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Medizin

Blase, Prostata
Neue therapeutische Ansätze bei Blase und Prostata.
© iStock/Dr Microbe

ASCO GU 2022: Neue Substanzen und Regime bei urologischen Tumoren

Aktuelle Daten zu PARP-Inhibitoren bei Prostatakrebs, Therapie-bedingte Probleme mit der Knochendichte sowie neue und bewährte Ansätze bei Blase und Niere waren unter anderem Themen beim diesjährigen ASCO Genitourinary Cancer Symposium.

mCRPC: erstmals PFS von über zwei Jahren

PROpel ist die erste Phase-III-Studie beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC), in der sich die Kombination von Olaparib und Abirateronacetat mit einer signifikanten Verbesserung des radiologischen progressionsfreien Überlebens (rPFS) unabhängig von Mutationen in den HRR (homologe Rekombinatinonsreparatur)-Genen als erfolgreich erwiesen hat. Rationale für diese Kombination sind präklinische Beobachtungen, dass die PARP-Inhibition die Aktivität neuer antihormoneller Agenzien (NHA) über die Androgenrezeptor-abhängige Transkription steigert, NHA wiederum eine HRR-Defizienz induzieren und so die Sensitivität gegenüber der PARP-Inhibition steigern können, erläuterte Prof. Fred Saad, Montreal. In einer Phase-II-Studie wurde mit dem Regime Olaparib/Abirateron bei mit Docetaxel vorbehandelten mCRPC-Patienten bereits eine Verlängerung des rPFS um 5,6 Monate im Vergleich zur Abirateron-Monotherapie erreicht.

In der Phase-III-Studie PROpel wurde die Kombination als Erstlinientherapie bei fast 800 mCRPC-Patienten mit Abirateron plus Placebo verglichen. Bei knapp 70% der Teilnehmer waren keine Mutationen in den HRR-Genen nachweisbar. In der Prüfarzt-Auswertung führte das Regime Olaparib/Abirateron zu einer signifikanten und laut Saad „klinisch relevanten“ Risikoreduktion für Progress oder Tod um gut ein Drittel: Das mediane rPFS verbesserte sich um 8,2 Monate – von nur 16,6 Monaten im Kontrollarm auf 24,8 Monate. „Das ist das längste rPFS, das wir bislang beim mCRCPC gesehen haben“, kommentierte Saad. Nach zwei Jahren lebten noch 51,4% der kombiniert, aber nur 33,6% der lediglich mit Abirateron behandelten Patienten progressionsfrei (HR 0,66; p<0,0001).

Noch überzeugender fiel das Ergebnis zugunsten von Olaparib/Abirateron mit einer Verbesserung des rPFS um 11,2 Monaten in der verblindeten unabhängigen zentralen Begutachtung aus (27,6 vs. 16,4 Monate; HR 0,61; p<0,0001). Der Benefit im rPFS wurde in allen Subgruppen – unabhängig von Alter, Performance-Status, Metastasenlokalisation, initialem PSA-Wert und HRR-Status beobachtet.

Der Median im Gesamtüberleben (OS) ist in beiden Armen noch nicht erreicht. Eine erste Trennung der OS-Kurven zugunsten von Olaparib/Abirateron zeigt sich ab Studienmonat 22, sodass ein längeres Follow-up nötig ist. Doch ist bereits eine Überlegenheit der Zweierkombination bei der Zeit bis zur ersten Folgetherapie, bis zum zweiten Progress und bei der Ansprechrate festzustellen. Auch wird die Kombination insgesamt gut vertragen; die Lebensqualität war vergleichbar mit der unter der Monotherapie.

Cave: BMD-Abnahme unter ADT

In der Phase-III-Studie PEACE-1 an neu diagnostizierten Patienten mit hormonsensitivem Prostatakarzinom wurde durch Addition von Abirateronacetat/Prednison (AAP) zur Androgendeprivationstherapie (ADT) mit oder ohne Docetaxel eine signifikante OS-Verlängerung im Vergleich zur alleinigen ADT erreicht, erinnerte Dr. Guilhem Roubaud, Bordeaux. Die im Rahmen dieser Studie geplante prospektive Messung der Knochendichte (BMD) nach sechs-, zwölf- und 24-monatiger Behandlung zeigt jetzt, dass Patienten unter der Standardtherapie mit ADT und Taxan unabhängig von der AAP-Zugabe bereits früh in klinisch relevanten Maße Knochenmasse verlieren. „Dieses Ergebnis macht klar, dass es unabdingbar ist, die BMD bei unseren Patienten zu Therapiebeginn und nach Ablauf eines Jahres zu ermitteln und Risikofaktoren für eine Osteoporose zu behandeln“, betonte Roubaud.

Bereits ein Jahr nach Start der Systemtherapie hatte die BMD der Hüfte bei Patienten im Standardarm um 2,5%, im AAP-Arm um 5,6% abgenommen. Roubaud wies darauf hin, dass ein solcher Befund klinisch relevant ist, da bereits ein 2%iger Verlust an Knochenmasse innerhalb eines Jahres das Risiko für eine Low-Trauma-Hüftfraktur deutlich erhöht. Die AAP-Addition zur Standardtherapie muss nicht zwangsläufig zu einer stärkeren BMD-Abnahme führen, da die Konfidenzintervalle der BMD-Daten beider Arme erheblich überlappten. Für diese Annahme spricht auch die Tatsache, dass die Veränderung in der BMD der Hüfte zwei Jahre nach Therapiebeginn mit -5,5% im Standardarm und -5,7% im AAP-Arm vergleichbar ausfiel. „Damit scheint die zusätzliche  AAP-Gabe zur Standardtherapie innerhalb von zwei Jahren keinen zusätzlichen negativen Effekt auf die Knochendichte zu haben“, resümierte Roubaud, wies allerdings auf die Limitationen dieser Analyse wie kurzes Follow-up und geringe Patientenzahl hin.

