Dr. med. Markus Frühwein, München
Auch wenn die erreichten Impfquoten bei der SARS-CoV-2-Impfung in Deutschland häufig als unbefriedigend dargestellt werden – eigentlich schauen hierzulande die Impfquoten gegen das Coronavirus gar nicht so schlecht aus. Über 82% der Erwachsenen unter 60 Jahren und über 92% der Älteren sind inzwischen vollständig grundimmunisiert. Das sind Zahlen, die wir uns bei anderen Impfungen wie etwa gegen Influenza nur sehnlichst wünschen können!
Mit vertrautem Impfstoffkonzept Skeptiker gewinnen?
Dennoch muss man konstatieren, dass hier immer noch 14,4 Millionen (ca. 17%) Menschen, denen die Impfung empfohlen wird, noch nicht geimpft sind. Hier spielen teilweise auch Vorbehalte gegen neue Impfstoffkonzepte wie bei den mRNA- und Vektorimpfstoffen eine Rolle. Daher schwingt bei der Neuzulassung eines COVID-Impfstoffes auf Basis bekannter Impfstofftechnologie auch immer die Hoffnung auf höhere Durchimpfungsraten mit.
Inaktiviert und adjuvantiert
Bei VLA2001 (Hersteller: Valneva) handelt es sich um einen inaktivierten und adjuvantierten Ganzvirus-Impfstoff gegen SARS-CoV-2. Ganzvirus-Impfstoffe werden seit Jahrzehnten verwendet, beispielsweise für Influenza, FSME oder Hepatitis A. Zu berücksichtigen ist hier, dass die Verwendung eines bekannten Herstellungsverfahrens nicht automatisch auch zu einem vergleichbaren Sicherheitsprofil führt. Durch die Nutzung der bekannten Vero-Zell-Plattform bei der Herstellung lässt sich der Impfstoff verhältnismäßig einfach an neue Coronavirus-Varianten anpassen.
Impfschema
Seit Juni 2022 gibt es nun für den neuen Ganzvirus-Impfstoff eine Standardzulassung in der Europäischen Union für die Verwendung als Erstimpfung bei Erwachsenen zwischen 18 und 50 Jahren.
Der Impfstoff ist in Mehrdosendurchstechflaschen, die 10 Dosen zu je 0,5 ml enthalten, verfügbar. Eine Dosis enthält 33 Antigeneinheiten inaktiviertes SARS-CoV-2-Virus. VLA2001 wird in einem Zwei-Dosis-Schema zur Grundimmunisierung intramuskulär angewendet. Die zweite Dosis sollte 28 Tage nach der ersten Dosis verabreicht werden.
Neue Aduvanzien-Kombination für verstärkte T-Zell-Antwort
Interessant ist der Ansatz auf jeden Fall, da durch die Verwendung des ganzen Virus eine breite Immunantwort erreicht werden kann, die neben dem Spike(S)-Protein auch gegen andere Bestandteile wie das M- und N-Protein des Virus gerichtet ist.
Um eine adäquate Ausprägung der Immunantwort zu erreichen, sind jedoch Adjuvanzien notwendig. Für VLA2001 wird hier das in vielen Impfstoffen genutzte Aluminiumhydroxid mit dem weniger gängigen CpG 1018 kombiniert.
Auch wenn der Impfstoff als inaktivierter Ganzvirus-Impfstoff einem bereits bei vielen Impfstoffen verfolgten Konzept folgt, ist die Adjuvanzienkombination neu. Wer sich intensiver mit dem Thema Impfstoffe auseinandersetzt, kennt CpG 1018 eventuell vom adjuvantierten Hepatitis-B-Impfstoff Heplisav.
Durch die Kombination der beiden Adjuvanzien wird, im Vergleich zur Verwendung von einem der Einzelstoffe, eine nachweislich verstärkte T-Zell-Immunantwort gegen COVID-19 induziert. CpG 1018 stimuliert dabei die Entwicklung von Untergruppen der T-Helferzellen, die schlecht auf Aluminiumhydroxid ansprechen.
Durch die Nutzung der Vero-Zell-Plattform bei der Herstellung lässt sich der Impfstoff verhälnismäßig einfach an neuen Coronavirus-Varianten anpassen.
Wildtyp oder neue Varianten: Ganzvirus-Vakzine nimmt alle ins Visier
Der neue SARS-CoV-2-Impfstoff wirkt sowohl auf den ursprünglichen Wildtyp des Coronavirus als auch auf die Delta- und Omikron-Variante neutralisierend. In allen klinischen Studien zeigte sich eine sehr gute Verträglichkeit, und es wurden keine Sicherheitsbedenken festgestellt. In einer Phase-III-Studie mit mehr als 4.000 Teilnehmenden ließ sich eine höhere Immunantwort bei besserer Verträglichkeit erreichen als bei dem in der Studie genutzten Vergleichsimpfstoff Vaxzevria.
Die Anwendung bei Kindern und Jugendlichen wird derzeit noch erforscht. Für über 50-Jährige liegen bislang noch keine ausreichenden Daten vor.
Als Booster geeignet?
Für die Verwendung als Boosterimpfstoff nach anderen Impfungen besteht aktuell noch keine Zulassung. Bisher konnte die Wirksamkeit nur im Rahmen einer homologen Impfserie nach Grundimmunisierung mit VLA2001 nachgewiesen werden. Hier wäre eine Auffrischimpfung 7–8 Monate nach Abschluss der Grundimmunisierung sinnvoll. Studien zur Boosterwirkung bei heterologem Impfschema nach Grundimmunisierung mit mRNA- oder Vektor-Vakzinen bzw. nach einer natürlichen Infektion laufen derzeit.
Damit macht der Impfstoff im Rahmen der aktuellen Vorgaben nur für bisher Ungeimpfte Sinn. Hier kann die Ganzvirus-Impfstoffbasis unter Umständen ein gutes Argument für eine Impfung gegen SARS-CoV-3 sein und die Akzeptanz erhöhen. Wann und ob der Impfstoff in Deutschland verfügbar sein wird, ist im Moment nicht absehbar. Jede Erweiterung des Impfstoffportfolios wäre aber für höhere Durchimpfungsraten sicher sinnvoll.