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Neurologie-Psychiatrie

Symbolbild Alzheimer
Meilenstein in der Alzheimer-Forschung: Neuer Antikörper soll im frühen Stadium den Verlauf der Erkrankung bremsen.
© AdobeStock/ipopba

Antikörper bei Alzheimer: Erstmals klinischer Nutzen nachgewiesen

Zum ersten Mal konnte ein klinische Studie einen signifikanten klinischen Vorteil für eine Antikörpertherapie bei Alzheimer zeigen. Experten rechnen 2023 mit einer Zulassung für Europa.

Der monoklonale anti-Amyloid-Antikörper Lecanemab kann bei Alzheimer-Patienten im -frühen Stadium den klinischen Krankheitsverlauf signifikant verlangsamen. Das ist das Ergebnis einer Phase-III-Studie, die auf dem Kongress -Clinical Trial on Alzheimer's Disease in San Francisco und zeitgleich im New England Journal of Medicine Ende November 2022 vorgestellt wurde. Frühere klinischen Studien zeigten für die beiden Antikörper Aducanumab und Gantenerumab keinen überzeugenden klinischen Nutzen.

1.795 Patienten mit leichter Demenz oder leichten kognitiven Einschränkungen wurden für die Studie 18 Monate mit Lecanemab oder Placebo behandelt. In der Verumgruppe reduzierten sich die Amyloid-Marker und die kognitiven Fähigkeiten ließen um 27% langsamer nach. An unerwünschten Nebenwirkungen traten unter anderem Hirnschwellungen auf.

Das Besondere an der Studie sei, so Prof. Frank Jessen, Köln, dass es erstmalig gelungen sei, statistisch signifikant zu zeigen, dass die Alzheimer-Erkrankung langsamer voranschreitet, wenn das Amyloid reduziert wird.

Obwohl man diesen Ansatz schon länger beforscht und die Erwartungen hoch waren, gab es viele Rückschläge. Zwar konnte bereits der Antikörper Aducanumab in einer Studie das Amyloid deutlich reduzieren, doch war die klinische Wirksamkeit unklar. „Das hat zu einer umstrittenen Zulassung in den USA von dieser Substanz geführt, nicht aber in Europa.“

Patienten in frühem Stadium eingeschlossen

Ein grundsätzliches Problem besonders der ersten Studien war, das Patienten eingeschlossen wurden, die das klinische Bild der Alzheimerkrankheit zeigten, bei denen aber der biologische Nachweis fehlte. Mit der Zeit wurden Patienten in immer früheren Stadien eingeschlossen: In der Lecanemab-Studie hatten 80% der Patienten noch keine Demenz, sondern nur eine leichte kognitive Störung. Man vermutet, dass die Therapie um so besser wirkt, je früher sie beginnt.

Die Ergebnisse mit Lecanemab sind deswegen ein Meilenstein, weil sie in einer nach besten Standards gemachten Studie zeigen, dass der Antikörper das Amyloid reduziert und den Krankheitsverlauf verzögert. „Das ist in meinen Augen ein Meilenstein in der Alzheimerforschung – ohne Zweifel“, allerdings sei die Therapie nicht kurativ und halte die Progression nicht auf, jedoch schreite sie deutlich langsamer fort. „Das ist aber auch, glaube ich, nach allem, wo wir heute stehen, eine realistische Erwartung an ein Alzheimer-Medikament“, sagt Jessen. Denn die Erkrankung ist sehr komplex und ein Medikament, das nur einen pathologischen Mechanismus adressiert, kann seiner Überzeugung nach keinen stärkeren Effekt erzielen. Das sei wahrscheinlich nur durch Kombinationstherapien möglich.

Nebenwirkungen: Meist vorübergehend und symptomlos

Die Nebenwirkungen sind Hirnödeme und punktuelle Blutungen, vermutlich ausgelöst durch Veränderungen der kleinen Hirngefäße. Die Bilder sehen teilweise für den Kliniker beunruhigend aus, doch haben die Patienten in der Regel keine oder nur leichte Symptome wie Schwindel und die Veränderungen sind nur vorübergehend. In einzelnen Fällen traten epileptische Anfälle auf, in einem Fall kam es bei einem Patienten unter dem Antikörper zu einer tödlichen Hirnblutung, ausgelöst durch eine Lysetherapie wegen Schlaganfall. In einem anderen Fall kam es bei einem Patienten zu einer Hirnblutung, der einen Gerinnungshemmer erhielt.

Es gebe also Nebenwirkungen, die monitoriert werden müssen, und es müsse jetzt untersucht werden, welchen Patienten der Antikörper nicht verabreicht werden dürfe.  Jessen ist zuversichtlich, dass Lecanemab im nächsten Jahr in Europa zugelassen werden wird.

Roland Müller-Waldeck

Quelle: Mediabriefing des deutschen Science Media Center am 30.11.2022: Antikörpertherapien bei Alzheimer – Wo geht die Reise hin?