Langeoog, my love

Der Wasserturm von Langeoog wurde 1909 erbaut und ist das Wahrzeichen der Insel.
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Zwei Waggons der farbenfrohen Inselbahn Langeoog haben Einstiegshilfen und innen mehr Platz – ideal für Kinderwagen oder Rollstühle. Am Bahnsteig auf die weißen Markierungen achten!
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Die gemütlichen Strandkörbe, hier am Hauptbadestrand, sind kostenpflichtig und in der Hochsaison begehrt. Man sollte frühzeitig reservieren, ist auch online möglich.
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In den Bunten Buden am Hauptbad am Kavalierpad können Besucher ihren Hunger und Durst stillen, Naturkosmetik im „BIOMARIS Shop“ erstehen oder Bernsteinschleifkurse besuchen.
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Auf der Seeseite sichern Schutzdünen, hier mit dem typischen Strandhaferbewuchs, Langeoog vor den Kräften der Nordsee. Die über 20 km lange Dünenkette beginnt im Südwesten am Flinthörn und endet im Osten am Osterhook.
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Mehrmals täglich schippern die Fähren von Bensersiel zum Eiland hin und zurück.
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Als Ostfriesenkind brauche ich die Nordseeinsel im Sommer hin und wieder als Seelenfutter. 14 Kilometer langer Sandstrand, Möwen, Wind und noch viel Meer …
Frauke Helmers (Text und Bilder)
6:30 Uhr. Mit einem Satz springe ich aus den Federn. Ich freue mich wie ein kleines Kind: Heute geht’s nach Langeoog. Mein Liebling unter den „Sieben zum Verlieben“, wie die Ostfriesischen Inseln recht einladend „vermarktet“ werden. Die Einheimischen nennen Langeoog pathetisch „Die Insel fürs Leben“. Ich kann sie gut verstehen. Wer einmal da war, kommt immer wieder.
Noch ist alles still im Haus meiner Eltern. Ein paar Vögel begrüßen mich zwitschernd beim Blick aus meinem alten Kinderzimmer. Es ist Mitte August, und Frühdunst schwebt wie eine leichte Sommerdecke über den Feldern hinter dem elterlichen „Bullerbü“-Garten. Wunderbar mystisch. Und heimelig. Wenn die Sonne höher steht, wird der Nebel wie von Zauberhand verschwunden sein. Das wird ein toller Tag!
Die Sachen haben wir schon am Vorabend gepackt. Auch ein bisschen Proviant für die Fähre und später für den Strand vorbereitet. Selbst geschmierte Brote und Brötchen bei salziger Brise mit Blick aufs Meer verputzen – gibt’s was Besseres? Kleiner Trick von meiner Mutter: Die Brötchen für den Strand über Nacht ins Gefrierfach legen, dann sind sie genau auf den Punkt aufgetaut und frisch wie die Seeluft. Lecker!
Alles eine Spur langsamer
Zum Fährhafen Bensersiel sind es von meiner Heimatstadt Aurich aus mit dem Auto rund 35 Minuten. Und da wir nur für einen Tag auf die Insel möchten, bietet sich Langeoog besonders gut an, denn die Fahrrinne dorthin ist ausgebaggert und somit tideunabhängig, so dass die Fähren ganzjährig mehrmals täglich zur Insel hin und zurück schippern.
Am Hafen herrscht ob des Kaiserwetters schon reger Trubel: Familien, große und kleine, mit allerhand Gedöns, fidele Rentner, turtelnde Pärchen und aufgeregte Ausflügler mit leichtem Gepäck stehen an den modernen Ticketschaltern im Fährhaus der „Schiffahrt Langeoog“ an. Wir ziehen die Tageskarten schnell am Automaten – und ab geht’s in die Warteschlange am Anleger.
Die Sonne lacht, die Schiffscrew auch. Nur einige Gäste schauen etwas gehetzt: Die Plätze auf den zwei Außendecks sind begehrt. Das Schiffshorn dröhnt, ein letztes Winken. Und schon gleiten wir hinaus in die graublau glitzernde Nordsee. Als jeder auf und alles unter den orangefarbenen Bänken verstaut ist, packen wir unser Frühstück aus und beißen herzhaft zu. Möwen kreisen über unseren Köpfen und halten nach Beute Ausschau. Jetzt bloß nicht das Essen wegschnappen lassen! Auf einer an uns vorbeiziehenden Wattfläche döst ein Seehund. Entschleunigung pur. Glücksgefühle steigen auf. Schwuppdiwupp – schon schaltet sich mein Urlaubsmodus ein.
