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Medizin

Urogenitaltrakt
ASCO GU: Tumoren des Urogenitaltrakts im Fokus
© AdobeStock/Matthieu

ASCO GU: Von häufigen und seltenen urogenitalen Tumoren

Unter dem Tagungsmotto „Today’s science, tomorrow’s treatment“ kamen in San Francisco mehr als 5600 Teilnehmer aus aller Welt zum diesjährigen ASCO-GU. Die vorgestellten Studiendaten und Fortbildungssitzungen deckten das gesamte Spektrum urogenitaler Tumoren – vom häufigen Prostatakrebs bis zum seltenen Peniskarzinom – ab.

Peniskarzinom – Checkpoint-Blockade mit moderater Aktivität

In den Entwicklungsländern stellt das Peniskarzinom rund 10% aller Malignome bei Männern; in den Industrieländern tritt es seltener auf, informierte Dr. Talal El Zarif, Boston. Je nach Studie ist bei ein bis zwei Dritteln dieser Tumoren eine PD-L1-Expression, bei bis zu 80% sind tumorinfiltrierende Lymphozyten nachweisbar. Zur Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren (CPI) liegen bislang nur wenige Daten aus Umbrella-Studien und von Fallberichten vor. Um diese Wissenslücke zu schließen, initiierte die Global Society of Rare Genitourinary Cancers (GSRGT) eine internationale Studie, für die an 25 Zentren Daten von 92 Patienten mit lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Peniskarzinomen, die zwischen 2015 und 2022 mindestens eine Gabe eines PD-L(1)-Inhibitors - meist in der zweiten Linie (80%) - erhalten hatten, retrospektiv analysiert wurden. In rund 60% der Fälle handelte es sich um eine Monotherapie mit Pembrolizumab (28%), Nivolumab (17%) oder Cemiplimab (16%), seltener um eine Kombinationstherapie mit Nivolumab/Ipilimumab (Nivo/Ipi) mit oder ohne Cabozantinib.

Das progressionsfreie Überleben (PFS) war mit median 3,2 Monaten nur kurz; das Gesamtüberleben (OS) erstreckte sich über median 9,8 Monate. Auf die CPI-Therapie sprachen insgesamt 13% der Patienten an, davon zwei mit einer kompletten Remission. Die Remissionsraten in der ersten und zweiten Linie waren mit 13% und 12% fast identisch; unter der CPI-Monotherapie lag die Rate bei 8,5%. Auch OS und PFS unterschieden sich in diesen Gruppen nur wenig. Der HPV- (Humanes Papillomavirus) Status hatte keinen Einfluss auf das Outcome der Therapie. Beim OS schnitten Patienten ohne viszerale Metastasen und einer Neutrophilen-Lymphozyten-Ratio (NLR) <5 besser ab als die mit viszeraler Metastasierung und/oder einer NLR >5. Immunbedingte Toxizitäten traten bei 29% der Teilnehmer auf, am häufigsten Hepatitis, Diarrhö/Kolitis und Schilddrüsenfunktionsstörungen. „Damit ist die antitumorale Aktivität der CPI-basierten Therapie beim fortgeschrittenen Peniskarzinom begrenzt; es profitiert nur eine kleine Subgruppe von Patienten“, resümierte El Zarif. Aufgrund der therapiebedingten Nebenwirkungen sollten Patienten vor Beginn einer Kombinationstherapie über das Nutzen-Risiko-Profil aufgeklärt werden.

Pflanzliche Kost: günstig beim Prostatakarzinom

Mehreren Studien zufolge haben einige pflanzliche Lebensmittel – z.B. Tomaten mit ihrem hohen Lycopen-Gehalt – einen günstigen Einfluss auf die Inzidenz und Mortalität des Prostatakarzinoms. Um weitere Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen Ernährungsweise und Verlauf dieses Tumors zu gewinnen, wurde die CaPSURE (Cancer of the Prostate Strategic Urologic Research Endeavor) Studie initiiert, berichtete Dr. Vivien Liu, San Francisco. Rekrutiert wurden 2038 Prostatakarzinomen-Patienten (Stadien T1-T3a), die median 32 Monate nach der Krebsdiagnose Ernährungs-Fragebögen ausfüllten. Gefragt wurde nach dem Konsum von rund 140 Lebensmitteln und Getränken. Anhand der Angaben wurden ein allgemeiner pflanzenbasierter Ernährungsindex und ein Index zu gesunder pflanzenbasierter Ernährung berechnet und mit dem Risiko für Tumorprogress (Rezidiv, Folgetherapie, Knochenmetastasen, tumorbedingter Tod; primärer Endpunkt) und Prostatakarzinom-Rückfall (PSA >0,2 ng/ml  bei 2 konsekutiven Messungen; sekundärer Endpunkt) in Beziehung gesetzt.

Die Nachbeobachtung erstreckte sich über median 7,4 Jahre. In diesem Zeitraum traten 204 Progressionsereignisse auf, davon 169 Fälle eines biochemischen Rezidivs. Männer mit dem höchsten Konsum pflanzlicher Lebensmittel hatten ein um 52% niedrigeres Risiko für einen Tumorprogress und ein um 53% geringeres Rezidivrisiko (HR 0,48; p<0,001 bzw. HR 0,47; p<0,001). Weitere Faktoren wie Rauchen, Tumorstadium oder Grading bei Diagnose, Alkoholkonsum oder Body Mass Index hatten keinen Einfluss auf das Ergebnis. Besonders stark profitierten Männer ab 65 Jahre, bei denen eine gesunde pflanzliche Ernährung mit einem um 59% reduzierten Risiko für ein Rezidiv einherging (HR 0,41; p=0,03). Im nächsten Schritt soll die Beziehung zwischen pflanzenreicher Kost und Prostatakrebs-spezifischer Mortalität untersucht werden. Außerdem soll der Einfluss  pflanzlicher diätetischer Maßnahmen auf die Prostatakrebs-spezifische Lebensqualität im Verlauf  der Erkrankung analysiert werden.

