Wie das duftet!

Auf ihre unverbaute Rheinpromenade sind die Eltviller besonders stolz, der Turm der Pfarrkirche St. Peter und Paul sowie die Kurfürstliche Burg prägen das Stadtbild.
© Shutterstock/marcociannarel

Blick auf die Kurfürstliche Burg, der Wehrturm misst 24 m. Dort befindet sich auch die Gutenberg-Gedenkstätte mit einer Ausstellung zum Thema der Druckkunst.
© Hessen Tourismus

Blick auf die Basilika des Klosters Eberbach, die 1803 säkularisiert wurde.
© Shutterstock/Sina Ettmer Photography

Im früheren Laienrefektorium im Kloster Eberbach sind historische Weinpressen zu bewundern.
© Shutterstock/Jearu

Auf über 250 Jahre Tradition kann sich das „Weingut Keßler“ in Martinsthal berufen.
© wiesbaden.de/Annika List
Eltville im Rheingau ist eine von 15 deutschen Städten, die das Prädikat „Rosenstadt“ tragen darf. Gärtnermeister Andreas Hilleberg pflegt seit 35 Jahren die Rosen in und um die Kurfürstliche Burg. Gern zeigt er Besuchern seine Lieblingsrosen und die besonderen Schätze seiner Heimatstadt.
Andrea Schotz (Text)
Ein olfaktorischer Overkill! Kaum durchschreitet der Besucher das Rheintor zum Burggraben in Eltville, hüllt ihn betörender Rosenduft ein. Die Lieblingsrose von Gärtnermeis-ter Andreas Hilleberg ist eine der ersten, die man sieht und riecht. Ihr Duft erinnert ein wenig an feine Zitronenmelisse, und auch sonst ist sie ziemlich exklusiv: „Die Sorte heißt ‚Yves Piaget‘, und man findet sie fast nur noch hier im Burggraben in Eltville. Sie ist nämlich leider sehr regenempfindlich,“ erklärt der 62-Jährige. Eine Rarität also, die das milde, schon fast mediterrane Klima im Rheingau zu schätzen weiß. „Dieser geniale Duft und die hübschen rosa Blätter, die so leicht gefranst sind, von dieser Rose war ich von Anfang an begeistert.“ Und das will schon was heißen, immerhin blühen rund um die Kurfürstliche Burg und am Rheinufer rund 22.000 Rosenstöcke in 350 Sorten, darunter viele Raritäten und historische Rosen.
Jede Sorte hat eine Geschichte
Eltville gehört zu den ersten Rosenstädten Deutschlands und trägt diesen Namen seit über 20 Jahren. Der Titel wird von der „Gesellschaft Deutscher Rosenfreunde e.V.“ vergeben. Als Voraussetzung muss die „Königin der Blumen“ ortsbildprägend sein. Dass dem in Eltville so ist, dafür sorgte der ehemaligen Stadtgärtnermeister Reinhard Pusch, zu dessen Ehren auch eine Rosensorte benannt ist. Sein Nachfolger Andreas Hilleberg kennt nicht nur den Namen dieser Rose, an die 500 Sorten kann er benennen. Da wäre zum Beispiel die „Duftwolke“ im höher gelegenen Amtsgarten der Burganlage, die ihren wundervollen Duft nur bei halb geöffneter Blüte abgibt. Oder die zartrosa „Souvenir de la Malmaison“, benannt nach den berühmten Gärten der Gemahlin von Napoleon, Kaiserin Joséphine. Ob „Black Forrest“, „Hessenrose“, „Miriam“ oder „Kaiserin Farah“, der Stadtgärtnermeister weiß zu jeder Sorte etwas zu erzählen.
Auch seine Profi-Tipps sind begehrt: Wenn man ihn auf seiner täglichen Runde erwischt, gibt er gern Auskunft zur Pflege. Ebenso beliebt sind seine fachkundlichen Führungen durch die Rosenanlagen. Oder man hebt sich seine Fragen für den Infostand bei den „Rosentagen“ auf, wenn sich die Stadt und ihre Lieblingsblume am ersten Juniwochenende im Jahr normalerweise ausgiebig feiert – außer in diesem Jahr, da musste auch dieses beliebte Event aus Corona-Gründen abgesagt werden.
Hollywood zu Gast im Kloster
Zum Glück scheren sich die Rosen nicht um das Virus und blühen ungeniert. Auch im wunderschönen Kloster Eberbach oberhalb von Eltville trifft man auf die Rose. Wahre Prachtexemplare betören sommers im Prälatengarten mit ihrem Duft. Ursprünglich war der Garten, der sichtbar die barocke Entwicklung zu Beginn des 18. Jahrhunderts widerspiegelt, nur dem Abt vorbehalten. Wer einen ausgedehnten Spaziergang bevorzugt, dem empfiehlt sich der rund drei Kilometer lange, ausgeschilderte Klosterrundweg.
