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Medizin

© Adobe Stock / jarun011

Herzinsuffizienz: Die Rolle der Psyche

Ein Positionspapier der European Association of Preventive Cardiology (EAPC) macht deutlich: Chronische Herzinsuffizienz (CHF) sowie Angst oder Depressionen beeinflussen sich gegenseitig. Gelingt es, die seelischen Belastungen abzubauen, reduzieren sich damit auch verschiedene Risiken der CHF.

Bei beginnender Herzinsuffizienz gleicht der Körper die geringere Pumpleistung des Herzens aus, indem er das sympathische Nervensys­tem aktiviert. Zugleich werden so aber auch inflammatorische Signale ausgelöst, was die Progression der CHF begünstigt. Auch andauernde psychische Belastung und Depressionen lösen entzündliche Reaktionen aus, die teilweise denen der CHF entsprechen. Beide Reaktionen verstärken sich gegenseitig und lassen die Herzerkrankung voranschreiten. Das erklärt, warum in epidemiologischen Studien Depressionen, Wut und soziale Isolation das Risiko für chronische Herzinsuffizienz erhöhen und Metaanalysen diese Ergebnisse bestätigen. Besonders stark belastet sind Patienten mit implantierbarem Kardioverter-Defibrillator (ICD) und linksventrikulären Hilfssystemen (LVAD) – viele von ihnen leiden an Depressionen oder Angst.

Selbstfürsorge stärken
CHF-Patienten müssen gut auf sich achten und für sich sorgen. Bei über der Hälfte der Betroffenen ist die Selbstfürsorge allerdings nur unzureichend. Damit erhöhen diese Patienten ihr Risiko, progredient zu werden, hospitalisiert zu werden oder sogar zu sterben. Die Experten der EAPC sind daher der Meinung, dass kardio­logische Rehabilitationsprogramme auch die Selbstfürsorge der Patienten verbessern sollten. Hierbei waren in einem Cochrane-Review Motivationsgespräche erfolgreicher als gute Ratschläge: Diese Gespräche bestärken den Patienten darin, Verantwortung für sich zu übernehmen.

Was hilft bei Depressionen?
Bei depressiven CHF-Patienten konnten Meta­analysen für die kognitive Verhaltenstherapie nur einen kleinen positiven Effekt feststellen.Hier sind nach Auffassung des Erstautors des Positionspapiers, Prof. Karl-Heinz Ladwig, München, eher unterstützende Therapieformen hilfreich, die einen geschützten Raum schaffen und Ängste auflösen.
Antidepressiva erhöhen die Gesamtsterblichkeit und sind nach Meinung der EAPC sehr vorsichtig einzusetzen. Alternativen seien Johanniskrautextrakt und mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren, mit denen depressive Patienten oft unterversorgt sind.
Besonders wichtig sind Ladwig zufolge niederschwellige Arzt-Patienten-Kontakte, etwa ein zehnminütiges Gespräch einmal im Monat, in dem sich der Arzt nach dem Befinden erkundigt
und nach bedeutsamen Ereignissen im Leben des Patienten fragt.

Therapieziele regelmäßig überprüfen
Da die CHF unaufhaltsam fortschreitet, empfiehlt die ESC, regelmäßig die Therapieziele und die vielleicht unrealistischen Erwartungen des Patienten zu prüfen. Weiterer Tipp von Ladwig: Frühzeitig auch mit Angehörigen über ambulante Palliativpflege sprechen und rechtzeitig eine Patientenverfügung erstellen.

Roland Müller-Waldeck

Literatur: Karl-Heinz Ladwig et al. European Journal of Preventive Cardiology (2022) 00, 1–18; doi.org/10.1093/eurjpc/zwac006