wenig erwarten wie die Offenbarung des Geheimrezeptes: Erdbeermarmelade auf den vorbereiteten Teig auftragen, eine gehaltvolle Pudding-Mischung mit Mandeln obendrauf platzieren, backen, Probieren des sehr süßen, buttrigen, marzipanigen Gebäcks, von dem Manager Steven pro Jahr fast eine halbe Million in alle Welt verschickt.
Einen kulinarischen Kontrapunkt erlebt, wer sich später zum Dinner in der Brasserie des „New Bath Hotel & Spa“ im nahen Matlock einfindet. Hier lassen sich Besucher gerne davon überzeugen, dass auch Küchenchefs fern der Kapitale London Köstliches aus so einfachen lokalen Zutaten wie Bohnen, Kürbis, Karotten oder Himbeeren kreieren können.
Hunde willkommen
Wie Englands Gärten alle Sinne betören, führt auch Chatsworth House in der angrenzenden Grafschaft Derbyshire vor. Hier kommt dem Spiel mit dem Nass eine Hauptrolle zu, ob rauschend als Wasserfall oder im Bachbett dahinplätschernd, ob wispernd aus Kaskaden fallend, angenehme Kühle verschaffend.
Mit jeder Wendung eröffnen sich dem Flaneur neue beeindruckende Ausblicke auf Cottages, Küchengarten, Teichlandschaften, findet er sich im duftenden Rosengarten wieder. Kinofans kennen das Herrenhaus bereits aus dem Historienstreifen „Die Herzogin“, für den hier Keira Knightley und Ralph Fiennes vor der Kamera standen.
Vierbeiner sind hier nicht nur geduldet, sondern ausdrücklich eingeladen. Der weitläufige Shop bietet ergänzend hundeaffine Souvenirs oder auch Shortbread, Duftkreationen und andere kitschfreie Mitbringsel. Überhaupt die Toleranz: Die tierfreundlichen Duke und Duchess von Devon-shire meckern nicht mal, wenn Mensch und Hund querfeldein über Wiesen zu den schönsten Gewächsen wandern, beim Gartenfestival in Arley Hall and Gardens dürfen sogar unbehelligt Picknicks im Grünen abgehalten werden. „Betreten verboten“-Schilder? Fehlanzeige.

Die Farm von Tatton Park verfügt über Pferde, Schafe, Geflügel, ein Wildgehege und einen Streichelzoo.
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Arley Hall ist ein Paradebeispiel für ein viktorianisches Landhaus im elisabethanischen Stil. Im Inneren können Besucher kunstvoll verzierte Decken und Eichenvertäfelungen, imposante Treppen und Kamine sowie herrliche Buntglasfenster bewundern.
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In einem Steinhaus aus dem 17. Jh. in Macclesfield Forest wird der "Forest Gin" mit Wasser aus einer eignen Quelle hergestellt.
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