Dr. med. Markus Frühwein, München
Seit Mai 2022 kommt es zu gehäuften Meldungen von Infektionen mit Affenpocken außerhalb der typischen afrikanischen Endemiegebiete, vorwiegend in den USA, England, Spanien, Portugal, Kanada, Belgien und auch in Deutschland, der Schweiz und Österreich, Tendenz weiter steigend. Stand 31.05.2022 wurden mehr als 430 Infektionen weltweit und 21 Infektionen in Deutschland registriert. Auffällig ist die reiseunabhängige Häufung der Erkrankungen. Die Nachverfolgung und damit eine klare Beurteilung des Ausmaßes der Infektionen sind auch aufgrund der langen Inkubationszeit bis zu 3 Wochen schwierig.
Der erste Nachweis von Affenpocken lässt sich auf die Isolierung des Erregers aus dem Blut von Affen mit typischer Pocken-Symptomatik im Jahr 1958 zurückführen. Die erste nachgewiesene Übertragung der Zoonose wurde dann 1970 bei einem Kleinkind im Kongo beobachtet. Im Verlauf wurden vereinzelt importierte Erkrankungen auch außerhalb von Afrika gemeldet, seit 2003 auch in Form von Übertragungen innerhalb des Heimatlandes.
Erreger ist das Monkeypox virus (MPXV), ein Pockenvirus aus der Gattung der Orthopoxviren. Dabei sind die namensgebenden Affen eigentlich ein Fehlwirt für das Virus – der eigentliche Wirt sind diverse Nagetierarten, die vor allem in West- und Zentralafrika vorkommen.
Was der Verbreitung Einhalt gebietet
Das Risiko für das plötzliche Auftreten von Mutationen, die hinsichtlich Übertragung oder Pathogenität besonders gefährlich sein könnten, ist relativ gering, da es sich um ein DNA-Virus handelt. DNA-Viren sind im Vergleich zu RNA–Viren wie Influenza- oder Corona-Viren deutlich stabiler, Mutationen treten seltener auf. Eine Pandemie durch ein mutiertes Affenpockenvirus ist daher eher unwahrscheinlich, und es finden sich aktuell auch keine entsprechenden Hinweise auf eine Mutante als Ursache des Ausbruchs.
Auch die eingeschränkte Übertragungsmöglichkeit des Erregers durch Aerosole macht eine unkontrollierte, weltweite Ausbreitung fast unmöglich. Nach aktuellem Wissensstand ist ein eher intensiver Tröpfchenaustausch bzw. die Übertragung von Körperflüssigkeiten z. B. durch Sexualkontakte für eine Infektion notwendig. Eine Ansteckung durch asymptomatische Patienten in der Inkubationszeit wurde bisher nicht beschrieben, weshalb ein Umgang mit symptomlosen Personen ungefährlich ist.
Darüber hinaus sind wirksame Impfstoffe zur Immunisierung gegen die Erkrankung verfügbar. In Europa liegt allerdings im Gegensatz zu den USA und Kanada kein Impfstoff mit Zulassung für die Indikation Affenpocken vor, sondern ausschließlich gegen die Pocken.
Im vergangenen Jahrhundert führte die Impfung gegen Pocken mit dem Lebendvirus (Vacciniavirus) zu einer sicheren Immunität gegen Infektionen, bei Durchbruchsinfektionen waren die Schwere des Verlaufes und die Mortalität verringert. Dabei besteht auch eine Wirksamkeit gegen die Infektion durch Affenpocken. Durch globale Impfprogramme ließen sich die Pocken als bisher einzige impfpräventable Erkrankung vollständig ausrotten. Seitdem wird nicht mehr gegen Pocken geimpft, und die Immunität in der Gesamtbevölkerung ist entsprechend rückläufig.
Sollten sich die Affenpocken weiter ausbreiten – was unwahrscheinlich ist – wird hoffentlich eine erneute großflächige Immunisierung mit dem damaligen Lebendimpfstoff nicht notwendig sein. Dagegen spricht vor allem die hohe Rate an unerwünschten, teilweise schweren bis letalen Nebenwirkungen.
Impfstoffe und Schutzraten
Aktuell ist der MVA (Modified Vaccinia virus Ankara) unter dem Namen Imvanex in Deutschland zur Impfung gegen Pocken zugelassen. Es handelt sich um einen attenuierten Lebendimpfstoff, bei dem das Vacciniavirus durch mehr als 500 Passagen in Hühnerembryo-Fibroblasten seine Virulenz und vor allem die Fähigkeit zur Replikation eingebüßt hat. Damit ist der Impfstoff deutlich besser verträglich und kann sogar bei immunsupprimierten Patienten eingesetzt werden.
Im Affenmodell ließ sich durch MVA, wie auch durch den alten Lebendimpfstoff, eine gute humorale und zelluläre Immunität gegen Affenpocken mit einer Schutzdauer von mehr als 2 Jahren nachweisen. Eine Impfung scheint auch beim Menschen mit einer Schutzrate von 85% den Ausbruch der Affenpocken zu verhindern, bzw. schwere Verläufe bei Impfdurchbrüchen.
Auch im Notfall, bzw. nach einem potenziellen Risikokontakt, könnte der MVA-Impfstoff gut wirken. Daten aus der Zeit der Pocken-Eradikation zeigen eine hohe Wirksamkeit zur Postexpositionsprophylaxe, wenn der Impfstoff innerhalb von 1–3 Tagen nach der Infektion verabreicht wird. Für den MVA-Impfstoff konnte das nicht unter realen Bedingungen getestet werden. In einer Studie ließ sich zumindest im Tiermodell mit Affen gegen Affenpocken ein rascher Immunitätsaufbau schon nach einer einzelnen Impfung innerhalb von 4 Tagen feststellen.
Für eine vollständige Immunisierung von Ungeimpften werden 2 Dosen subkutan mit 0,5 ml im Abstand von mindesten 4 Wochen verabreicht. Bei vorangegangener Impfung gegen Pocken kann, falls als notwendig erachtet, eine einzelne Impfung (Immunsupprimierte 2 Impfungen mit 4 Wochen Abstand) gegeben werden. Der Impfstoff ist nur für Erwachsene zugelassen und wird gefroren gelagert. Nach dem Auftauen kann er über bis zu 8 Wochen bei 2–8 °C im Dunkeln gelagert werden.
Fazit für die Impfsprechstunde
Panik angesichts einer nächsten pandemischen Bedrohung scheint also nicht angebracht. Trotzdem könnte die Impfung Einzug in die Praxis halten, insbesondere hinsichtlich der Ringimpfungen und Postexpositions-Prophylaxen. Um – wie bereits in der Corona-Pamdemie erlebt – typische Phasen der Verunsicherung sowie überbordenden administrativen Aufwand auf ein Minimum zu reduzieren, wäre eine umfassende und stringente Kommunikation im Hinblick auf Wirksamkeit, Verfügbarkeit, Bezug, Verwendung, Handhabung und auch Abrechnung für Ärzte und Patienten zeitnah wünschenswert, besonders in Form einer bundeseinheitlichen Lösung.