An Land wechseln wir vom Schiff in die schnuckelige, historische Inselbahn Langeoog – die Fahrt ist im Fährticket inbegriffen. Ihre knallrote Lok und die farbenfrohen Waggons machen Laune, die hellen Holzbänke einen geraden Rücken. So zuckeln wir vom Inselhafen die rund 2,6 Kilometer lange Strecke in knapp sieben Minuten durch die grüne Insellandschaft zum Ort Langeoog. Von hier geht’s auf dem autofreien Eiland nur noch zu Fuß, auf dem Fahrrad oder via Pferdekutsche weiter.

Am Wassertum 1 steht das Denkmal für Lale Andersen und ihr Lied „Lili Marleen“. Von 1945 bis zu ihrem Tod 1972 verbrachte die Sängerin den wärmeren Teil des Jahres in ihrem Haus auf der Insel. Sie wurde auf dem Dünenfriedhof begraben.
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Das gut ausgebaute Rad- und Wanderwegenetz der Insel umfasst rund 35 km.
© Frauke Helmers

Die weidenden Schottischen Hochlandrinder auf Langeoog verhindern eine Verbuschung freier Flächen, was zur Pflege von Pflanzenbeständen beiträgt und Wiesenvögeln, wie Kiebitz oder Uferschnepfe, gute Brutplätze bietet.
© Frauke Helmers
Pedale statt Pferdestärke
Wir wollen ans Ostende radeln und leihen uns Räder bei Klaus Lütgemeier aus. Der rüstige 80-Jährige mit weißem Bart erinnert eher an einen Seebären, doch seinen „Fahrradverleih AM Bahnhof“ führt er bereits seit 23 Jahren. Innovative Technik offerieren er und seine Mitarbeiter aber auch: zum Beispiel Pedelecs, die immer beliebter werden.
Wir bleiben den guten alten Fahrrädern ohne elektrische Tritthilfe treu und genießen am Ende der Hauptstraße beim Lale-Andersen-Denkmal – die Sängerin besaß ein Wohnhaus, den „Sonnenhof“, auf Langeoog und wurde hier auf dem Dünenfriedhof begraben – auf der kleinen Rundmauer erst mal eine Kugel Eis. Na gut, zwei Kugeln. Lassen den Blick zu Langeoogs Wahrzeichen schweifen, den 110 Jahre alten und 18 Meter hohen, weißen Wasserturm, sowie die Besucherströme an uns vorüberziehen. Die meisten laufen mit Kind und Kegel schnurstracks auf dem Weg am Turm vorbei direkt zum Meer. Dort warten in Hülle und Fülle die bunten Strandkörbe auf die Sommerfrischler. Ein andermal, uns ist heute mehr nach Ruhe und Abgeschiedenheit zumute.
Gut gelaunt schwingen wir uns auf die Drahtesel. Rund 35 Kilometer umfasst das bestens ausgebaute Rad- und Wanderwegenetz. Auf befestigtem Pflaster biegen wir von der Hauptstraße in die Barkhausenstraße ein. In beiden Hauptgeschäftsmeilen hat die Moderne in den letzten Jahren einigen der Cafés und Lokale eine Verjüngungskur verpasst – sehr schön! Weiter geht’s durch eine Rechtskurve in die Willrath-Dreesen-Straße, dann zwischen Salzwiesen zur Rechten und der Dünenlandschaft zur Linken über die Insel dem Ostende zu. Schaut man Richtung Festland hinüber, sieht man noch die Windräder, die wie kleine Soldaten aufgereiht fleißig Strom erzeugen. Ansonsten hört man nur den Wind und verschiedene Vögel. Vor allem das Gezeter der Möwen und das schrille Rufen der Austernfischer. Wegen seiner Optik wird er im Norden auch „Halligstorch“ genannt.
Von weitem erkennen wir jetzt schon den Hingucker der Insel: die Schottischen Hochlandrinder, die nahe des Schloppsees gemütlich auf den saftigen Wiesen grasen. Mit ihrem zotteligen, rotbraunen Haarkleid und den langen, geschwungenen Hörnern sind sie seit 2001 der ganze Stolz von Inselbauer Heiko Arends und ein beliebtes Fotomotiv.
Jubiläumsfeiern fürs UNESCO-Weltnaturerbe
Der Wind pfeift uns weiter um die Ohren. Tapfer strampeln wir dagegen an. Beim nächsten Mal doch lieber Pedelecs? Nee, genau das macht diesen Ausflug ja aus. Die Naturgewalten erfahren, hören, sehen, spüren. Das Salz in den Haaren fangen und in der Luft schmecken. Für mich die beste Medizin gegen Großstadthektik und um den Kopf gründlich durchzupusten. Die urige Dünenlandschaft – mit hohen Anteilen von Krähenbeer-Heide bewachsen und fast auf ganzer Länge von großen, teils mehreren hundert Metern breiten Dünentälern durchzogen, dazwischen Kartoffelrosen und Sanddorn sowie Holunder als Farbtupfer – und das beeindruckende Wattenmeer entschädigen zusätzlich für die kleinen Strampel-Strapazen.
