Newsletter

Onkologie

Leukämie
Hämatoonkologische Erkrankungen im Fokus der ASH-Jahrestagung Ende Dezember 2022.
© Colourbox/#226523

ASH-Meeting 2022: Aktuelle Studiendaten zu hämatologischen Malignomen

Bei der Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) 2022, die vom 10. bis 13. Dezember 2022 in New Orleans, Louisiana, USA, stattfand und auch online übertragen wurde, wurden wieder interessante neue Studiendaten zu malignen hämatologischen Erkrankungen vorgestellt, einige davon mit praxisveränderndem Potenzial. Wir haben einige Kongress-Highlights für Sie zusammengefasst.

Restriktive Kost nach Stammzelltransplantation unnötig

Patient:innen mit hämatologischen Malignomen, die eine autologe oder allogene Stammzelltransplantation erhalten, erhalten routinemäßig eine restriktive keimarme Kost – mit dem Ziel, das Infektionsrisiko in der neutropenischen Phase nach der Transplantation zu senken. Allerdings sei dieser Behandlungsstandard bislang nie prospektiv getestet worden, betonte Dr. Federico Stella, Mailand, Italien. Dies randomisiert-kontrollierte italienische Studie NEUTRODIET holte dies nun nach – mit überraschendem Ergebnis.

Wie Stella beim ASH berichtete, erhielten 222 autolog oder allogen transplantierte erwachsene Erkrankte im Rahmen der Studie entweder den Standard einer restriktiven Neutropeniediät oder eine nahezu normale Krankenhauskost. Im ersten Fall waren nur Lebensmittel erlaubt, die über 80°C gekocht oder im Falle von Obst dick geschält waren (nicht erlaubt waren rohes Gemüse und Früchte, Aufschnitt und Wurst, Joghurt, Honig, roher Fisch und rohes Fleisch). Im zweiten Fall waren lediglich rohes Fleisch und roher Fisch verboten. Ergebnis: Die normale Ernährungsweise war der restriktiven in den Wirksamkeitsendpunkten nicht unterlegen, beispielsweise im Hinblick auf die Infektionsraten ≥ Grad 2 (62 % vs. 65 %) oder der Häufigkeit von akuten Graft-versus-Host-Erkrankungen. Der einzige signifikante Unterschied betraf die Lebensqualität: 35% der Patient:innen, die eine nahezu normale Krankenhauskost bekamen, gaben an, die Ernährung schränke ihre Lebensqualität nicht ein, gegenüber 16% unter restriktiver Kost (p=0,0006) [1]. „Die restriktive Diät ist eine unnötige Belastung für die Lebensqualität der Patient:innen“, so Stellas Fazit. Da sich beide Ernährungsformen hinsichtlich ihrer Schutzwirkung gegenüber Infektionen nicht unterscheiden, sei die Normalkost gegenüber der restriktiven Diät zu favorisieren.

Hochrisiko-AML: keine Reinduktion vor allo-SCT bei non-CR nach Induktion

Patient:innen mit Hochrisiko-AML und geplanter allogener Stammzelltransplantation (allo-SCT), bei denen durch die Induktions-Chemotherapie keine komplette Remission (CR) erreicht wurde, werden in der Regel einer Reinduktion mit einer Hochdosis-Chemotherapie unterzogen. So soll die CR vor der allo-SCT doch noch erreicht werden. Die beim ASH präsentierten aktuellen Daten der Phase-III-Studie ASAP der DKMS Clinical Trials Unit, die in in Kooperation mit der Studienallianz Leukämie (SAL) und der Kooperativen Deutschen Transplantationsstudiengruppe durchgeführt wurde [2], stellen dieses Vorgehen nun klar in Frage.

Wie Prof. Johannes Schetelig, Dresden, berichtete, erhielten Patient:innen mit Hochrisiko-AML-und schlechtem Ansprechen nach der Induktion oder Rezidiv entweder die übliche Reinduktion mit hochdosiertem Cytarabin und Mitoxantron (Standardarm, n=137) oder wurden so schnell wie möglich nach der Induktion einer allo-SCT zugeführt (experimenteller Arm, n=139). Zur Überbrückung bis zur allo-SCT wurde beobachtend zugewartet (watchful waiting); falls nötig, war eine niedrig dosierte Chemotherapie erlaubt.

