Was aus anderen Zeiten übrig blieb

Das Engels-Denkmal befindet sich im Engelsgarten im Wuppertaler Stadtteil Barmen.
© Stadt Wuppertal

Das Engels-Haus (Engelsstr 10) wurde 1970 als Stadtmuseum und Museum für Friedrich Engels junior eröffnet und zeigt in zwei Räumen die Wohnkultur um 1800 sowie (nach erfolgter Renovierung) ab dem 28.11.2020 eine Ausstellung zu Leben und Werk des berühmten Wuppertalers.
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Das Museum für Frühindustrialisierung zeigt als industrie- und sozialgeschichtliches Museum die frühe Entwicklung der Industrie im Wuppertal mit ihren technik-, sozial-, wirtschafts- und mentalitätsgeschichtlichen Facetten (bis Nov. 2020 in Renovierung).
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Die Wuppertaler Schwebebahn wurde 1901 eröffnet, sie gilt als Wahrzeichen der Stadt und steht seit 1997 unter Denkmalschutz.
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„Skywalk“ im Wuppertaler Nordpark
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Das Pharmaunternehmen Bayer wurde Mitte des 19. Jhs. in Wuppertal-Elberfeld gegründet.
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Die Junior Uni ist eine außerschulische, privat finanzierte und gemeinnützige Bildungs- und Forschungseinrichtung für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene von vier Jahren bis zum Abitur.
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Blick in den Skulpturenpark „Waldfrieden“, hier Skulpturen von Tony Cragg.
© VG Bildkunst Bonn 2019, Tony Cragg, Foto: Charles Duprat/(c)

Der 21,40 m hohe Elisenturm ist der optische Mittelpunkt des Botanischen Gartens Wuppertal.
© Stadt Wuppertal/Neutert
Wuppertal ist weltberühmt für seine Schwebebahn und die Geschichte des Elefanten „Tuffi“, das Tanztheater Wuppertal Pina Bausch, als Geburtsort des „Bayer“-Konzerns sowie des Philosophen und Revolutionärs Friedrich Engels, der am 28. November 200 Jahre alt geworden wäre. Ein Blick auf eine Stadt mit vielen Kontrasten und Stätten, an denen ihr „Sohn“ Spuren hinterließ.
Tonia Sorrentino (Text)
Als Friedrich Engels, ältestes Kind eines einflussreichen Baumwollfabrikanten, das Licht der Welt erblickte, gab es Wuppertal noch nicht. Barmen, der Geburtsort des Revolutionärs, der 1848 mit Karl Marx das „Kommunistische Manifest“ erarbeitete, war seinerzeit eine eigenständige Großstadt. Erst 34 Jahre nach Engels Tod wurde aus Barmen, Elberfeld und umliegenden Städten Wuppertal.
Die 354.000-Einwohner-Stadt in Nordrhein-Westfalen gilt als größte im Bergischen Land, eine idyllische Region inmitten urbaner Metropolen wie Dortmund, Duisburg, Düsseldorf und Köln, mit grasbewachsenen Hügeln, weiten Feldern und dichten Wäldern. Vor ausgedehnten Tälern öffnen sich wunderschöne Panoramen, gesprenkelt mit Bächen und Talsperren. In Dörfchen und Weilern spiegeln etliche Gebäude den bergischen Stil wider: Fassaden, weiß mit schwarzem Gebälk oder verschiefert, dazu grüne Fensterläden.
Großbürgerliche Abstammung
Auch das Engels-Haus im Wuppertaler Stadtteil Barmen ist unverkennbar bergisch, wenngleich städtisch umrahmt. Sein imposanter spätbarocker Stil verweist auf den großbürgerlichen Stand, in den Engels hineingeboren wurde. 1775 ließ es sein Urgroßvater, Textilunternehmer Johann Caspar Engels Senior, errichten. Als eines von nur zweien seiner Art überdauerte das Engels-Haus den Zweiten Weltkrieg. Der restliche Komplex aus mehrheitlich familieneigenen Fabrik- und Wohnbauten, die rund 300 Arbeiter beherbergten, wurde zerstört.