Fast schon ein Pflichtprogramm ist es, sich auf die Spuren der Dreharbeiten zum Blockbuster „Der Name der Rose“ zu begeben. Es muss ein Spektakel gewesen sein, als 1986 die internationale Filmcrew aus Hollywood zu Gast im Kloster war. In den Innenräumen der ehemaligen Zisterzienserabtei wurden die Szenen des Mittelalter-Klosterkrimis nach dem Roman von Umberto Eco gedreht. Sean Connery alias William von Baskerville schritt in Mönchskutte durch die Basilika, an seiner Seite Christian Slater als Adson von Melk. Wo einst das Mönchsdormitorium, also der Schlafsaal der Mönche lag, ist im Film eine Bibliothek, das Skriptorium, zu sehen. In einem Videoausschnitt, der im Kloster Eberbach für Besucher abgespielt wird, sieht man Sean Connery durch eine geheimnisvolle Tür in die Bibliothek treten, es ist jene, die in Wirklichkeit von der Basilika des Klosters hinauf in den Schlafraum der Mönche führt.
Digitaler Rundgang durch Kloster Eberbach
Die Basilika, das größte Gebäude, mit ihrem romanischen Langhaus, war der spirituelle Mittelpunkt des Klosterlebens, wurde aber 1803 säkularisiert (hier findet sonst auch gewöhnlich das „Rheingauer Musikfestival“ statt). Gegründet im Jahr 1136, gilt Eberbach heute als die am besten erhaltene historische Klosteranlage Europas. Einen lohnenswerten virtuellen Rundgang bietet die „Stiftung Kloster Eberbach“ unter diesem Link an: artsandculture.google.com/exhibit/kloster-eberbach-rundgang/WgISMmN05tN_Jw.
Über 700 Jahre lang kultivierten Mönche des Klosters den Weinbau und betrieben im Mittelalter ein erfolgreiches Handelsunternehmen. Heute noch zeugen hiervon die historischen Weinpressen, die im Laienrefektorium des Klosters zu besichtigen sind. Kloster Eberbach ist übrigens Deutschlands größtes Weingut, und ein Besuch wäre nicht vollständig ohne Verkostung. Hier bietet sich besonders die Schlenderweinprobe an, die eine Reise durch die Vergangenheit und hervorragende Weine verbindet. Gemeinsam mit einem Führer schlendern die Besucher durch das Kloster, machen Halt im Hospital, Cabinetkeller, Kapitelsaal, Dormitorium, Refektorium sowie in der monumentalen Klosterkirche – und genießen bei jedem kurzen Ruhen einen anderen Wein. Ein sinnliches Erlebnis für das Auge und den Gaumen!
Weingenuss unter freiem Himmel
Eine weitere Möglichkeit etwa den berühmten Riesling der Region zu genießen, sind die hiesigen Weinprobierstände. Im wöchentlichen Wechsel schenken ortsansässige Winzer ihre feinen Tropfen aus. Das „Weinprobierstand-Hopping“ führt in alle fünf Ortsteile: In Eltville, mitten auf der Rheinpromenade, sitzt man fast mit den Füßen im Rhein. Erbach ist ein zentraler Weintreff mit Spielplatz, also geeignet für Jung und Alt. Die Hattenheimer Weinfässer sind „der“ Treffpunkt direkt am Rhein, nicht nur für Hattenheimer. Martinsthal bietet gemütliche Atmosphäre im Tal der Walluf, und Rauenthal überrascht mit Aussicht pur über das gesamte Rhein-Main-Gebiet.
Zurück am Rheinufer zu Füßen der Burg in Eltville: Für diejenigen, die unter dem wohlwollenden Blick des bronzenen Biedermeier-Pärchens die Promenade entlangflanieren, scheint ebenfalls ein bisschen die Zeit stillzustehen. Es ist auch der Lieblingsfleck von Andreas Hilleberg: „Der Rhein, das ruhige Ufer mit den Rosen zusammen, ist unschlagbar. Da sitzt man einfach gerne mal und genießt das Leben.“ Dazu ein Gläschen Wein, hier oder in der überschaubaren Altstadt – und die Welt ist wieder in Ordnung.

Bronzenes Biedermeier-Pärchen an der Rhein-Promenade
© Hessen Tourismus

Romantisch: die Fachwerk-Bauten in der hübschen Altstadt von Eltville
© Hessen Tourismus

Weiß über 500 Rosensorten zu benennen: Gärtnermeister Andreas Hilleberg
© Hessen Tourismus