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Reportagen

Das Gute liegt so nah

Die Wartburg ist das Wahrzeichen der Stadt Eisenach.

Die Wartburg ist das Wahrzeichen der Stadt Eisenach.

© Lydia Geißler

In der Wartburg übersetzte Martin Luther 1521 das Neue Testament ins Deutsche.

In der Wartburg übersetzte Martin Luther 1521 das Neue Testament ins Deutsche.

© Lydia Geißler

Der Marktbrunnen in Goslar mit goldenem Reichsadler gilt als größter und ältester romanischer Marktbrunnen in Deutschland.

Der Marktbrunnen in Goslar mit goldenem Reichsadler gilt als größter und ältester romanischer Marktbrunnen in Deutschland.

© Lydia Geißler

Kaiser Wilhelm I. und Friedrich Barbarossa bewachen als riesige Reiterstandbilder die fast 1000-jährige Kaiserpfalz in Goslar.

Kaiser Wilhelm I. und Friedrich Barbarossa bewachen als riesige Reiterstandbilder die fast 1000-jährige Kaiserpfalz in Goslar.

© Lydia Geißler

Ein Storchennest thront auf einem Strommast nahe Greifswald.

Ein Storchennest thront auf einem Strommast nahe Greifswald.

© Lydia Geißler

Stattliche Häuser zieren die Greifswalder Altstadt.

Stattliche Häuser zieren die Greifswalder Altstadt.

© Lydia Geißler

Eigentlich sollte es ein Familientreffen in Portugal werden. Doch die Corona-Pandemie machte einen Strich durch die Rechnung und bescherte uns einen wunderschönen Heimat-Urlaub.

Lydia Geißler (Bilder und Text)

Das erste Ziel unserer Route war Thüringen. Genauer gesagt: Eisenach. In der engen Altstadt stoßen wir auch gleich auf einen geschichtsträchtigen Ort. Auf einem Sockel stehend, empfängt uns der hier 1685 geborene Komponist Johann Sebastian Bach. Sein über 500 Jahre altes Geburtshaus mit den teils schiefen Fenstern zählt zu den ältesten Wohnhäusern der Stadt. Das Bach-Museum betreten wir über den modernen Anbau und geraten in einer multimedialen 180-Grad-Installation mitten in die Aufführung dreier Bach-Werke. Die musikalische Zeitreise endet im historischen Saal, mit einer Vorführung typischer Instrumente der Bach-Zeit. Die kleine Truhenorgel, auf der Bach höchstpersönlich spielte, benötigt einen Blasebalg-Treter, und so werden wir flugs zu Mitwirkenden eines Live-Konzerts. 

Nach dieser interaktiven Kultureinlage haben wir Lust, in Bewegung zu bleiben und ein wenig die Umgebung zu erkunden. Durch ein Wäldchen wandern wir zur sagenumwobenen Drachenschlucht. In der engen Klamm südlich von Eisenach erfahren wir auf schmalen Stegen über einem rauschenden Bach den Reiz dieses Naturkleinodes. Überall tröpfelt es, und moosbewachsene Felsen umschlingen uns, die nur wenig mehr als mannsbreit auseinanderstehen. Im wahrsten Sinne des Wortes ein atemberaubendes Erlebnis.

Ebenso beeindruckend ist das Wahrzeichen von Eisenach, das hoch über der Stadt thront: die stolze Wartburg. Ihre  gewaltigen Mauern beherbergten einst den Reformator Martin Luther. In der hölzernen Stube mit den Butzenglas-Fenstern übersetzte er hier 1521 das Neue Testament ins Deutsche.

Mit herrlichen Blicken auf Burghöfe und Fachwerkgebäude führen enge Gänge zum Sängersaal. Fresken und raumfüllende Mosaiken erzählen die Sage des berühmten Sängerkrieges der Minnesänger. Die Kemenate der hl. Elisabeth ist mit neobyzantinischen Glasmosaiken ausgekleidet, die von den märchenhaften Legenden und Wundern der hl. Elisabeth berichten. 

Hoch auf dem Hügel der Burg bietet sich uns ein fantastisches Panorama, hinüber bis zum Harz, an dessen Nordrand eine der schönsten Fachwerkstädte Deutschlands liegt: die Kaiser- und Bergbaustadt Goslar.

1000-jährige Geschichte hinter pittoresken Fassaden in Goslar

Kaum am Goslaer Markt angekommen, lenkt ein Glockenspiel unsere Aufmerksamkeit auf den Zwerchgiebel des „Kämmereigebäudes“. Drei Türchen öffnen sich, und ein Figurenumlauf erzählt die Geschichte des Rammelsberger Erzbergbaus, von der mythischen Entdeckung durch den Ritter Ramm bis zur Neuzeit. Das Bergwerk gehört heute zu den Weltkulturerbestätten der UNESCO, ebenso die Goslaer Altstadt. 

