Von Würstchen und Whisky

Nürnberger Altstadt mit Kaiserburg im Winter
© CTZ Nürnberg/Christine Dierenbach

Die Original Nürnberger Rostbratwürste …
© CTZ Nürnberg/Christine Dierenbach

… werden gern als „Drei im Weckla“ gegessen (3 Würste in einer Semmel).
© CTZ Nürnberg/Steffen Oliver Riese

Die „Hausbrauerei Altstadthof“ beherbergt mit der „Ayrer’s Destille“ ihre eigene Whiskybrennerei.
© CTZ Nürnberg/Hausbrauerei Altstadthof

Weinstadel, eines der bekanntesten Baudenkmäler in der nördlichen Nürnberger Altstadt, und Wasserturm
© Adobe Stock/powell83
Wie Nürnberg sich als Genuss- und Biostadt neu erfindet.
Lilo Solcher (Text)
Es muss schon was dran sein an dieser Stadt, die 1050 erstmals erwähnt wurde und seither „immer ein Zentrum war“, wie Gästeführerin Claudia Petzold betont – bis hin zu den Reichsparteitagen im Dritten Reich und den Nürnberger Prozessen nach dem Zweiten Weltkrieg. Seine Rolle in Hitlers unseligem Reich musste Nürnberg allerdings teuer bezahlen. Nach dem Krieg war die Stadt ein Trümmerhaufen, kaum ein Stein blieb auf dem anderen. Und doch gehört Nürnberg mit der Kaiserburg und der neu aufgebauten Altstadt wieder zu den beliebtesten Reisezielen in Deutschland.
Es muss also schon was dran sein an dieser Stadt, meint auch Claudia Radtke. Sie kam vor 20 Jahren nach Nürnberg, obwohl sie nie dahin wollte. Heute will sie nicht mehr weg und teilt ihre Begeisterung für die „gewitzten Nürnberger“ gerne mit Touristen. Dass sich die Stadt wieder so lebenswert präsentiert und die Kaiserburg nicht nur ein Museum, sondern sogar ein Hochzeitszimmer bekommen hat, hat auch mit Bayerns frisch gebackenem Ministerpräsidenten zu tun. Weil Markus Söder seine Heimatstadt mit Millionen fördert, wird Nürnberg schon als „Söder-City“ tituliert. Dabei hat die Stadt mit dem SPD-Mann Ulrich Maly einen der beliebtesten Stadtregenten.
Drei im Weckla
Und Nürnberg hat sich wieder eine zentrale Rolle erobert – als Messe-Standort etwa mit der „Spielwarenmesse“. Und als Genussort mit der „BrauBeviale“ oder der „The Village“ (Whisk(e)y-Messe). Und dann wäre da ja auch noch die Nürnberger Rostbratwurst, für die es einen eigenen Bratwurstschutzverband gibt. Er achtet auf die richtige Größe, Würze und das Gewicht. „Original Nürnberger Rostbratwürste sind sieben bis neun Zentimeter lang und 20 bis 25 Gramm schwer“, verrät Claudia Radtke. Sie bestehen aus Schweinefleisch, das in Schafsdärme abgefüllt wird. Die Gästeführerin weiß auch, dass die meisten dieser Schafsdärme aus dem Iran importiert werden und dass alle Bratwürste, die in einem Jahr in Nürnberg produziert werden, ausreichen würden, die Welt zu umrunden. Womöglich sind es sogar noch mehr. Allein die „HoWe Wurstwaren KG“ des FC Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß produziert jährlich vier Millionen Rostbratwürste. Verspeist werden die finger-großen Würstchen gerne als „Drei im Weckla“, also drei Würstchen in einer Semmel, zum Beispiel im „Bratwursthäusle“ in der Altstadt. Hier werden sie noch nach alter Tradition auf Buchenholz-kohle geröstet – von Vietnamesinnen. Auch da ist Nürnberg in der Gegenwart angekommen.
Doch die Würstchen lassen sich auch noch anders genießen. Im Sommer gerne als Saure Zipfel, in Essigsud eingelegt. Und dann gibt’s noch echte Feinschmecker-Rezepte mit Nürnberger Rostbratwürsten. In der Kochschule „Cookionista“ kann man sie gleich dreifach genießen: In einem Salat, in einer Art Bratwurst-Quiche und verfeinert mit Balsamico-Sauce. Da entdeckt man in den Würstchen ganz neue Geschmacksnuancen …
