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Medizin

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Was gilt jetzt bei der Gelbfieber-Impfung?

Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat ihre Empfehlungen für die Gelbfieber-Impfung in Deutschland aktualisiert. Damit ist auch der lebenslange sichere Schutz nach nur einer Impfung vom Tisch. Was sollten Sie jetzt bei der Reise-Impfberatung beachten?

Dr. med. Markus Frühwein, München

Ob die Gelbfieber-Impfung wirklich einen lebenslangen Schutz nach einer einzelnen Impfung hinterlässt, wird seit fast 10 Jahren intensiv diskutiert. Die STIKO hat im epidemiologischen Bulletin 32/2022 auf Basis einer breit angelegten Literatur­recherche ihre Gelbfieber-Impfempfehlungen für Deutsch­land angepasst. Im Kern spricht die STIKO jetzt einer ein­zelnen Gelbfieber-Impfung den lebenslangen sicheren Schutz ab. Für die Reise-Impfberatung in der Praxis beutet das eine deutliche Veränderung.

Sinkende Antikörperspiegel
Da die Rolle der zellulären Immunität nach erfolgter Impfung immer noch nicht abschließend geklärt ist, gelten neutralisierende Antikörper weiterhin als der am besten messbare Schutz vor einer Erkrankung. Bei immungesunden Erwachsenen lag in den vorliegenden Studien drei Monate nach der Impfung die Seroprotektionsrate durch neutralisierende Antikörper bei fast 100% der Geimpften. Diese fiel  innerhalb der ersten 10 Jahre auch nur geringgradig ab. Betrachtete man den Zeitraum von 10 bis 20 Jahren nach der Impfung, dann lag die Schutzrate noch bei 71%.
Kinder und Immunsupprimierte (initiales Ansprechen nach 3 Monaten 100% bzw. 92%) zeigten einen deutlich schnelleren Abfall der Seroprotektionsrate. Bei Kindern, die schon vor dem 2. Lebensjahr geimpft worden waren, fiel sie innerhalb von 5 Jahren auf 52%.
Nach erfolgter Auffrischimpfung ließen sich bei Erwachsenen nach 10 bis 20 Jahren noch bei 86% der Geimpften neutralisierende Antikörper nachweisen. Unterschiede zwischen Personen aus Endemie- und Nicht-Endemie­gebieten wurden dabei nicht festgestellt.

Aktuelle STIKO-Empfehlung
Gelbfieber-Impfungen können weiterhin nur in zugelassenen Gelbfieber-Impfstellen durchgeführt werden. Während die WHO allerdings seit 2016 davon ausging, dass eine Impfung in den meisten Fällen eines lebenslangen Schutz bietet – und Gelbfieberzertifikate auch mit entsprechender Gültigkeit ausgestellt werden können –, sind die Einschätzungen heute anders. Die STIKO empfiehlt jetzt für alle nur einmalig geimpften Personen eine zweite Impfung bei erneuter Exposition, wenn die erste Impfung mindestens 10 Jahre zurückliegt. Das gilt auch für Laborpersonal im Rahmen der beruflichen Indikation. Auch wenn diese Impfung nicht erfolgt, bleiben die internationalen Gelbfieber-Zertifikate weiterhin gültig, da sich an den Internationalen Gesundheitsvorschriften (international health regulations, IHR) nichts geändert hat. Weitere Impfungen sind nicht empfohlen. Für einige Personengruppen sind auch kürzere Impf-Intervalle sinnvoll.

Schwangerschaft und Stillzeit
In einer Schwangerschaft stellt die Gelbfieber-Impfung als Lebendimpfung eine relative Kontraindikation dar: Bei unvermeidbarem Expositionsrisiko kann die Impfung nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung verabreicht werden. Da das Impfvirus über die Muttermilch übertragen werden kann und damit die Gefahr einer Enzephalitis beim Kind besteht, sollten Stillende insbesondere dann nicht geimpft werden, wenn das gestillte Kind jünger als 6 Monate ist. Doch auch bei älteren Kindern sollte die Impfung der Stillenden möglichst
vermieden werden.
Ist die erste Impfung in der Schwangerschaft erfolgt, empfiehlt die STIKO jetzt bei entsprechendem Expositionsrisiko eine erneute Impfung, unabhängig davon, wie lange die Erstimpfung zurückliegt, da in der Schwangerschaft eine abgeschwächte Impfantwort auf die Gelbfieber-Impfung zu erwarten ist. Danach ist keine weitere Impfung mehr notwendig.  

Immunsuppression
Ähnlich wie in der Schwangerschaft sollte auch bei erfolgter Impfung unter Immunsuppression bei erneuter Exposition eine weitere Impfung gegeben werden. Hier rät die STIKO auf Basis
einer individuellen Entscheidung im Hinblick auf fortgesetzte Immunsuppression/Exposition auch zu weiteren Impfungen. Eine serologische Kontrolle wird nicht empfohlen.

Konsequenzen für die ärztliche Praxis
In der Praxis ist man durch die Änderung mit einem hohen Aufklärungsbedarf für Reisende konfrontiert. Auf der einen Seite muss man klarstellen, warum die Gelbfieberimpfung, die man gerade noch mit einem „lifelong“-Stempel versehen hatte und deren lebenslange Wirksamkeit für viele auch ein schlagendes Impfargument war, plötzlich doch nicht den versprochenen Schutz bietet. Zum anderen ist die komplexe Situation zu erklären, dass nach internationalen Vorgaben die Gültigkeit eines neu ausgestellten oder schon bestehenden
Gelbfieberzertifikates weiterhin lebenslang besteht, auch wenn die Schutzwirkung eigentlich unzureichend ist. Dies alles trägt  sicher nicht unbedingt zur Vertrauensbildung bei der Gelbfieber-Impfstrategie bei.
Selbst wenn das Risiko für eine Infektion mit Gelbfieber insgesamt für Reisende eher als gering einzuschätzen ist, sollten wir in der Reiseberatung auf einen sicheren Schutz drängen und die STIKO-Empfehlung, auch im Hinblick auf das geringe Nebenwirkungsrisiko einer zweiten Gelbfieberimpfung, konsequent umsetzen. Zwar sind mit der ersten Impfung alle formalen Kriterien für die Reise in Gelbfieber-Risikogebiete erfüllt, doch liegt die Priorität hier auf dem Schutz der Reisenden.