Das historische Bodenpflaster in Form eines Sonnenstrahlgeflechts führt den Blick zum Marktbrunnen aus dem 13. Jahrhundert. Er gilt als größter und ältester romanischer Marktbrunnen Deutschlands und die untere der zwei Bronzeschalen als größter Bronzeguss der Romanik. Beide Schalen sind mittig durch eine Säule verbunden, auf der oben golden ein Reichsadler mit Krone glänzt. Gleich daneben entzückt uns das mittelalterliche, rot gestrichene Gildehaus Kaiserworth mit schönen Arkaden. Auf der Ecke des ehemaligen Gebäudes der Gewandschneider- oder „Worthgilde“, in dem heute das „Hotel Kaiserworth“ untergebracht ist, entdecken wir eine kleine, freche Figur: das „Dukatenmännchen“. Es diente der Abschreckung, weil genau an dieser Stelle säumige Schuldner als Strafe „gebottarscht“ wurden, also die Hose runterlassen mussten. 

Goslar besitzt über 1500 fein herausgeputzte, gut erhaltene Gilde- und Patrizierhäuser. Kaum einen rechten Winkel finden Besucher, dafür viele Holzverzierungen, Bemalungen und feine schmiedeeiserne Schilder. 

Auf unserem Rundgang kommen wir auch am Traditionslokal „Butterhanne“ vorbei, aber nicht an den wunderbaren, dort feilgebotenen Hausmannskuchen. Kaffeepause!

Das wichtigste Museumsstück Goslars ist die fast 1000 Jahre alte Kaiserpfalz. Die übergroßen Reiterstandbilder von Kaiser Wilhelm I. und Friedrich Barbarossa bewachen den herrschaftlichen Bau. Über 200 Jahre lang wurde in diesen Hallen auf zahlreichen Reichsversammlungen und Hoftagen deutsche Geschichte geschrieben. 

Die Wände des fast 800 Quadratmeter großen „Reichssaals“ sind mit Szenen aus der Geschichte des „Heiligen Römischen Reiches“ geschmückt. Ganz ernst nehmen sollte man die Abbildungen aber nicht, denn die Historienmaler vermischten oftmals die Ereignisse und Personen, je nach den Interessen ihrer Auftraggeber.

Mit Caspar David Friedrich durch Greifswald

Von Goslar führt uns die Reise nun weiter nach Norden, ins flache Land, wo mehr und mehr Seen und Storchennester in den Blick rücken. Das Kreischen der Möwen und eine frische Brise begrüßen uns in Greifswald. 

Um mehr über diese hübsche Universitäts- und Hansestadt zu erfahren, folgen wir dem Caspar-David-Friedrich-Bildweg auf seinen 15 Stationen. Der für seine romantischen Bilder bekannte Maler wurde hier 1774 geboren, als Greifswald noch schwedische Provinz war. In seinem kleinen, zweistöckigen Geburtshaus führen schmale Treppen in das historische Kellergewölbe, in dem teils original erhaltene Talgkessel und Schöpfkellen die Kerzenmacherei-Werkstätte der Familie Friedrich veranschaulichen. Im Familienkabinett, mit seinen dicken Deckenbalken und knarzenden Dielen, spürt man die Verbundenheit des Malers mit der Stadt, der nordischen Landschaft und den Menschen. 

Überall begegnet man den roten Häusern der Backsteingotik. Auch der imposante, mittelalterliche Dom St. Nikolai, die Taufkirche des Malers, wurde in diesem Stil errichtet. Vorbei am prächtigen Renaissancebau der Universität geht es über eine Brücke zum alten Stadthafen. Das Klimpern  der an die Masten schlagenden Takelagen lockt zum größten Museumshafen Deutschlands. Alte Fischereifahrzeuge und prachtvolle Frachtsegler, das älteste Schiff von 1880, liegen dort auf Kiel. Am Fangenturm hat der Hafenmeister seinen Sitz. Die aufgestellten Tafeln zeigen die Vielfalt, Herkunft und Geschichte der liebevoll gepflegten Schiffe.

Hier herrscht eine besonders entspannte Atmosphäre. Auf den Hafenterrassen verweilen die Besucher in gemütlichen Liegestühlen, turtelnde Pärchen genießen einen Drink in der Sonne, die ab und zu durch die dicken, weißen Wolken blitzt. 

Beim Anblick eines schwimmenden Fischlokals bekommen wir sofort Appetit auf Fischbrötchen. In der kleinen Kombüse der „Hornfischbar“ bereitet uns der Smutje sogleich besonders leckere Exemplare zu. Mit einem Blick über den Fluss Ryck fragen wir uns rückblickend: „Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah.“ Und können dem alten Goethe nur zustimmen!