Gesund durch den Harz

Der historische Stadtkern der Welterbestadt Quedlinburg macht die kleine Stadt an der Bode zu einem Fachwerk-Traum, hier ein prächtiges Exemplar am Marktplatz, welches das „Boulevard Café“ beherbergt, rechts daneben liegt das Rathaus mit der Roland-Statue, dahinter die Marktkirche St. Benedikti.
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Die Teufelsmauer südwestlich von Quedlinburg ist eine aus harten Sandsteinen der oberen Kreide bestehende Felsformation und die markanteste Schichtrippe im nördlichen Harzvorland.
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Blick auf den Brocken-Gipfel mit Brockenherberge, Sendeanlage und Brockenhaus/Brockenmuseum (v.l.n.r.)
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Das Ilsetal zählt zu den schönsten Wanderrouten am Brocken und löste bei Heinrich Heine regelrechte Begeisterungsstürme aus.
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Johann Wolfgang von Goethe besuchte die Baumannshöhle in Rübeland gleich mehrfach und ist aus diesem Grund auch Namensgeber für den größten Hohlraum in der Höhle, den Goethesaal.
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Hoch über Wernigerode thront ein Märchenschloss. Der ehemalige Familiensitz der Grafen zu Stolberg-Wernigerode ist heute ein Museum mit über 40 Schauräumen, hier ein Blick in den Festsaal.
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Heinrich Heine litt als Student in Göttingen oft unter Kopfschmerzen. Sein Hausarzt empfahl ihm daher Wanderungen an der frischen Luft im Harz. Das tut auch heute noch gut.
Michael Juhran (Bilder und Text)
Fast 200 Jahre sind vergangen, seit Heine im September 1824 seine große Harzwanderung begann. Per pedes legte er über 150 Kilometer im nördlichsten Mittelgebirge Deutschlands zurück und war am Ende so begeistert, dass er seine Harzreise-Novelle schrieb. Liest man dieses wohl unterhaltsamste und beliebteste Werk des großen Dichters, in dem er poetisch von freien Lüften, rauschenden Bächen, singenden Vögeln und stolzen Wolken schwärmt, gelangt man unweigerlich zu dem Entschluss: Da muss auch ich hin! Eine Entscheidung, die durch die zentrale Lage des Harzes durchaus erleichtert wird.
Geschichte unter Tage
Bewaffnet mit Heines Reisehandbuch, startet unsere Tour in Goslar mit dem Besuch des Weltkulturerbes Rammelsberg – Museum & Besucherbergwerk. Es ist frappierend, wie sehr eine Führung durch den Röderstollen der Beschreibung gleicht, die Heine nach der Besichtigung der jetzt nicht mehr zugänglichen Grube Karolina in Clausthal-Zellerfeld zu Papier brachte. Enge Stollengänge, mühsame Leiterstufen und bleich flimmerndes Grubenlicht – nur die Bergleute fehlen, seit 1988 die Kupfer-, Blei- und Zinnerzförderung nach tausendjährigem Betrieb eingestellt wurde. Ihre Schicksale, die Geschichte des Erzabbaus wie auch die ingenieurtechnischen Meisterleistungen unter Tage werden heute in einer äußerst interessanten Ausstellung in den einstigen Bergwerkshallen lebendig. Welchen Reichtum die Schätze des Rammelsbergs den Herrschenden bescherten, verdeutlich die gigantische Palastanlage der nahe gelegenen Kaiserpfalz aus dem 11. Jahrhundert.
Von Goslar aus visierte Heine mit dem Brocken seinen auf 1141 Metern gelegenen Höhepunkt der ersten Wanderwoche an. „Es murmelt und rauscht so wunderbar, die Vögel singen abgebrochene Sehnsuchtslaute, die Bäume flüstern wie mit tausend Mädchenzungen ... es ist alles wie verzaubert ...“, notierte er beim Aufstieg leidenschaftlich in sein Tagebuch. Zugleich verschweigt der Dichter nicht, dass „es ein äußerst erschöpfender Weg“ ist und er „froh war, ... das lang ersehnte Brockenhaus“ zu erreichen, wo er nächtigte. Ein Gedenkstein erinnert auf dem Gipfel an seine sportliche Leistung.
Selige Begeisterung übers Ilsetal
Vielleicht wäre er am Folgetag mit der Harzer Schmalspurbahn bergab gefahren, wenn es diese damals bereits gegeben hätte. Dann wäre ihm jedoch mit dem Ilsetal der schönste Abschnitt der Bergwanderung verborgen geblieben. Von der Anmut des grünen Tales mit seinem plätschernden Bach entzückt, steigerte sich seine Begeisterung ins Überschwängliche: „Unendlich selig ist das Gefühl, wenn die Erscheinungswelt mit unserer Gemütswelt zusammenrinnt und grüne Bäume, Gedanken, Vogelsang, Wehmut, Himmelbläue, Erinnerung und Kräuterduft sich in süßen Arabesken verschlingen.“ Auf dem Wegabschnitt zwischen Ilsenburg und den Ilsefällen hat das Tal nichts von diesem Reiz verloren, selbst wenn der umgebende sterbende Fichtenwald zuweilen traurig und nachdenklich stimmt. Auch Heine war auf seiner Harzreise nicht nur von Idylle umgeben. Der Bergbau, die Köhlerei und die Erzverhüttung verschlangen ganze Wälder, und um 1800 wirkten sich Trockenheit und Borkenkäferplage schon einmal verheerend auf die Natur aus.
