Breast Cancer Index: prognostisch und prädiktiv
In der SOFT-Studie an prämenopausalen Frauen mit Hormonrezeptor-positivem (HR+) frühem Brustkrebs hat sich die endokrine Therapie mit zusätzlicher ovarieller Suppression (OS) der alleinigen endokrinen Therapie als überlegen erweisen: Nach zwölf Jahren war die Rate des fernmetastasenfreien Überlebens unter Exemestan plus OS um absolut 3%, unter Tamoxifen plus OS um 1,4% höher als mit Tamoxifen mono, berichtete Prof. Ruth O’Regan, Rochester. Sie wies jedoch darauf hin, dass die zusätzliche OS langfristig mit einer vermehrten Toxizität einhergeht, so dass zu klären ist, wer diese tatsächlich benötigt. Ihre Arbeitsgruppe untersuchte in einer Subgruppe von 1.687 Patientinnen der SOFT-Studie, ob mithilfe des Breast Cancer Index (BCI) besser beurteilt werden kann, wer von der OS profitiert. Der BCI ist ein genomischer Score, der individualisierte prognostische und prädiktive Aussagen zum Risiko für Spätrezidive und Fernmetastasen sowie für den Benefit der erweiterten endokrinen Therapie ermöglicht.
Nach zwölfjährigen Follow-up hatten nodalnegative Frauen mit hohem BCI ein um 98% höheres Rezidivrisiko als die mit niedrigem BCI. Eine ähnlich schlechte Prognose hatten auch Frauen mit hohem BCI und 1–3 positivem Lymphknoten. Zudem erwies sich der BCI als prädiktiv für den Nutzen der endokrinen Therapie – allerdings war das Ergebnis anders als erwartet: Frauen mit hohem BCI profitierten nicht von der zusätzlichen OS. Dagegen hatten Patientinnen mit niedrigem BCI unter Exemestan plus OS nach zwölf Jahren einen absoluten Benefit von 11,6% im brustkrebsfreien Intervall (BCFI). Bei mit Tamoxifen plus OS behandelten Patientinnen belief sich der BCFI-Vorteil auf 7,3%. Ein ähnliches Muster zeigte sich auch für die Untergruppe von Frauen mit HR+, HER2-negativem Brustkrebs: Bei niedrigem BCI belief sich der absolute BCFI-Vorteil unter Exemestan bzw. Tamoxifen jeweils plus OS auf 13,2% bzw. 7,4%; Frauen mit hohem BCI profitierten dagegen nicht. Der prädiktive Nutzen des BCI war unabhängig von Alter, Nodalstatus und zusätzlicher Chemotherapie. „Der BCI ist der erste genomische Test, der den Nutzen der OS bei prämenopausalen Patientinnen vorhersagt“, resümierte O’Regan.
T-DXd: neuer Zweitlinien-Standard
Bis vor kurzem war Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) auf Basis der EMILIA-Studie etablierter Zweitlinien-Standard beim HER2-positiven (HER2+) Brustkrebs, erinnerte Prof. Sara Hurvitz, Los Angeles. Mittlerweile hat Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) den alten Standard aufgrund der überzeugenden Ergebnisse von DESTINY-Breast03 verdrängt und ist die bevorzugte Second-Line-Therapie. In der direkten Vergleichsstudie wurde T-DXd bei 524 Frauen mit inoperablem oder metastasiertem HER2+ Brustkrebs nach einer Vortherapie mit Trastuzumab versus T-DM1 geprüft. Laut der letztes Jahr vorgestellten Interimsanalyse reduzierte T-DXd das Risiko für Progress oder Tod signifikant um 72%. Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS; primärer Endpunkt ) im Kontrollarm betrug 6,8 Monate; im Arm mit T-DXd war der PFS-Median bei Auswertung noch nicht erreicht (HR 0,28; p<0,001).
Auf dem SABCS stellte Hurvitz eine aktualisierte Analyse der Studie zum Gesamtüberleben (OS) mit einem 14 Monate längeren Follow-up vor. Auch bei diesem wichtigen sekundären Endpunkt erwies sich T-DXd dem alten Standard als überlegen: Das Mortalitätsrisiko wurde im Vergleich zu T-DM1 signifikant um gut ein Drittel gesenkt (HR 0,64; p=0,0037); die 2-Jahresrate des OS stieg von nur 69,9% unter T-DM1 auf 77,4%. Die Ereigniskurven trennten sich früh und liefen langfristig auseinander. Laut Update beläuft sich das mediane PFS unter T-DXd auf 28,8 Monate und ist damit mehr als viermal so lang wie im Kontrollarm mit nur 6,8 Monaten (HR 0,33; p<0,000001). Die Gesamtansprechrate konnte durch T-DXd im Vergleich zu T-DM1 mehr als verdoppelt werden (78,5% vs. 35,0%; p<0,0001). Im Median sprachen Patientinnen gut drei Jahre lang auf T-DXd an. Unter T-DM1 betrug die Remissionsdauer nur knapp zwei Jahre. Nebenwirkungen vom Grad 3 und höher traten bei 56,6% bzw. 51,7% der Patientinnen auf. 15,2% bzw. 3,1% erlitten eine interstitielle Lungenerkrankung oder Pneumonitis. „Das Update zeigt einen bemerkenswerten PFS- und OS-Vorteil zugunsten von T-DXd und untermauert dessen Einsatz als Zweitlinien-Standard beim HER2+ Brustkrebs weiter“, resümierte Hurvitz.