Im Standardarm wurde die allo-SCT nach median 8 und im experimentellen Arm nach median 4 Wochen durchgeführt. Es gab keine relevanten Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich des primären Endpunkts krankheitsfreies Überleben an Tag 56 nach allo-SCT (81,0% im Standard- und 83,5 %im experimentellen Arm; p=0,054). Auch hinsichtlich des Gesamtüberlebens seit Randomisierung unterschieden sich die Gruppen nach einem medianen Follow-up von 37 Monaten nicht. Allerdings ging der Verzicht auf die Reinduktion mit deutlich geringeren Krankenhauszeiten (im Median 19 versus 42 Tage) und weniger Nebenwirkungen ab Grad 3 (23% vs. 64%) einher. Schetelig sprach sich daher für den Verzicht auf dieReinduktionsowie die möglichst rasch durchzuführende Konditionierung und allo-SCT bei AML-Erkrankten mit unzureichendem Ansprechen oder hohem Risiko aus – vorausgesetzt, ein passender Spender ist verfügbar [2].

BTK-Inhibitor Zanubrutinib überzeugend bei CLL

Zanubrutinib ist ein (Bruton-Tyrosinkinase)BTK-Inhibitor, der sich durch eine hohe Selektivität gegenüber seiner Zielstruktur und limitierte Off-Target-Effekte auszeichnet. Seine vor Kurzem erteilte Zulassung für die chronische lymphatische Leukämie (CLL) beruht auf Daten der randomisierten Phase-III-Studie ALPINE bei vorbehandelten Erkrankten mit rezidivierter/refraktärer (R/R) CLL und R/R kleinzelligem lymphozytischen Lymphom (R/R SLL), bei der Zanubrutunib mit dem BTK-Inhibitor Ibrutinib verglichen wurde. Beim ASH wurden die finalen Daten als Late Breaking Abstract präsentiert [4]. Wie Dr. Jennifer R. Brown, Boston, MA, USA, berichtete, war Zanubrutinib Ibrutinib nach einem medianen Follow-up von 29,6 Monaten im Hinblick auf das progressionsfreie Überleben (PFS) überlegen (24-Monats-PFS-Rate 79,5% vs. 67,3%; HR 0,65; p=0,0024). Brown betonte, dass der PFS-Benefit nach 24 Monaten auch die Subgruppe mit del(17p)/TP53-Mutation betraf (77,6% vs. 55,7%; HR 0,52; p=0,0134) [3].

Das Sicherheitsprofil von Zanubrutinib war günstiger als das von Ibrutinib, mit einer niedrigeren Rate an Nebenwirkungen ab Grad 3 (67,3% vs. 70,4%) und an schweren Nebenwirkungen (42,0% vs. 50,0%), die auch seltener zu Dosisreduktionen und Behandlungsunterbrechungen führten. Insbesondere im Hinblick auf das Auftreten kardialer Nebenwirkungen (21,3% vs. 29,6%; schwer ausgeprägt: 1,9% vs. 7,7%) und speziell Vorhofflimmern (5,2% vs. 13,1%) spielt Zanubrutinib seine Überlegenheit aus. [3]. Unter Ibrutunib wurden sechs tödliche kardiale Ereignisse dokumentiert, unter Zanubrutinib dagegen keines.

Addition von Ibrutinib vorteilhaft beim Mantelzell-Lymphom

Die Addition des BTK-Inhibitors Ibrutinib zur Standard-Chemoimmuntherapie-Induktion, gefolgt von autologer Stammzelltransplantation (auto-SCT) und einer zweijährigen Erhaltungstherapie mit Ibrutinib, verbessert signifikant und in klinisch relevantem Umfang das rückfallfreie Überleben (FFS) bei jüngeren Patient:innen mit Mantelzell-Lymphom (MCL) gegenüber Chemoimmuntherapie und auto-SCT alleine (3-Jahres-FFS 88% vs. 72%; HR 0,52; p=0,0008). Das sind die wichtigsten Zwischenergebnisse der TRIANGLE-Studie des Europäischen MCL-Netzwerks mit knapp 900 Erkrankten, die Prof. Martin Dreyling, München, prominent beim ASH präsentierte. In einem zweiten Vergleich konnte gezeigt werden, dass eine auto-SCT Ibrutinib ohne auto-SCT nicht überlegen ist [4].

Dr. Claudia Schöllmann

Quelle: Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) 2022 vom 10. bis 13. Dezember 2022 in New Orleans, Louisiana, USA

Literatur:

  1. Stella F et al. ASH 2022, Abstract 169 und Präsentation.
  2. Stelljes M et al. ASH 2022; Abstract 4 und Vortrag J. Schetelig.
  3. Brown JR et al. ASH 2022, Abstract LBA-6 und Präsentation.
  4. Dreyling M et al. ASH 2022, Abstract 1 und Präsentation.