Zu Engels’ 200. Jahrestag im November soll das 1970 eröffnete, derzeit in Renovierung befindliche Museum für die Wohnkultur im 19. Jahrhundert wieder offen stehen, nebst dahinter verortetem Museum für Frühindustrialisierung mit seinen Bandwebstühlen, Flecht- und Klöppelmaschinen. Zu dem Reminiszenz-Ensemble zählt zudem der angrenzende Engelsgarten. Das kleine Theater und die benachbarte Oper, untrennbar verknüpft mit dem renommierten Tanztheater Wuppertal Pina Bausch, bilden einen zusätzlichen kulturellen Kontext.
Wuppertal ist Jugendheimat des Wegbereiters des Kommunismus, des Journalisten, Historikers und Philosophen. Im Elternhaus beendete Engels sein erstes großes Werk „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“, schrieb zuvor „Briefe aus dem Wuppertal“, in denen er unter anderem die soziale und industrielle Entwicklung der späteren Stadt schilderte.
Im Kranz der grünen Berge
Ihr Name verweist auf ihre Lage: Die Talsohle verläuft knapp 34 Kilometer entlang der Wupper. Purpurn, wie in Engels’ Briefen beschrieben, schimmert das Wasser des Gebirgsflusses freilich nicht mehr. Längst haben die Türkischrot-Färbereien, Ursprung der charakteristischen Couleur, den Betrieb eingestellt.
Im 19. Jahrhundert jedoch zählte Wuppertal mit seiner Textilproduktion zu den führenden Industriemetropolen Deutschlands. Die Geschichte der Bleicher-, Färber-, Bandfabriken, der Webereien und Handelshäuser halten geführte Schwerpunkt-Touren lebendig. Die Bandweberei „Kafka“ etwa produziert noch immer feine Jacquard-Bänder an historischen Webstühlen.
Paradies unter der Schwebebahn
Die meisten Orte im Tal, an denen Engels verkehrte, zeigen heute ein anderes Gesicht. Der repräsentative Laurentiusplatz samt Kirche etwa war erst im Entstehen. Nicht weit entfernt, am Standort des damaligen Elberfelder Gymnasiums, das der junge Friedrich besuchte, liegen heute die stark frequentierten Shoppingstraßen der Fußgängerzone. Ein Katzensprung ist es zum Von der Heydt-Museum, das über eine der reichsten Sammlungen der Republik verfügt, unter anderem mit niederländischen Gemälden aus dem 16. und 17. Jahrhundert sowie Malereien und Grafiken des 19. Jahrhunderts: Claude Monet, Franz Marc, Pablo Picasso.
Der ehrwürdige klassizistische Sandsteinbau war einst das Elberfelder Rathaus, an der Rückseite stand das Hotel „Zweibrücker Hof“, in dem einmal Goethe gastierte und Engels erste kommunistische Versammlungen organisierte. Heute kehren Besucher auf einen exklusiven Lunch oder zum Kaffee im „Muluru“ im Erdgeschoss des Museums ein, vorbei an zwei Skulpturen des namhaften britischen Bildhauers Tony Cragg. Im Skulpturenpark in Barmen lässt der Wahl-Wuppertaler seine Kunstwerke auf einzigartige Weise mit der umliegenden Natur verschmelzen.
Grünste Großstadt Deutschland
Apropos Landschaft: Wuppertal ist Deutschlands grünste Großstadt. Die „Anmut“ des Tals und seine „nicht sehr hohen, bald sanft steigenden, bald schroffen Berge, über und über waldig“ verewigte Engels in seinen Briefen. Unzählige Orte zeugen davon: zum Beispiel der Botanische Garten mit seinen rund 4000 Pflanzenarten inmitten der Parkanlage Hardt, wo sich die Menschen bei warmen Temperaturen sonnen.
Oder im Vorwerk-Park, der mit verschlungenen Wanderwegen am Hang, Gewässern, einem riesigen Rhododendron-Bestand und spektakulären Aussichten aufwartet. Im Arboretum Burgholz wiederum wachsen auf 250 Hektar 100 Laub- und Nadelbaumarten aus aller Welt – ein weiterer landesweiter Superlativ. Bei so viel Grün empfiehlt es sich, Outdoor-Touren mit regionaltypischer Kulinarik zu verbinden.
Im Café-Restaurant „Haus-Zillertal“ zum Beispiel gibt es auf Vorbestellung die Bergische Kaffeetafel, mit stark Gebrühtem, Waffeln, Schwarzbrot und der „Dröppelminna“, einer speziellen Kaffeekanne. Beschaulich zwischen Stausee, Bergen und historischem Ortskern lässt sich diese traditionelle Zeremonie im „Landhaus Bilstein“ im abgelegenen Stadtteil Beyenburg erleben.