Therapiepause bei Kinderwunsch ist sicher
Viele junge Brustkrebs-Patientinnen möchten später noch schwanger werden, sodass der Fertilitätserhalt ausgesprochen wichtig ist. Doch wird oftmals befürchtet, dass eine Schwangerschaft das Rückfallrisiko insbesondere beim HR+ Mammakarzinom erhöhen könnte. Studien und Datenbanken bestätigen diese Bedenken nicht, betonte Prof. Ann Partridge, Boston. Sie wies jedoch darauf hin, dass die Empfängnisbereitschaft während der mehrjährigen adjuvanten endokrinen Therapie abnimmt, da die Frauen bei Behandlungsende bereits deutlich älter sind. Erschwerend kommt hinzu, dass prämenopausale Patientinnen oft zytostatisch behandelt werden, was die ovarielle Funktion weiter verschlechtern kann.
In der in 20 Ländern erstellten POSITIVE-Studie wurde daher erstmals prospektiv geprüft, ob junge Patientinnen mit Kinderwunsch die endokrine Therapie ohne Verschlechterung ihrer Prognose zeitweise unterbrechen können. Die Studie wurde aus ethischen Gründen einarmig konzipiert und schloss 516 median 37-jährige Frauen ein. Alle hatten bereits 18–30 Monate lang eine adjuvante endokrine Therapie erhalten. Nach einer dreimonatigen Auswaschphase wurde die ET bis zu zwei Jahre lang pausiert, um Schwangerschaft, Entbindung und Stillen zu ermöglichen.
Nach einem medianen Follow-up von 41 Monaten hatten 8,9% der Teilnehmerinnen rezidiviert, 4,9% Fernmetastasen entwickelt. Diese Rückfallrate stimmt mit denen der gut charakterisierten TEXT/SOFT-Kohorte überein (9,2%), berichtete Partridge. Nach vier Jahren hatten drei Viertel der Frauen die ET wieder aufgenommen, 8% von ihnen einen Rückfall erlitten oder waren gestorben. Drei Viertel der nach zwei Jahren tumorfreien Frauen waren weiterhin wegen noch bestehendem Schwangerschaftswunsch, aktueller oder kurz zurückliegender Schwangerschaft oder Stillzeit in Therapiepause. 368 der 497 evaluierbaren Frauen (74%) waren – meist innerhalb von zwei Jahren – schwanger geworden – eine Rate, die der in der Allgemeinbevölkerung entspricht. Insgesamt wurden 507 Schwangerschaften und 317 Lebendgeburten registriert. 19% der Schwangeren erlitten eine Fehlgeburt, 3% einen Abort. 8% der Neugeborenen hatten ein zu geringes Geburtsgewicht, 2% Geburtsfehler, die nicht eindeutig therapieassoziiert waren. Die Nachbeobachtung der POSITIVE-Studie wird fortgesetzt, um das langfristige Outcome der Frauen zu ermitteln. Die Studienergebnisse machen laut Partridge klar, dass junge Brustkrebs-Patientinnen im Rahmen der Nachsorge über reproduktionsmedizinische Aspekte aufgeklärt werden sollten.
Neuer oraler SERD
Mit Camizestrant wurde ein oraler SERD (selective estrogen receptor degrader) entwickelt, der sich in der randomisierten Phase-2-Studie SERENA-2 im Vergleich zu dem nur i.m. verfügbaren Fulvestrant als überlegen erwies. Der innovative SERD wurde in drei Dosierungen (75 mg, 150 mg, 300 mg) bei 247 Frauen mit fortgeschrittenem HR+, HER2-negativem Brustkrebs und Progress nach mindestens einer endokrinen Therapie versus Fulvestrant geprüft. Der 300mg-Arm wurde allerdings aus strategischen Gründen vorzeitig beendet, berichtete Dr. Mafalda Oliveira, Barcelona. Etwa die Hälfte der Patientinnen war mit einem CDK4/6-Inhibitor vorbehandelt, ein Drittel wies ESR1 (estrogen receptor 1)-Mutationen auf.
Durch Camizestrant wurde eine signifikante, klinisch relevante Verbesserung des PFS (primärer Endpunkt) erreicht: Unter der 75mg-Dosis überlebten die Patientinnen median 7,2 Monate, unter der höheren Dosierung 7,7 Monate. Im Kontrollarm mit Fulvestrant war das PFS dagegen mit lediglich 3,7 Monaten nur halb so lang (HR 0,58; p=0,0124 bzw. HR 0,67; p=0,0151). Von dem oralen SERD profitierten auch Frauen mit vorheriger CDK4/6-Inhibition, viszeralen Metastasen und ESR1-mutierten Tumoren. Oliveira wies darauf hin, dass Camizestrant zu einer raschen und anhaltenden Abnahme von ESR1-mutierter zirkulierender DNA (ctDNA) unter die Nachweisgrenze führte. Auch Fulvestrant reduzierte diese ctDNA; der Abfall war jedoch weniger stark. Camizestrant wurde gut vertragen; höhergradige Nebenwirkungen und Therapieabbrüche waren selten. Die positiven Daten sprechen für die weitere Evaluation des oralen SERD, betonte Oliveira. Für die beiden Phase-III-Studien SERENA-4 und -6 werden bereits Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs rekrutiert.
Dr. Katharina Arnheim
Quelle: San Antonio Breast Cancer Symposium, San Antonio, 6. bis 10. Dezember 2022