Die Eindrücke Heines beim Eintreffen in Wernigerode kann man nur erahnen. In seiner Harzreise äußert er sich nicht zu den kunstvollen Fachwerkhäusern, zum stolzen Rathaus und zum äußerst sehenswerten Märchenschloss hoch über der Stadt, die heute zigtausende Besucher anlocken. Auch zu seinem Aufenthalt in Rübeland merkt er lediglich an, dass ihn dort die Bode „mürrisch und verhüllt in einen silbergrauen Regenschleier“ empfing. Wir hätten ihm auf jeden Fall empfohlen, die pittoreske Baumannshöhle mit ihren bizarren Stalagmiten und Stalaktiten zu besuchen, wie es sein Zeit-genosse Goethe mehrmals tat.
Hängend über das Bodetal
Wir nehmen an, dass Heine auf seinem Weg zur Roßtrappe weiter durch das Bodetal gewandert ist. Leider war ihm dabei kein Blick auf den riesigen Stausee vergönnt, der sich erst nach dem Bau der Rappbodetalsperre füllte. 188 Jahre später hätte er sich neben der gigantischen Staumauer sogar den Traum vom Fliegen auf einer 1000 Meter langen Megazipline erfüllen können oder die Möglichkeit genutzt, das Bodetal auf einer 458 Meter langen Hängebrücke zu überqueren. Wer einen solchen Adrenalinschub nicht verträgt, dem ist ein Abstecher zum Regenstein bei Blankenburg zu empfehlen. So richtig spannend wird die Erkundung der mittelalterlichen Burganlage bei einer Führung durch Jörg Reimann vom örtlichen Verein „History 4 you“, der mit viel Herzblut über die wechselvolle Geschichte berichtet und Tipps für Wanderungen rund um den Berg gibt. Wunderbar lässt es sich auch in Altenback vom Restaurant „Zum Harzer Jodlermeister“ in anderthalb Stunden zur Rosstrappe wandern. Den Abstieg nach Thale erleichtert eine Seilbahn.
Quedlinburg – Heimat zweier „Gesundheits-Apostel“
Folgt man im Tal dem Lauf der Bode vorbei an der Teufelsmauer, so gelangt man nach zehn Kilometern nach Quedlinburg, wo eine Stärkung mit gesunder Kost angesagt ist. Das „Hotel Schlossmühle“, direkt vor der berühmten Stiftskirche, verwöhnt nicht nur hungrige Wanderer mit delikaten vegetarischen Speisen. Der Chefkoch setzt auch bei Fleischgerichten auf ausgewählte regionale Erzeugnisse, wie das Harzer Rote Höhenvieh.
Anschließend ist eine Führung durch die geschichtsträchtige Stadt mit ihren 1400 Fachwerkbauten ein Muss. Am besten mit dem Stiftshauptmann Hans-Jürgen Meie, der es sich bei Gruppen nicht nehmen lässt, dazu sein historisches Gewand anzulegen. So gelangt man beim Schlendern über den anmutigen Marktplatz und durch enge Gassen nicht nur zum kleinsten Haus der Stadt, sondern auch zum Denkmal des 1759 hier gebürtigen Pioniers des Schulsportunterrichts, Johann Christoph Friedrich GutsMuths, und zum Wohnhaus des FKK-Anhängers Friedrich Gottlieb Klopstock – zwei glühende Verfechter eines gesunden Lebensstils.
Da in diesem Jahr in ganz Deutschland der 200. Geburtstag Sebastian Kneipps gefeiert wird, soll unsere Gesundheitstour durch den Harz in Bad Lauterberg, dem ältesten Kneipp-Heilbad Norddeutschlands, enden. Im „Vitalium Dr. von Plachy“ führt uns Petra Schultheis durch die Schwimmhalle, vorbei an Tretbecken, Fitness-Zentrum und Räumen für andere Anwendungen, die auf Wunsch mit einem Basenfasten kombiniert werden. Gewandert wird natürlich auch. Kneipp wäre stolz, und Corona hat es schwer, den immungestärkten Gästen etwas anzutun.

Hochinteressantes zur Geschichte des Harzes erfährt man bei einer Führung auf dem Regenstein.
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Man kann den höchsten Berg des Harzes aber auch mit der Schmalspurbahn erklimmen.
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Hoch über Wernigerode thront ein Märchenschloss.
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