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Medizin

Lymphom
Das DLBCL ist der häufigste Vertreter der aggressiven B-Zell Non-Hodgkin-Lymphome mit jährlich etwa 5.100 Neuerkrankungen in Deutschland.
© AdobeStock/Kateryna Kon

Aktuelle Therapiestrategien bei aggressiven Lymphomen

Das Therapieziel des diffus großzelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL) in der Erstlinie ist kurativ und erfolgt alters- und risikoadaptiert. Im Rezidiv rücken vermehrt immunologische Therapieansätze in den Vordergrund. Ein Überblick über das stadiengerechte Vorgehen

1. Erstlinientherapie

Die Erstlinientherapie der DLBCL erfolgt alters- und risikoadaptiert mit 4–8 Zyklen der Immun-Polychemotherapie R-CHOP. Für die Risikoeinteilung hat sich der International Prognostic Index (IPI) etabliert, in dem das Alter (>60 Jahre), das Ann Arbor Stadium (III oder IV), die Anzahl der Extranodalbefälle (>1 Extranodalbefall), der Allgemeinzustand (ECOG >1) und ein erhöhter LDH-Wert jeweils einen Risikofaktor darstellen.

Da die Anzahl der Extranodalbefälle für junge Patienten keinen Risikofaktor darstellt, wird für diese Patienten häufig der altersadjustierte aaIPI herangezogen, bei dem das Alter und die Anzahl der E-Befälle nicht berücksichtigt werden.

Während Patienten mit niedrigem IPI eine exzellente Prognose haben (4-Jahres progressions-freies Überleben (PFS) 94%, 4-Jahres Gesamt-überleben (OS) 94%), ist die Prognose bei Patienten in fortgeschrittenen Stadien mit Hochrisiko-IPI ungleich schlechter (4-Jahres PFS 53%, 4-Jahres OS 55%)1.

Patienten ≤ 60 Jahre ohne weitere Risikofaktoren (aaIPI 0, kein Bulk) werden aufgrund der exzellenten Daten der Flyer-Studie nur noch mit 4 Zyklen R-CHOP + 2 x R behandelt. Diese verkürzte Therapie war der vorherigen Standard-therapie mit 6 Zyklen R-CHOP im 3-Jahres-PFS (96% vs. 93%) und 3-Jahres-OS (99% vs. 98%) nicht unterlegen und stellt somit den neuen -Therapiestandard für diese Patienten dar2.

Junge Patienten mit einem aaIPI von 1 oder aaIPI von 0 mit Bulk sollten mit 6 Zyklen R-CHOP-21 therapiert werden. Eine Therapie-intensivierung auf 14-tägige Intervalle zeigte keinen Vorteil in der UNFOLDER-Studie3. Der internationale Therapiestandard für Hochrisikopatienten mit einem aaIPI von 2 oder 3 besteht aus 6–8 Zyklen R-CHOP-21. Der Standardarm der MEGA-CHOEP-Studie mit 8 Zyklen R-CHOEP-14 definiert den derzeitigen Therapiestandard in Deutschland4.

Bei älteren Patienten > 60 Jahren erwiesen sich 6 Zyklen R-CHOP-14 oder R-CHOP-21 als gleichwertig5,6. Insbesondere > 75-Jährige haben jedoch eine erhöhte Therapie-assoziierte Hämatotoxizitäts-, Infektions- und Mortalitätsrate, sodass im Zweifel dem 3-wöchigen Intervall der Vorzug gegeben werden sollte7. Bei Patienten über 80 Jahre sollte der Einsatz des dosisreduzierten R-Mini-CHOP Regimes erwogen werden.

Antikörper-Wirkstoff-Konjugate

Nachdem sich seit Einführung des monoklonalen Antikörpers Rituximab keine neue Substanz mehr in der Erstlinienbehandlung des DLBCL durchsetzen konnte, zeichnet sich aktuell jedoch eine Etablierung neuer Therapiestandards ab.

In der randomisierten Phase-III-Studie POLARIX wurde der Einsatz des neuen Antikörper-Wirkstoff-Konjugates Polatuzumab-Vedotin in der Primärtherapie evaluiert. Der gegen CD79b gerichtete Antikörper ist kovalent mit einem Mitosehemmstoff gebunden und wird nach Andocken von der Lymphomzelle internalisiert. Die Patienten erhielten entweder 6 Zyklen der Kombination aus Polatuzumab + R-CHP oder den Vincristin-haltigen Standard R-CHOP gefolgt von 2 Zyklen Rituximab. Für den Polatuzumab-Arm zeigte sich eine Überlegenheit im 2-Jahres-PFS (76,7% vs. 70,2%; HR 0,73; p=0,02), während sich für das OS nach der kurzen Nachbeobachtungszeit von median 28 Monaten bislang kein Vorteil zeigte (88,7% vs. 88,6%; p=0,75).