Wolfram Zilk von der Congress- und Tourismus-Zentrale Nürnberg, den schon die Statur als Genießer ausweist, ist begeistert von der Idee des Würstchen-Dreierleis. Auch der gebürtige Passauer Zilk wollte eigentlich nie nach Nürnberg. Inzwischen hat er es 40 Jahre hier ausgehalten und sagt: „Jetzt bringt mich hier niemand weg.“
Es muss also schon was dran sein an dieser Stadt, die auch die Jugend anzieht. Des abends steppt der Bär unter der Burg am Tiergärtnertorplatz nahe dem Dürer-Haus. Dicht an dicht sitzen meist junge Leute auf dem Pflaster, trinken, essen, reden und feiern. Touristen mischen sich unter Studierende, Einheimische treffen auf Fremde. Die Jugendherberge im Schloss, wohl eine der schönsten der Welt, ist nahe.
Whisky made in Nürnberg
Einen Katzensprung entfernt ist die „Hausbrauerei Altstadthof“, „die erste Brauerei, die nach dem Zweiten Weltkrieg wieder öffnete“, so Wolfram Zilk, „und eine der ersten, die nach ökologischen Grundsätzen braut“. Diplom-Braumeister Reinhard Engel hat 1997 das Rotbier wiederentdeckt, das als klassisches Stadtbier bis 1905 hier gebraut wurde und über 600 Jahre lang die beliebteste Biersorte in Nürnberg war. Kein Wunder, dass das Spezialbier viele Nachahmer fand. Heute produziert die innovative „Hausbrauerei“ zehn bis zwölf verschiedene Biersorten, darunter auch den „Winterwärmer“, einen Gewürztrunk, wobei das Malz von regionalen Biobauern kommt. Schließlich hatte der gebürtige Oberpfälzer Engel seine erste Stelle bei der ökologisch orientierten Neumarkter „Lammsbräu“.
Malz ist auch die Grundlage für das Kultgetränk der Schotten und der Iren, ihr „Lebenswasser“, den Whisky. Warum also nicht Whisky brennen, dachte sich Reinhard Engel 2003. Es dauerte, bis sich der Erfolg seiner Organic Single Malt Whiskys aus der hauseigenen „Ayrer’s Destille“ einstellte. Doch mittlerweile lehrt Engel die Iren und Schotten das Fürchten. Zusammen mit Sohn Maximilian hat er den „stärksten Single Malt der Welt“ kreiert, den 74-prozentigen „Ayrer’s Mastercut“. Bereits 2015 wurde der Bio-Whisky „Ayrer’s PX 56“ auf der „InterWhisky“ in Frankfurt als bester deutscher Whisky ausgezeichnet. Und: Der Altstadthof hieß bis 1568 Ayrershof. Der Whisky trägt somit den alten Namen in die Zukunft.
Bunte Vielfalt
Es muss also schon was dran sein an Nürnberg, dass es so kreative Menschen anzieht. Die Stadt tut auch einiges für ihr Image und sieht sich gar als „BioMetropole“. Sie ist Mitglied des Netzwerks „BioStädte“ mit derzeit 13 Städten, das regionale Erzeuger und Bio-Produkte fördern will. „Wir verstehen uns nicht als nationalistisch abgesteckten Bereich, sondern als europäisches Netzwerk,“ betont Dr. Peter Pluschke vom Geschäftsbereich Umweltreferat im Nürnberger Stadtrat. Man wolle weg vom „vergrämten Öko-Image und hin zu einer bunten Vielfalt“. Dazu gehöre auch der Falafel-Verkäufer aus Syrien oder eben die Küchenhilfe aus Vietnam. „Da passiert auch innerhalb der Gesellschaft etwas,“ konstatiert Pluschke zufrieden. Womöglich liegt es an dieser Offenheit Nürnbergs, dass die Stadt so sympathisch wirkt.

Der „Ayrer’s Organic Single Malt Whisky“ wird mit rotem Spezialmalz hergestellt, das auch für die Bierspezialität Nürnberger Rotbier verwendet wird. Je nach Finishing, Lagerzeit und Jahrgang entstehen sehr differenzierte Whiskyspezialitäten.
© CTZ Nürnberg/Hausbrauerei Altstadthof

Nürnberger Christkindlesmarkt von oben
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Original Nürnberger Lebkuchen
© CTZ Nürnberg/Christine Dierenbach