Der Traum vom Fliegen feiert Jubiläum

An den Ufern der Garonne: links im Bild der Pont-Neuf …
© CRT/Florian Calas

… rechts das frühere Armenspital Hôpital de la Grave mit Kapellen-Kuppel
© CRT/Florian Calas

Mit 55 Metern ist der Raketennachbau in der „Cité de l’Espace“ genauso hoch wie die echte Ariane V.
© Cité de L‘Espace/Manuel Huynh

Astronautenanzug in der „Cité de l’Espace“; verschiedene Dauerausstellungen veranschaulichen dort das Leben der Astronauten, von der Ausbildung bis hin zur eigentlichen Weltraummission.
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Ein Stück Geschichte: die Concorde im Aeroscopia Museum
© CRT/Chloé Sabatier

Denkmal für Antoine de Saint-Exupéry im Jardin Royale, Autor von „Der kleine Prinz“ und 1927-1932 Flieger bei L’Aéropostale
© Carmen Schwind
Toulouse lässt die Menschen in vielfacher Hinsicht abheben. Dieses Jahr steht die Garonne-Metropole mit einem dreifachen Jubiläum im Fokus des Interesses der europäischen Luft- und Raumfahrt.
Gudrun Rentsch (Text)
„La Ville Rose“. Toulouse verdankt ihren Namen den leuchtend roten Ziegelbauten, in deren Fassaden die Glut der Sonnenuntergänge gefangen scheint. Eigentlich glühen die Backsteinfassaden der Häuser aber eher ockerrot, dunkelrot und lila, wenn die Sonne untergeht. Licht und Lebensart à la Toulouse.
Allein schon der Blick vom Platz vor der Basilika Notre-Dame de la Daurade, einem beliebten Treffpunkt am östlichen Ufer der Garonne, wo die letzten Strahlen der Abendsonne auf den Kai mit seiner Platanenallee und die erbsengrüne Garonne fallen, und am Horizont schäfchengleiche Wölkchen die Szene krönen. Das Ganze wirkt wie eine Vedute aus dem 16. Jahrhundert. Auf der anderen Seite schiebt sich zeitgeschichtlich passend das frühere Armenspital Hôpital de la Grave samt auf-fälliger kuppelförmiger Kapelle ins Bild, und links spannt sich der Pont-Neuf über den Fluss.
Toulouse zählt heute zu den am stärksten wachsenden Städten Frankreichs. Nach Paris, Marseille und Lyon belegt die Metropole Rang vier. Rund 470.000 Menschen leben in der ehemaligen gallo-römischen Siedlung, im Ballungsgebiet sind es rund 920.000 Einwohner, darunter über 100.000 Studenten.
Toulouse ist die Wiege der modernen Luftfahrt
Mit einem dreifachen Jubiläum steht Toulouse gerade im Mittelpunkt des Interesses der europäischen Luft- und Raumfahrt. Die erfolgreiche Airbus-Industrie kann auf ein fünfzigjähriges Bestehen zurücksehen, die legendäre Concorde erhob sich vor 50 Jahren in den Himmel, und vor fünf Jahrzehnten betrat der erste Mensch den Mond. In Toulouse, wo die Wiege der modernen Luftfahrt stand, können Besucher die spannende Geschichte von den ersten Flugzeugen bis zur Eroberung des Weltalls an mehreren Stätten mit großen Ausstellungen verfolgen.
Der Traum vom Fliegen hat Toulouse schon sehr früh geprägt. Nach dem Vorbild einer Fledermaus erhob sich am 9. Oktober 1890 Clément Ader erstmals mit einem motorisierten Fluggerät mit einer Luftschraube in die Luft. Zwar endete der Erstflug mit der „Eole“ mit einem Absturz. Dennoch legte der Flugpionier damit die Basis für die Zukunft der Stadt. So richtig in Fahrt kommt die Luftfahrtgeschichte von Toulouse zum Ende des Ersten Weltkriegs.
Antoine de Saint-Exupéry flog für die Aéropostale
Pierre-Georges Latécoère aus Bagnères-de-Bigorre trat 1918 zum ersten Flug der französischen Luftpost Aéropostale an Bord eines seiner Flugzeuge, einer Salmson 2A2, von Montaudran nach Barcelona an. Dann gründete der Luftfahrtpionier die ersten Flugzeugfabriken in Toulouse. Dort stellte er Piloten wie Mermoz oder Saint-Exupéry ein, um Post nach Dakar und später bis nach Südamerika zu senden.
Wie waghalsig die Luftpostflüge in den 1920iger Jahren gewesen sein müssen, lässt sich am besten im Aeroscopia am Flughafen im Vorort Blagnac erahnen: Das Flugzeugmuseum zeigt u.a. eine Maschine aus der damaligen Zeit – die Piloten waren auf sich allein gestellt, denn es gab nur einen Platz für sie, keine richtige Kabine, nicht mal einen Schutz vor Wind und Wetter, von einer winzigen Frontscheibe einmal abgesehen.