Tippen Tappen waren die Tönchen von Holzschuhen armer Leute
Doch zurück an die Wupper: Als sich im 19. Jahrhundert zunehmend Firmen in der Stadt niederließen und ansässige Unternehmen expandierten, tat der Einbau von Treppen in die Flusshänge Not. Der Wohnraum für die wachsende Arbeiterschaft wurde auf das teils steil ansteigende Umland ausgeweitet. Mehr als 500 Treppen zählt man heute. Deutscher Rekord.
Am bekanntesten ist das Tippen-Tappen-Tönchen, benannt nach dem Klacken der holzbesohlten Schuhe der Proletarier auf ihrem täglichen Arbeitsweg. Sich windend und unspektakulär verbindet der Stieg zwei besondere Quartiere in Elberfeld: das Luisenviertel als Altstadtquartier und den Ölberg, ein ehemaliges Arbeiterviertel, in jenen Zeiten von Öl- und Petroleumlampen erleuchtet. Heute prägt das Leben auf dem Ölberg ein multikulturelles Miteinander von Anwohnern, Gastronomen und Einzelhändlern. Die Kulisse: oftmals reich verzierte Mietshausfassaden im Stil des Historismus und der Gründerzeit als Teil eines der größten zusammenhängenden Altbaugebiete Deutschlands.

Das Briller Viertel (hier die Roonstraße) hat seinen geschlossenen Charakter bis heute bewahren können. Stilistisch umfassen die Bauten nahezu alle formalen Tendenzen, die der Historismus des ausgehenden 19. Jhs. hervorgebracht hat.
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Am 28. November 1820 in Barmen geboren, lebte Friedrich Engels seine Kindheit und Jugend im Wuppertal. Als Unternehmersohn und gleichzeitig kommunistischer Theoretiker hat er eine faszinierende Lebensgeschichte zu bieten.
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Wuppertal feiert seinen berühmten Sohn Friedrich Engels 2020 mit vielen Events. Die aktuellen Corona-Entwicklungen haben auch dem Engelsjahr einen Dämpfer versetzt: Alle Veranstaltungen mussten bis auf Weiteres abgesagt werden. Damit die Zeit nicht Engels2020-frei bleibt, haben einige Künstler ihre Formate in die digitale Welt verlegt.
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Ganz neue Aus- und Ansichten
Im liebevoll gehegten Luisenviertel ist so manche Straßenlaterne bunt umhäkelt, Treppenaufgänge zieren frische Blumen. Urige Kneipen, Szene-Bars und Lokale, von gut bürgerlich bis orientalisch, reihen sich aneinander – man sollte stets reservieren. Dazwischen schmücken Ateliers und inhabergeführte Lädchen mit so wohlklingenden Namen wie „gut & schön“ oder „Haarspalterei“ das Bild.
Und auch an anderen Stellen lässt es sich verträumt flanieren, etwa entlang prächtiger Villen im Briller Viertel oder im Zooviertel. Der dortige Tierpark ist einer der ältesten und landschaftlich schönsten hierzulande. Eine stillgelegte Eisenbahnstrecke, die Sambatrasse, führt direkt darüber und gewährt Einblicke ins Raubtiergelände. Über die andere Seite der Stadt verläuft die Nordbahntrasse. Dort halten Spaziergänger, Radler und Skater regelmäßig inne, um die Ausblicke weit über die Häuserdächer hinweg zu genießen. Letztgenannte sollte man natürlich auch mindestens einmal aus der berühmtesten Attraktion der Stadt heraus gesehen haben: der Schwebebahn, die an einem Gerüst durchs Tal ruckelt.
„Tuffis“ Geschichte zum Schluss
Spätestens mit dem Sprung des Zirkuselefanten „Tuffi“ aus einem Waggon der Einschienen-Hängebahn in die Wupper (Zirkusdirektor Franz Althoff wollte für seinen Zirkus Werbung machen, indem er die Rüsseldame in die Schwebebahn bugsierte – der war das nicht geheuer, sie durchbrach die Kabine und landete im Fluss, unverletzt!) wurde das öffentliche Verkehrsmittel 1950 weltberühmt. Und mit ihm, nach und nach, die Perspektive auf eine kontrastreiche Stadt, der genau diese ungewöhnlichen Blickwinkel zu ihrem Charme verhelfen.