Innovative Kombination beim Harnblasenkarzinom

Die Prognose von Patienten mit metastasiertem Harnblasenkarzinom ist weiterhin ungünstig, sodass neue Therapieoptionen dringend benötigt werden. Die Kombination von Checkpoint-Inhibitoren (CPI), die heute nach platinbasierter Therapie bereits Standard sind, mit Antikörper-Drug-Konjugaten (ADC) könnte eine sinnvolle Strategie sein, um das Outcome der Betroffenen zu verbessern. Sacituzumab-Govitecan (SG) richtet sich gegen das epitheliale Oberflächen-Antigen Trop-2, das in Urothelkarzinom-Zellen stark überexprimiert wird. In dem ADC ist der humanisierte Anti-Trop2-Antikörper Sacituzumab über einen spaltbaren Linker an den Topoisomerase-I-Inhibitor Govitecan (SN-38) gekoppelt, erläuterte Prof. Petros Grivas, Seattle. In der zulassungsrelevanten Multikohortenstudie TROPHY-U-01 hat die SG-Monotherapie ihre klinische Aktivität bei Patienten, die nach Vortherapien mit Platin und CPI progredient geworden waren, mit einer Ansprechrate von 27% und einem OS von elf Monaten bereits unter Beweis gestellt.  

In Kohorte 3 von TROPHY-U-01 hat sich nun auch die Zweitlinientherapie mit SG plus Pembrolizumab bei 41 CPI-naiven Patienten nach Progress unter platinbasierten Regimen als  erfolgreich erwiesen. Nach einem medianen Follow-up von 5,8 Monaten hatten 14 Teilnehmer (34%) mit einer objektiven Remission (primärer Endpunkt) auf die Kombination angesprochen. Ein Patient erreichte eine komplette Remission. Weitere 13 Patienten (32%) sprachen partiell an; bei elf (27%) gelang eine Tumorstabilisierung, die in vier Fällen mindestens sechs Monate lang anhielt. Die klinische Benefitrate beläuft sich damit auf 61%. Die mediane Zeit bis zum Ansprechen lag bei zwei Monaten; die mediane Remissionsdauer ist derzeit noch nicht erreicht. Das mediane PFS erstreckt sich über 5,5 Monate. Da die Kombinationstherapie zudem ein akzeptables Sicherheitsprofil besitzt, plädierte Grivas für die weitere Evaluierung der ADC/CPI-Kombination beim platinrefraktären metastasierten Blasenkarzinom und in früheren Therapielinien.

Adjuvantes Pembrolizumab beim RCC bewährt sich

Das Update der Phase-III-Studie KEYNOTE-564 spricht für den  anhaltenden Nutzen der adjuvanten Pembrolizumab-Therapie beim klarzelligen Nierenzellkarzinom (RCC). KEYNOTE-564 ist die erste positive Studie zur adjuvanten Checkpoint-Blockade bei fast 1.000 RCC-Patienten mit intermediär hohem oder hohem Rezidivrisiko nach Nephrektomie: Nach zweijährigem Follow-up hatte der CPI zu einer signifikanten Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens (DFS, primärer Endpunkt) im Vergleich zu Placebo um rund ein Drittel geführt (HR 0,68; p=0,001).

Beim ASCO-GU stellte Prof. Toni Choueiri, Boston, eine aktualisierte Auswertung der Studie nach insgesamt 30-monatiger Nachbeobachtung vor. Zu diesem Zeitpunkt hatte der DFS-Benefit zugunsten von Pembrolizumab noch zugenommen (HR 0,68; p<0,0001) und zeigte sich konsistent über alle Subgruppen. Die 2-Jahresrate des DFS stieg von 67,3% im Placeboarm auf 78,3% mit dem CPI. Bei Patienten mit intermediär-hohem Risiko verbesserte sich das DFS um relativ 32% (HR 0,68), bei Hochrisikopatienten um relativ 40% (HR 0,60) und bei M1-Patienten ohne Tumornachweis nach Resektion sogar um 72% (HR 0,28). Die 2-Jahresrate des OS im Gesamtkollektiv beträgt im Pembrolizumab-Arm 96,2% gegenüber nur 93,8% unter Placebo. Gemäß Primäranalyse von KEYNOTE-564 war bei 96,3% der mit Pembrolizumab und 91,1% der Placebopatienten ein unerwünschtes Ereignis dokumentiert worden. Im Verumarm blieb diese Rate in der aktualisierten Analyse konstant; im Placeboarm lag sie bei 91,3%. Auch die Rate an Toxizitäten vom Grad 3/4 unter Pembrolizumab war nach 24 und 30 Monaten unverändert. „Damit spricht das Update von KEYNOTE-564 für den Einsatz von Pembrolizumab als neuem Therapiestandard bei Hochrisikopatienten mit RCC“, resümierte Choueiri.

Dr. Katharina Arnheim

Quelle: 2022 ASCO Genitourinary Cancers Symposium, San Francisco, 17. bis 19. Februar 2022