Im Aeroscopia steht neben einem A300 u.a. auch eine Concorde. Am 2. März 1969 begann die berauschende Geschichte des Überschallflugzeugs. Im gleichen Jahr durchbrach die filigrane Maschine mit einer Flügelspannweite von 25,56 Metern mit Mach 1 und im Jahr 1970 sogar mit Mach 2 die Schallmauer. Nach dem Absturz endet die Ära tragisch. Im Museum Aeroscopia können Flugzeugfans das 62,19 Meter lange Glanzstück der Luftfahrt mit beiden Beinen auf dem Boden und ohne Mach-Geschwindigkeit innen wie außen bewundern.
Toulouse ist der größte Airbus-Standort
Seit 50 Jahren ist Toulouse auch Heimat des größten Airbus-Standorts in Europa. Ab 1969 wurden im Stadtteil Blagnac in der Clément-Ader-Halle die Maschinen gefertigt. Wie aus vielen Einzelteilen zum Beispiel die neue Airbus-Reihe A350XWB entsteht, erfahren Besucher bei der spannenden Tour „Let’s visit Airbus“, die vom Aeroscopia aus startet. „22 Fußballfelder oder 227 Tennisplätze groß sind die Produktionsstätten in der Lagardère-Halle“, erzählt der Student Francois bei der Airbus-Werksführung.
Nur einen Bruchteil davon allerdings sehen Besucher, nämlich die Endmontage des A380, des größten Flugzeugs der Welt. Doch es gibt jede Menge Hintergrundinformationen über Tests, Produktion und Auslieferung der Airbus-Maschinen. Seit kurzem können im neuesten Ausstellungsbereich „Tarmac Nord“ sogar Maschinen der ganzen Airbus-Familie begutachtet werden.
Die „Cité de l’Espace“ feiert 50 Jahre Mondlandung
Mit dem ersten Schritt auf dem Mond begann die Zeit der modernen Raumfahrt. Gut, die Apollo-Rakete wurde nicht in Toulouse gebaut. Gefeiert wird trotzdem. In der Weltraum-Ausstellung „Cité de l’Espace“ gewährt die Sonderschau „LUNE: EPISODE II“ einen Rückblick auf die erste Mondlandung und vermittelt einen Blick auf die zukünftigen Projekte des Mondprogramms. Wer mag, kann in einem Simulator gleich auch noch den Moon-Walk üben: Eingepackt in eine Stahlseilaufhängung, die wie ein sperriger Rucksack aussieht, wird das eigene Körpergewicht auf ein Sechstel reduziert und Sprünge wie in Zeitlupe abgefedert. Eine Fotowand mit nächtlicher Kraterlandschaft verstärkt die Illusion eines Weltraumausflugs.
Eine neue Ausstellung erzählt vom Leben der Astronauten auf der ISS, dass Raumfahrer im Weltall mehrere Zentimeter wachsen, dass sie auf der Umlaufbahn 16 Sonnenuntergänge pro Tag sehen, dass sie mit 28.000 km/h um die Erde kreisen und vieles mehr. Auch kleine Astronauten kommen auf ihre Kosten – ob beim Reinschlüpfen in den Astronautenanzug oder im Stellarium, dem Planetarium für Kinder. Die „Cité de l’Espace“ ist ein Spaß für die ganze Familie!
Die technologischen Wunder auf La Piste des Géants
Gleiches gilt auch für die neueste Attraktion für Liebhaber der Luft- und Raumfahrttechnik: der Ausstellungskomplex La Piste des Géants (zu Deutsch „Rollbahn der Giganten“). In der Halle de La Machine stehen rund 100 bewegliche, verrückte und geniale Kreationen, teils riesengroß und teils so klein, dass man sie in der Hand halten könnte. Maschinenschauspielkünstler hauchen ihren Kreaturen durch Ziehen an Kabeln und Schnüren Leben ein. Ein gigantischer Minotaurus befördert auf der zwei Kilometer langen früheren Start- und Landebahn von Aéropostale bis zu 50 Personen, eine riesige Spinne ein weiteres Dutzend großer und kleiner Passagiere. Sie brauchen sich nur noch anzuschnallen und los geht’s!

14 Meter hoch ist der Minotaurus aus „La Halle de La Machine“, der auf der früheren Start- und Landebahn von Aéropostale bis zu 50 Personen befördert.
© Carmen Schwind

Am Kapitol und seinem großen Vorplatz kommt man in Toulouse nicht vorbei, an der Decke einer Seitengalerie befinden sich Fresken von Raymond Moretti.
© CRT/M.-P. - P. Thébault

Die Backsteingassen der Stadt wurden extra in Kurven gebaut, um die Luftströme des berüchtigten Dreitageswinds zu bändigen.
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