Blasenkrebs: tendenzieller Benefit mit Atezolizumab-Regime

Vom kombinierten Einsatz von CPI und Zytostatika in der Erstlinientherapie des metastasierten Urothelkarzinoms (UC) erhofft man sich aufgrund der gesteigerten Immunmodulation eine höhere Effektivität, erläuterte Dr. Enrique Grande, Houston. So zeigt die Primäranalyse der Phase-III-Studie IMvigor130 in der Tat, dass durch Addition von Atezolizumab zu Platin/Gemcitabin  (Plt/Gem) eine signifikante Verbesserung des PFS (koprimärer Endpunkt) im Vergleich zum Kontrollarm mit Placebo plus Plt/Gem erreicht wurde (HR 0,82; p=0,007). Auch weisen Interimsanalysen auf einen günstigen Trend beim OS hin.

IMvigor130 umfasste über 1 200 Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem UC, die randomisiert eine Erstlinientherapie mit Atezolizumab plus Plt/Gem (Arm A), mit Atezolizumab mono (Arm B) oder mit Placebo plus Plt/Gem erhielten. Laut finaler OS-Analyse führte die zusätzliche Gabe von des CPI zur Chemotherapie zu einer Reduktion des Sterberisikos um relativ 15% - ein Ergebnis, das die geforderte statistische Signifikanz mit einem p-Wert von 0,021 knapp verfehlte (HR 0,85; p=0,023). Das mediane OS verlängerte sich um drei Monate: von 13,4 Monaten in Kontrollarm C auf 16,4 Monate bei Atezolizumab Addition. Nach zwei Jahren lebten noch 32% der Kontrollpatienten und 38% der zusätzlich mit Atezolizumab behandelten Patienten, nach drei Jahren waren es 22% bzw. 26%. Ausgeprägter war der OS-Benefit mit gut acht Monaten bei Patienten, die Cisplatin erhalten hatten (21,5 vs. 13,4 Monate; HR 0,76; Carboplatin: 14,3 vs. 13,4 Monate; HR 0,89). Dagegen fielen keine Unterschiede im OS in Abhängigkeit von der PD-L1-Expression auf. Die Dreierkombination wurde insgesamt gut und ohne unerwartete Nebenwirkungen vertragen. 49 Monate nach Randomisierung des letzten Teilnehmers waren gegenüber der ersten Analyse keine neuen Toxizitäten vom Grad 5 aufgetreten. Die Raten therapiebedingter Toxizitäten vom Grad 3 und 4 waren in beiden Armen mit rund 80% ähnlich. 

Subgruppe profitiert von Atezolizumab mono

Prof. Dr. Aristoteles Bamias, Athen, stellte die OS-Analyse von IMvigor130 zu Arm B mit der Atezolizumab-Monotherapie vor. In der Intent-to-Treat-Population zeigte sich - übereinstimmend mit früheren Auswertungen - kein signifikanter Unterschied zwischen Arm B und Kontrollarm C: Das mediane OS wurde durch Atezolizumab um gut zwei Monate verlängert – von 13,1 Monaten unter der Chemotherapie auf 15,2 Monate (HR 0,98). Nach zwölf Monaten lebten in Arm B noch 57,9%, in Arm A noch 54,6% der Patienten; die 24-Monatsraten des OS betrugen 34,5% bzw. 32,3%. Subgruppenanalysen in Abhängigkeit vom PD-L1-Status machen klar, dass Patienten mit Tumoren ohne oder mit nur geringer PD-L1-Expression (IC0/1 [tumorinfiltrierende Immunzellen 0/1]) nicht von Atezolizumab profitierten: Das OS war mit 13,5 Monaten in Arm B und 12,9 Monaten im Kontrollarm ähnlich. Anders  Patienten mit hoher PD-L1-Expression (IC2/3): In dieser Subgruppe verlängerte sich das OS von nur 16,7 Monaten im Kontrollarm auf 27,5 Monate mit Atezolimab (HR 0,70). Noch stärker war der Benefit des PD-L1-Antagonisten mit einer Reduktion des Sterberisikos um relativ 44% bei den nicht für Cisplatin geeigneten Patienten mit hoher PD-L1-Expression von IC2/3 (18,6 vs. 10,0 Monate;  HR 0,56).

Zudem punktete Atezolizumab bei der Sicherheit:  Therapiebedingte und zum Abbruch führende Nebenwirkungen waren in Arm B seltener als in Arm C. Das günstige Nutzen/Risiko-Verhältnis spricht somit laut Bamias für den Einsatz von Atezolizumab mono in der Erstlinie bei Cisplatin-ungeeigneten Patienten mit mUC und hoher PD-L1-Expression.

Dr. Katharina Arnheim

ASCO Genitourinary Cancers Symposium 2023, San Francisco, 16. bis 19. Februar 2023