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Medizin

Symbolbild COVID Kopfschmerz
Schätzungsweise 15 % der Menschen mit einer COVID--Infektion leiden -anschließend an Post-COVID-Beschwerden, wie beispielsweise persistierende Kopfschmerzen.
© AdobeStock/Crystal light

Long-/Post-COVID-Kopfschmerz: Was ist wichtig für die Praxis?

COVID-19 wird inzwischen als Multiorgan-Erkrankung mit einem breiten Spektrum an Symptomen verstanden1. Unter den Symptomen, welche durch das SARS-CoV-2 ausgelöst werden, werden auch vielfach neurologische Beschwerden angegeben. Personen mit vorbestehender primärer Kopfschmerzerkrankung leiden besonders häufig an COVID-19-assoziiertem Kopfschmerz.

Nach einer COVID-19-Infektion können Kopfschmerzen als Symptom über einen längeren Zeitraum andauern oder  neu hinzukommen. Das Phänomen persistierender Be-schwerden ist für andere Infektionserkrankungen, wie beispielsweise Influenza oder das Epstein-Barr-Virus (EBV) bereits bekannt. Die pathophysiologischen Ursachen für dieses Krankheitsbild sind bisher weitestgehend ungeklärt1.

Prävalenz

In bisherigen Studien wird die Prävalenz des Post-COVID-Syndroms unterschiedlich angegeben. Ursächlich hierfür sind vermutlich eine hohe Heterogenität  gewählter Studienkollektive, Begriffsdefinitionen und Methoden. Insgesamt kann angenommen werden, dass ca. 15 % der Personen nach einer COVID-19-Infektion persistierende Symptome  im Sinne eines Long-/Post-COVID-Syndrom beklagen. Sehr häufig kommen Fatigue, Dyspnoe, Leistungseinschränkung, Kopfschmerzen sowie Riech- und Geschmacksstörungen als persistierende  Symptome vor1.

Verlauf

In der Mehrheit der Fälle sind Kopfschmerzen im Rahmen einer akuten COVID-19-Infektion selbstlimitierend. So weisen Studien auf eine durchschnittliche Beschwerdedauer von ca. 14 Tagen hin4,13. Allerdings dauern Kopfschmerzen im Sinne eines Long- und ggf. Post-COVID-Syndroms bei einem gewissen Prozentsatz weiter an.

Diverse Studien zeigen, dass nach einem häufigen Symptomregress in den ersten vier Wochen später nur noch ein leichter Rückgang zu verzeichnen ist und eine Chronifizierung droht. So persistieren laut einer großen Meta-Analyse von Fernández-de-Las-Peñas et al. die Kopfschmerzen nach 30 Tagen noch bei 10,2 % und nach über 180 Tagen bei immerhin 8,4 %14.

Eine ähnliche Dynamik finden Garcia-Azorin et al. für eine multizentrische Kohorte. Hier beklagten 31,1 % nach einem Monat weiterhin Kopfschmerzen, 19,0 % nach drei Monaten und 16,0 % nach neun Monaten13. In Bezug auf den einzelnen Patienten sind persistierende Kopfschmerzen im Sinne eines Long- bzw. Post-COVID-Symptoms wahrscheinlicher, sofern der Patient bereits in der Akutphase Kopfschmerzen hatte. Diese Patienten litten zudem häufiger an Fatigue15.

Phänotyp

Der Kopfschmerz wurde in 60,7 % als täglich und konstant beschrieben mit nur unzureichendem Ansprechen auf  eine analgetische Therapie4. Jedoch geben Caronna et al. in einer Fallserie zu Bedenken, dass sich der Phänotyp des Kopfschmerzes von Patienten mit Post-COVID-Syndrom sehr heterogen präsentieren kann. Daraus schließen die Autoren auf eine Komplexität des COVID-19-assoziierten Kopfschmerzes mit multiplen, unterschiedlichen pathophysiologischen Grundlagen der verschiedenen Phänotypen16. Teilweise wird in der Praxis bei passender klinischer Präsentation die Diagnose eines „Neuaufgetretenen täglichen anhaltenden Kopfschmerz“ (New Daily Persistant Headache, ICHD-3, 4.10) gestellt. Hierbei handelt es sich um eine primäre Kopfschmerzerkrankung, welche charakterisiert ist durch neu aufgetretene, tägliche Kopfschmerzen mit einem klar definierbaren Beginn und einer Dauer von mindestens drei Monaten. Andere Autoren präferieren bei enger temporaler Assoziation der Kopfschmerzen mit der COVID-19-Infektion die Einordnung als „chronischer Kopfschmerz zurückzuführen auf eine systemische virale Infektion“ (ICHD-3, 9.2.2.2.)17.

Behandlungsoptionen

Die Datenlage zur Behandlung persistierender Kopfschmerzen als Post-COVID-Syndrom basiert bislang auf nur wenigen, deskriptiven Studien. García-Azorín et al. untersuchten 100 Patienten, welche durchschnittlich 7,2 Monate nach einer COVID-19-Infektion in einer Kopfschmerzambulanz wegen persistierender Kopfschmerzen behandelt wurden. Nach vorläufigen Ergebnissen war  Amitriptylin das Medikament, welches sowohl am häufigsten verordnet wurde als auch die beste Ansprechrate bot. Bei 45,5 % der Patienten kam es nach acht bis zwölf Behandlungswochen zu einer  Reduktion der Kopfschmerztage um mindestens 50 %.

Weiterhin vielversprechend waren Therapien mit Mirtazapin, Nervenblockaden und Onabotulinumtoxin A-Injektionen, wobei die Aussagekraft  aufgrund von kleinen Fallzahlen hier eingeschränkt ist28. Die Hinweise auf  den Behandlungserfolg mit Amitriptylin werden von einer weiteren Studie von Gonzalez-Martinez et al. gestützt. In diesem Studienkollektiv von 48 Patienten mit Post-COVID-Kopfschmerz kam es unter Behandlung mit Amitriptylin zu einer Reduktion der Kopfschmerztage um durchschnittlich 9,6 Tage nach acht bis zwölf Wochen. Außerdem war der Bedarf an Akutmedikation signifikant zurückgegangen29.

Weiterhin könnten Glukokortikoide als Therapieoption bei persistierendem und therapierefraktärem Kopfschmerz in Betracht gezogen werden. Laut einer Fallstudie aus dem Jahr 2010 konnten neun Patienten mit post-infektiösem New Daily Persistant Headache (NDPH) mittels intravenöser Stoßtherapie mit 1g Methylprednisolon erfolgreich behandelt werden30. Ob sich dieser positive Effekt auch auf persistierende COVID-19-assoziierte Kopfschmerzen übertragen lässt, ist bislang jedoch nicht geklärt.

PD Dr. med. Thorsten Kraya, Dr. Theresa Ehler, Leipzig