Subgruppenanalysen weisen vor allem auf eine Wirksamkeit bei Patienten > 60, mit IPI > 2 und mit dem activated-B-cell (ABC)-like GenexpressionsProfil hin8.

Konsolidierende Strahlentherapie

Die Rolle der konsolidierenden Strahlentherapie beim DLBCL wird kontrovers diskutiert. Die aktuelle klinische Praxis basiert zum großen Teil auf retrospektiven Studien. Das Ganzköper-PET-CT-Staging hat posttherapeutisch einen anerkannten Stellenwert. PET-positive Läsionen sollten einer konsolidierenden „Involved-Field“-Bestrahlung zugeführt werden.

Patienten, welche nach Abschluss der Chemotherapie PET-positive Läsionen hatten, erreichten nach Bestrahlung ein annähernd vergleichbares 3-Jahres-OS wie PET-negative Patienten (80%
vs. 87%)9.

2. Rezidivtherapie

Im weiteren Verlauf kommt es je nach IPI-Score bei 5–45% der Patienten zu einem Rezidiv. Darunter haben insbesondere diejenigen, die einen Rückfall innerhalb von 12 Monaten nach Erst-diagnose erleiden (POD12) oder primär Chemotherapie-refraktär sind, eine besonders schlechte Prognose.
Ältere Patienten

Für ältere Patienten, welche für eine aPBSCT nicht infrage kommen, ist das Therapieziel mit alleiniger konventioneller Immunochemotherapie palliativ. In dieser Situation stellen die Therapieregime R-Gem/Ox oder neuerdings auch Polatuzumab-BR wirksame Optionen dar.

Tafasitamab, ein gegen CD19 gerichteter Antikörper, erwies sich in der Kombination mit Lenalidomid als wirksame Therapieoption im rezidivierten DLBCL.  In der L-MIND-Studie zeigten sich eine Gesamtansprechrate von 57,5% (CR-Rate 40%) und eine mediane Ansprechdauer von 43,9 Monaten. Das mediane PFS und OS war mit 11,6 bzw. 33,5 Monaten vielversprechend, allerdings waren primär refraktäre Patienten ausgeschlossen16. Die Kombination ist inzwischen von der EMA für Patienten zugelassen, die nicht für eine aPBSCT infrage kommen.

Jüngere Patienten

Für Patienten in gutem Allgemeinzustand ist die Salvage-Therapie mit 3 Zyklen R-DHAP oder R-ICE gefolgt von einer konsolidierenden Hochdosis-Chemotherapie (z.B. BEAM) mit autologer Stammzelltransplantation (aPBSCT) weiterhin Therapie der Wahl. Die Ergebnisse dieser intensiven Therapie sind aber gerade bei der oben beschriebenen POD-12-Patientengruppe kaum zufriedenstellend. Nur etwa 20% der POD-12--Patienten erreichen langfristige Remissionen und primär refraktäre Patienten sprechen häufig überhaupt nicht mehr an.

Immunologische Therapieansätze

CAR-T-Zell-Therapie: Seit ihrer Zulassung im Jahr 2018 stehen mit Tisagenlecleucel und Axicabtagen-Ciloleucel in Deutschland derzeit zwei Produkte mit kurativem Potenzial ab dem -2. Rezidiv zur Verfügung.

Auf der letzten ASH-Jahrestagung wurden gleich drei Phase-III-Studien vorgestellt, die den Einsatz von CAR-T-Zellen bereits in der 2. Linie mit dem bisherigen Standard der aPBSCT verglichen. In den drei ähnlich aufgebauten Studien wurden Hochrisikopatienten mit primär refraktärer Erkrankung oder Frührezidiv nach < 12 Monaten eingeschlossen.

In der ZUMA-7 Studie hatten die Patienten, die Axicabtagen-Ciloleucel (Axi-Cel) erhielten, ein signifikant verlängertes ereignisfreies Überleben (EFS) im Vergleich zum Kontrollarm mit aPBSCT (median 8,3 Monate vs. 2 Monate, 2-Jahre-EFS-Rate 41% vs. 16%; HR 0,40; p<0,001). Zudem gab es einen Trend zu einem verbesserten Gesamtüberleben im experimentellen Arm (2-Jahres-OS 61% vs. 52%)10.

