Mit dem Käfer durch das Voralpenland

Blick auf Berchtesgaden mit Stifts- und Pfarrkirche, dahinter das Watzmannmassiv
© Nostalgic

VW-Käfer-Innenraum mit original Autoradio
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Gelber Käfer vorm Nymphenburger Schloss in München
© Nostalgic
Nostalgiefans können jetzt mit einem VW Cabriolet, Baujahr 1979, Oberbayern entdecken.
Dirk Engelhardt (Text)
Welche Farben! Wer die heutigen Autolackierungen von der Skala Schwarz, Dunkelgrau, Hellgrau bis zum Weiß satt hat, kommt beim Anblick der „VW Käfer“-Flotte in dem Parkhaus in München ins Schwelgen. Leuchtend und bunt! Brasilbraun, Diamantsilber, Kolibrigrün, Riviera-blau, Indianarot, Platin und Perlmetallic taufte der Hersteller diese Knallfarben damals. Und sämtlich Originallackierungen! Ist es in den 1970er Jahren tatsächlich so bunt auf deutschen Straßen zugegangen?
Der Münchener Gert Pichler und sein Kompagnon Walter Laimer haben die Käfer in den USA zugekauft und bieten mit ihrer Agentur „Nostalgic“ Rundfahrten durch Oberbayern an.
Ein Herz für Oldtimer
Natürlich ist Pichler ein Käfer-Experte und kennt deren Geschichte: „Schon 1945 gab es erste Gespräche mit der Firma ‚Hebmüller‘ in Wülfrath über den Bau eines Cabrios, später auch mit ‚Karmann‘ in Osnabrück. Bis 1980 baute ‚Karmann‘ die Oben-Ohne-Käfer. Der Neupreis lag 1955 bereits bei 6525 DM, und damit wesentlich über dem ‚normalen‘ Käfer.“ Historisch gesehen gibt es eine Verbindung zwischen Bayern und dem Käfer, weiß Pichler: „Ferdinand Porsche und seine Mitarbeiter fuhren viele Tausend Testkilometer mit dem Käfer von Stuttgart aus. Dabei ging es von Stutt-gart aus meist in Richtung Süden, nach Bayern, durch das Voralpenland, durch Südtirol und die Schweiz“.
Mein Exemplar, ein VW Käfer Cabriolet 1303, ist Baujahr 1979 und wurde als einer der letzten Käfer Cabriolets bei der Firma „Karmann“ in Osnabrück gebaut. Gert Pichler kauft seine Käfer gerne in den USA, und das hat seinen Grund: „Wir kaufen unsere Cabriolets in den USA, weil wir dort noch unres-taurierte Exemplare teilweise im Erstlack, vor allem aber mit geringen Kilometerständen, finden.“ Pichler kennt die „Biografien“ seiner Käfer ganz genau. „Mein“ Käfer wurde 1979 von einem Zahnarztehepaar aus Ohio erworben, der Familie Brocklehurst. Die Familie nutzte den Wagen für mehr als 25 Jahre, allerdings nur als Sommerauto und Drittfahrzeug. So zeigte der Tacho nach dieser Zeit nur rund 20.000 Meilen an, als Douglas Hostermann aus Ohio es erwarb. Er schenkte es seiner Frau Debbie zum 40. Geburtstag und brachte das gute Stück nach Naples, Florida. Dort erwarb Pichler das gute Stück mit rund 40.000 Meilen auf dem Tacho. Nach Umrüstung der Licht-anlage und Vollinspektion wurde das so genannte „H“-Kennzeichen erteilt, das Oldtimer erhalten, die älter als 30 Jahre sind.
