Interessant für Klinik und Praxis sind immer Überblicke zu aktuellen Studienergebnissen bei bestimmten Indikationen. So ging PD Dr. Martin Bögemann, Münster, im Rahmen der Session der Arbeitsgemeinschaft Urologische Onkologie (AUO) in seinem Vortrag „Update Prostatakarzinom“ auf eine mögliche Triple-Therapie inkl. Chemotherapie beim metastasierten kastrationssensitiven Prostatakarzinom ein. Bei Patienten, die eine Chemotherapie analog zur CHAARTED-Studie1 erhalten können, sollte demnach eine entsprechende Behandlung immer erwogen werden. Bei allen anderen Patienten sollte, von Ausnahmen abgesehen, weiter eine andere Kombinationstherapie durchgeführt werden.
Kombinationen für alle?
Bögemann stellte zudem Ergebnisse der Studien PROPEL2 und MAGNITUDE3 zur Kombination Abirateron plus PARP-Inhibitor bei Patienten mit metastasiertem kastrationsresistenten Prostatakarzinom vor. Zwar wurde in beiden Studien der primäre Endpunkt Progressionsfreies Überleben erreicht und damit die entsprechende Zulassung beantragt. Jedoch waren beide Studien für das Gesamtüberleben noch nicht reif. Dies werde künftig bei der Bewertung der Therapie noch eine Rolle spielen, so Bögemann.
Fraglich bliebe zudem, wer bei dem gegebenen Toxizitätsprofil mit einer Kombinationstherapie behandelt werden sollte – alle Patienten oder nur die mit auffälligen Biomarkern.
Beeinträchtigte Kognition
Inwieweit sich eine Androgendeprivationstherapie (ADT) auf die Kognition geriatrischer Prostatakarzinompatienten auswirken kann, hat PD Dr. Desirée Louise Dräger, Rostock, erläutert. Hintergrund ist, dass Testosteron einen positiven Einfluss auf die Gedächtnisleistung hat, während sich eine ADT negativ auswirkt. Unbekannt waren bislang jedoch die kognitiven Effekte einer AD-Langzeittherapie bei älteren Patienten.
Dräger zufolge zeigen aktuelle Untersuchungsergebnisse, dass es bei Patienten unter LHRH zu signifikanten Defiziten im topografischen und visuellen Gedächtnis kam. Auch gab es Auswirkungen auf das Arbeitsgedächtnis. Bei Patienten, die Bicalutamid erhielten, war dies nicht der Fall.
Die möglichen Einflüsse einer ADT sollten laut Dräger bei der Beratung älterer Prostatakarzinompatienten zu entsprechenden Behandlungen unbedingt berücksichtigt werden.
Neue Option in Leitlinie aufnehmen
Mit dem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat Enfortumab Vedotin stellte Prof. Dr. Margitta Retz, München, eine neue Therapieoption für das metastasierte Urothelkarzinom (mUC) vor. Das Konjugat, das als Drittlinie bei Progression nach einer platinhaltigen Chemotherapie und Checkpoint-Inhibitor eingesetzt werden kann, führte in der Phase-III-Studie EV-3014 im Vergleich zur Chemo zu einem vier Monate längeren Überleben (12,91 Monate vs. 8,94 Monate). Das im April 2022 zugelassene Antikörper-gekoppelte Zytostatikum ist bereits in die EAU-Leitlinien aufgenommen. Daher werde empfohlen, so Retz, es für die Folgelinie auch in die neue S3-Leitlinie zum Urothelkarzinom aufzunehmen.
Über Früherkennung informieren
Bei der Aufklärung von Patienten ist für die DGU u. a. auch die Prostatakarzinomfrüherkennung relevant, wie das neue Patientenportal der „Urologischen Stiftung Gesundheit“ zeigt. Unter www.urologische-stiftung-gesundheit.de soll umfangreich über urologische Krankheitsbilder, deren Diagnose und Therapie informiert und somit die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung gestärkt werden.
Anne Göttenauer
Quelle: 74. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU) in Hamburg vom 21. bis 24. September 2022
Literatur:
1. Kyriakopoulos CE et al. J Clin Oncol. 2018; 36(11): 1080-7.
2. Saad F et al. J Clin Oncol 40, 2022 (suppl 6; abstr 11), DOI: 10.1200/JCO.2022.40.6_suppl.011.
3. Chi KN et al. Clin Oncol 40, 2022 (suppl 6; abstr 12), DOI: 10.1200/JCO.2022.40.6_suppl.012.
4. Powles T et al. N Engl J Med 2021; 384: 1125-35