In diesem Jahr feiert das UNESCO-Weltnaturerbe schon sein 10-jähriges Jubiläum. Unter dem Motto „Ein Wattenmeer: Unser Erbe. Unsere Zukunft“ (www.nationalpark-wattenmeer.de/nds/weltnaturerbe) finden für Wattenmeer-Bewohner und -Besucher bis Oktober zahlreiche lokale, regionale und sogar grenzüberschreitende Veranstaltungen statt. Ein Hoch auf das Wattenmeer!
Je weiter wir fahren, desto weniger Menschen begegnen wir. Und wenn, ertönt auf beiden Seiten nur ein knappes, aber freundliches „Moin!“. Reicht doch.
Uns gelüstet es jetzt nach einer kräftigen Tasse Ostfriesentee. Und so machen wir Halt bei der „Meierei“, die direkt am Weg liegt. Im Jahr 1741 durch den damaligen Inselvogt Hayduck Taaken am Ostende der Insel als Wohnstätte errichtet, erhielt sie erst 1895 den Namen „Meierei“, offiziell hieß sie „Domäne Ostende“. Bis zu ihrer Auflösung 1953 wurde hier Landwirtschaft betrieben. Ab ca. 1827 beherbergte die „Meierei“ regulär eine „Krugwirtschaft“, auch heute kann man hier in einer Gaststätte einkehren und nebenbei noch zwei französische Kanonenkugeln bestaunen, die aus der Zeit der Kontinentalsperre stammen und neben acht weiteren Kugeln, Teilen eines Teeservices und einigen Münzen beim Wiederaufbau des Witschaftsteils nach einem Brand 1962 in 1,80 Metern Tiefe gefunden wurden. Donnerlüttchen!
Genug gestaunt, geklönt und getrunken. Das Ostende naht und nach rund zehn Kilometern auch das Ende unserer Wegstrecke. Runter vom Rad und einmal kurz rein mit den Füßen in den feinen, warmen Sand. Herrlich! Wer mag, hat von der nahen Aussichtsplattform Osterhook einen famosen Blick aufs Wattenmeer und die „Seehundbänke Langeoog“, wo man mit etwas Glück den Seehunden und Kegelrobben beim Faulenzen und Sonnenbaden zuschauen kann.
Sonnen- und vor allem Wellenbaden will ich jetzt auch! Um ins kühle Nass auf der Seeseite und später schneller zum Bahnhof zu kommen, treten wir noch einmal in die Pedale. Zurück zur „Meierei“, weiter am Vogelwärterhaus sowie der Jugendherberge vorbei, nach dem Zeltplatz den Weg rechts rein. Rechter Hand liegt die Melkhörndüne – mit rund 20 Metern die höchste Erhebung Langeoogs und ein toller Aussichtspunkt auf Salzwiesen, Wattenmeer und Vogelkolonien.
Die Füße im Sand, das Herz in der Hand
Die Räder stellen wir an vorgegebener Stelle bei den Schutzdünen ab. Ein markierter Weg, der hügelig über die Dünen direkt zum Strand führt, trennt uns jetzt noch vom Meer.
Das ist mein Moment! Auf den freue ich mich das ganze Jahr. Vom Meer sieht man noch nichts, riecht und hört es aber schon. Mein Herz klopft, auch vom kleinen Anstieg. Je weiter wir gehen, desto lauter wird das Rauschen. Auch tauchen jetzt nach jeder Anhöhe Meer und Strand immer mal kurz auf. Doch erst am Dünenrand öffnen sich Blick und Horizont – da liegt sie vor einem, die raue Nordsee, wie sie am malerischen Naturstrand leckt.
Barfuß und jauchzend sause ich im weichen Sand den Pfad hinunter. Schnell die Strandmuschel aufbauen, eincremen, Badesachen an und hinein ins Wellenspektakel. Danach sich von Wind und Sonne trocknen lassen und beim Verzehr der taufrischen Brötchen die endlose Weite genießen. Am Strand spazieren und Muscheln sammeln gehen. Dabei die salzige Seeluft bis tief in die Lungenspitzen ein- und ausatmen. Wind, Wellen, Weite – ein Tag voller Glück!
Auf dem Rückweg fällt das Treten leicht, aber der Abschied schwer. Im vollen Zug ergattern wir noch einen Sitzplatz und auf der Fähre auch einen auf dem Brückendeck. Wehmütig schaue ich noch einmal zurück. Ich komme wieder, Langeoog, meine „Insel fürs Leben“!