Auch in der TRANSFORM Studie, in der das Produkt Lisocabtagene Maraleucel (Liso-Cel) zum Einsatz kam, war das EFS im CAR-T-Zell-Arm (median 10,1 vs. 2,3 Monate) ebenso wie das mediane PFS (14,8 vs. 5,7 Monate; HR 0,406; p=0,0001) signifikant überlegen11. Im Gegensatz zur ZUMA-7-Studie war hier eine Bridging-Therapie gestattet.

Die guten Ergebnisse der beiden genannten Studien konnten für Tisagenlecleucel (Tisa-Cel) in der Belinda-Studie nicht gezeigt werden. Das mediane EFS (3 Monate in beiden Armen; HR 1,07; p=0,61) war ebenso wie die Gesamtansprechrate (46,3% Tisa-Cel vs. 42,5% Standard-arm) in beiden Armen vergleichbar12.

Eine Überlegenheit der CAR-T-Zell-Therapie in der Zweitlinie belegen somit zwei Studien, wohingegen die Belinda-Studie dieses Ziel nicht erreichte. Neben der deutlich längeren Zeit bis zur Applikation der CAR-T-Zellen in der Belinda--Studie (52 Tage vs. 29 Tage in der ZUMA-7--Studie) und einem etwas unterschiedlichen -Studiendesign spielen hier möglicherweise auch konstruktspezifische Faktoren eine Rolle. Für Hochrisikopatienten wird die CAR-T-Zell -Therapie mit Axi-Cel und Liso-Cel damit erwartbar in die Zweitlinie vorrücken. Eine Zulassung für das erste Rezidiv liegt bisher jedoch noch nicht vor.

Aber auch im Rahmen der bisherigen Indikation belegen längerfristige Nachbeobachtungen den nachhaltigen Stellenwert der CAR-T-Zellen. So liegen für Tisa-Cel inzwischen 5-Jahres-Daten vor, welche eine Gesamtansprechrate von 58% (CR 46%) und ein 5-Jahres-PFS von 31% zeigen, wohlgemerkt bei Patienten mit median 5 Vortherapien13.

Rezidive nach CAR-T-Zellen gehen z.T.  mit einem Antigenverlust von CD19 einher. Die Prognose ist in dieser Situation stark limitiert. Mögliche Optionen sind PD-1-Inhibitoren, Bestrahlung oder Lenalidomid-basierte Therapien14. Neue gegen CD19 und CD20 gerichtete Tandem-CAR-T-Zellen sind derzeit in früher klinischer Erprobung15.

Bispezifische Antikörper: Sie zeichnen sich im Vergleich zu den CAR-T-Zellen durch ihre sofortige Verfügbarkeit aus. Therapieverzögerungen durch den mehrwöchigen Herstellungsprozess der CAR-T-Zellen können bei hochproliferativen Erkrankungen problematisch sein. Glofitamab, ein T-Zell-rekrutierender CD3/CD20-Antikörper zeigt in einer Phase-I-Studie bei refraktären Patienten vielversprechende Ergebnisse. So lag die Gesamtansprechrate bei 53,8% (CR-Rate 36,8%) bzw. bei 65% (CR-Rate 57,1%) mit der vorgesehenen Phase-II-Dosierung17.

Auch der in der Wirkungsweise gleiche, aber subkutan zu verabreichende bispezifische Antikörper Epcoritamab bestätigte die Wirksamkeit dieser Substanzklasse (Gesamtansprechrate 68% und CR-Rate 45% bzw. 88% und 38% in der Phase-II-Dosis)18. Ob sich diese Phase-I-Daten aber in großen Phase-III-Studien bestätigen lassen und Langzeitremissionen induziert werden können, muss abgewartet werden.

Fazit: Durch die rasante Entwicklung der letzten Jahre vor allem im Bereich der Immuntherapien und Zulassung weiterer gezielter Substanzen ist zu erwarten, dass die Behandlungsergebnisse in Patienten mit DLBCL weiter verbessert werden können.

Problematisch sind allerdings nach wie vor primär refraktäre und POD12-Patienten, welche auch mit CAR-T-Zellen insgesamt nur ein moderates Gesamt-überleben aufweisen. Für solche Hochrisiko-Patienten werden weitere neue Therapiekonzepte dringend benötigt.

Dr. med. Gabriel Scheubeck, Dr. med. Christian Schmidt, Prof. Dr. med. -Martin Dreyling
Medizinische Klinik und Poliklinik III, LMU München

E-Mail: martin.dreyling(at)med.uni-muenchen(dot)de

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