Innen erwartet mich der Geruch, den ich auch mit den Käfer-Fahrten mit meinem Großvater in den 1970er Jahren verband: eine Mischung aus muffiger Tiefgaragenluft und erwärmtem Gummi, die leicht Übelkeitsgefühle erzeugen kann. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Heizung die Warmluft direkt aus dem Motor zieht, was bei heutigen Fahrzeugen wegen der Giftigkeit nicht mehr der Fall ist. Die Gurte sind, wie ich bald merken werde, nachgerüstet – im Jahr 1979 konnte man noch frei sitzend fahren und dabei rauchen. Das Autoradio ist ebenfalls noch im Original vorhanden, und mit viel Kurbeln erwischt man einen Sender. Die Musikkassette hat es gerade zerlegt – Bandfraß war eines der Übel der Autoradios dieser Zeit …
Heiliges und Hochprozentiges
Der Wagen springt an wie eine eins, und die Sicht durch die großen und hohen Fenster ist 1a. Nur Lenkung und Bremse sind etwas bräsig, um nicht zu sagen behäbig. Im flinken Münchener Stadtverkehr heißt es also aufpassen. Auf der Autobahn Richtung Süden schnurrt der Motor dann aber wie geölt, Tempo 100 im vierten Gang ist kein Problem. In der Mittagspause parkt das hellblaue Schmuckstück vor dem malerischen Klos-ter Benediktbeuern; zur Freude der Besucher, die aufgeregt mit ihren Smartphones fotografieren. In der Klosterschänke gibt es bayerische Schmankerl zum Sattwerden und ein alkoholfreies Bier. Hochprozentiger wird es beim zweiten kulturellen Stopp, der Whiskybrennerei „Slyrs“ am Schliersee. Auf den ersten Blick wirkt eine Whiskybrennerei mitten in den bayerischen Bergen so passend wie eine Milchbar auf dem Oktoberfest, doch das Endprodukt überzeugt. Der Legende nach fand Florian Stetter, der die Brennerei 1994 gründete, dass die schottischen Highlands der oberbayerischen Landschaft mit den Tannenwäldern, Bergen, klaren Seen und rauschenden Flüssen sehr ähnlich sähe. Außerdem, vielleicht noch wichtiger, besäßen Bayern ebenso wie die Schotten einen Hang zur Freistaaterei. Und unter dem Kilt sind genau wie bei der Lederhose nackte Waden zu sehen. Warum also immer nur Weißbier trinken? Mit rund 50 Euro für zum Beispiel eine 0,7-Liter-Flasche „Slyrs Single Malt Whisky Classic“ liegt der Trank allerdings nicht in der untersten Preisklasse.
Hat es bis zum Schliersee in Strömen geregnet, geht der Niederschlag auf der steilen Stichstraße hinauf zum Spitzingsee in Schnee über. Die Heizung im Käfer funktioniert, nur wie? Neben der Handbremse sind zwei kleine Hebel versenkt, die man im richtigen Verhältnis justieren muss, um Warmluft um die Füße geblasen zu bekommen. Außerdem ist da noch das Gebläse, das sich in zwei Stufen regulieren lässt.
Der Scheibenwischer hat ebenfalls theoretisch zwei Stufen, kraucht aber in beiden Stellungen so langsam über die schmale Windschutzscheibe, dass man denkt, er arbeite in Zeitlupe. Sogar mit einer beheizbaren Heckscheibe hat man den Käfer schon serienmäßig ausgestattet, die allerdings eher kosmetischer Natur ist, wie sich herausstellt.
Nostalgisch-bayerische Naturkulisse
Am Spitzingsee, auf 1085 Meter Höhe, ist der Käfer das einzige Auto, das wirklich zu dieser einzigartigen, nostalgisch-bayerischen Naturkulisse passt. Wegen des starken Schneefalls bekommt das Cabrio aber einen Platz in der Tiefgarage des Hotels. Der Spitzingsee als Zielpunkt für diese besondere Spritztour ist von Pichler gut ausgewählt. Der einsame Alpensee mit dem winzigen Dorf am Südufer ist eine echte Naturschönheit.
Am nächsten Tag lässt der Schneefall nach, und Sonne taucht die weiße Landschaft in blendendes Licht. Zum Glück ist es ganz einfach, das schwarze Verdeck abzunehmen. Bei der Rückfahrt nach München, über glücklicherweise wenig befahrene Landstraßen, haben sich der Käfer und ich bereits angefreundet.