Im Jahr 2020 kam unsere damals 79-jährige Patientin der Impfempfehlung gegen Herpes Zoster nach. Die bisher hautgesunde Dame bemerkte circa vier Wochen nach der ersten Impfung das Auftreten von schuppenden, geröteten Hautveränderungen an beiden Unterschenkelstreckseiten. Nachdem diese über 12 Monate mit verschiedensten Verdachts-diagnosen nicht durch diverse topische Therapien zu bessern waren, wurde eine Probebiopsie zur Diagnosestellung durchgeführt.
Histologie
Feingeweblich zeigt sich eine konfluente Parakeratose mit Hyperkeratose, ohne Nachweis von Pilzmaterial. Das Stratum granulosum fehlt, bei gleichmäßiger Verbreiterung der Epidermis, oberhalb dilatierter, gewundener Kapillaren. Diese sind verantwortlich für ein klinisch diagnostisches Phänomen. Nach Abkratzen der parakeratotischen Hornschicht mit einem Holzspatel und Eröffnung dieser dicht unter der verdünnten Epidermis liegenden Kapillaren ist eine punktförmige Blutung zu beobachten, das Auspitz-Phänomen. Des Weiteren zeigen sich feingeweblich ein leichtes Papillen-ödem sowie ein eher schütteres oberflächliches perivaskuläres Entzündungsmuster mit Lymphozyten. Wie bei jeder Dermatose durchläuft auch die Läsion der Psoriasis verschiedene Lebensphasen – lives of lesions –, hier jedoch kommt histologisch ein recht typisches Muster einer älteren Manifestation zur Darstellung.
Diagnose
Die Schuppenflechte gehört zu den psoriasiformen Dermatosen und ist eine chronisch-rezidivierende, entzündliche Hauterkrankung die nach neuesten Erkenntnissen zu den immune-mediated inflammatory diseases (IMID) gerechnet wird. Zwischen 1 und 3% der Weltbevölkerung sind davon betroffen. Die Erkrankung kann durch eine Vielzahl unterschiedlicher Umweltfaktoren, insbesondere Infektionen und Medikamente, provoziert werden oder erneut exazerbieren. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Berichte über ein Neuauftreten und/oder eine Exazerbation der Psoriasis nach Impfung, so dass hier eine Assoziation möglich ist. Die Psoriasis wird nach klinischem Erscheinungsbild in mehrere Subtypen klassifiziert. Allein die Psoriasis vulgaris wird in den Plaque-Typ, den exanthematischen Typ (Psoriasis guttata) und die Psoriasis inversa unterteilt. Für all diese Varianten sowie auch die palmoplantare und die Psoriasis capitis wurde ein Auftreten oder ein flare-up nach Impfung beschrieben, vorwiegend bei Influenza. Nicht selten tritt die exanthematische Variante, eine Psoriasis guttata, nach einer Schutzimpfung gegen Tuberkulose auf, auch nach einer H1N1-Influenza-Impfung wurde das Phänomen beschrieben. Publizierte Berichte über das Auftreten einer Psoriasis vulgaris nach Herpes Zoster-Impfung gibt es bisher nicht.
Pathogenese
In etwa 40 Prozent der Fälle kommt die Psoriasis familiär gehäuft vor, es findet sich ein Bezug zu Merkmalen des HLA-Systems (HLA-Cw6 und -DR7). Die Patienten sind bei Erkrankungsbeginn typischerweise in der zweiten bis dritten Lebensdekade. Diese Form wird auch als Typ-1-Psoriasis bezeichnet. Bei der Typ-2-Psoriasis fehlen familiäre Häufung und HLA-Assoziation. Der Gipfel der Erstmani-festation liegt hier eher in der fünften bis sechsten Lebensdekade.
Die genaue Pathogenese ist bisher unbekannt. Nach der heutigen Auffassung hat das Zusammenspiel von angeborener und erworbener Immunität eine zentrale Bedeutung. Bei der Erstmanifestation und bei Krankheitsschüben kommt es zu einer Aktivierung von besonderen dendritischen Zellen (DZ) in der Epidermis und Dermis, die unter anderem über eine Produktion der Botenstoffe TNFa und IL-23 die Entwicklung besonderer Subgruppen von T-Zellen (Th1 und Th17) fördern. Diese T-Zellen bilden ihrerseits Mediatoren, die zu den vaskulären und epidermalen Veränderungen der Psoriasis beitragen. Zentrale Zytokine der psoriatischen Entzündungskaskade sind die Interleukine 17, 22 und 23 sowie TNF. Es ist bekannt dass die Influenza-Vakzine Immunantworten via TH1 und TH17 Helfer-Zellen generiert, möglicherweise somit der Mechanismus für die Entstehung der Vakzinierungs-induzierten Psoriasis.
Die zweite Impfung erbrachte hinsichtlich der nun bereits bestehenden Hautveränderungen keinerlei Besserung oder Ausbreitung.
Therapie
Die Therapie der Erkrankung sollte unter Beachtung der Leitlinien erfolgen. Topische und systemische Therapiemöglichkeiten stehen zur Verfügung, wobei das Spektrum der bewährten Systemtherapien durch die Medikamentengruppe der Biologika erweitert wurde. Mit diesen können auch bei bisher nicht (mehr) ausreichend behandelbaren Patienten ein guter Hautzustand und eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden. Eine alleinige Lokaltherapie kann bei einer leichten bis mittelschweren Psoriasis – wie in unserem Fall – zu einem ausreichenden Therapieerfolg führen.Nach wie vor stellen topische Kortikoide der Wirkstärke II und III die am häufigsten angewendeten Medikamente zur Therapie der Psoriasis dar. Zur Vermeidung kortikoidtypischer Nebenwirkungen wie Hautatrophie sollte keine langfristige Therapie (>6 Wochen) ohne Unterbrechung durchgeführt werden. Vitamin-D3-Analoga (Calcipotriol, Tacalcitol) haben in den letzten Jahren einen großen Stellenwert erreicht. Ein Kombinationspräparat aus dem Vitamin-D3-Analogon Calcipotriol und einem mittelpotenten Kortikoid wird sehr erfolgreich und vielfach als „first line“-Therapie verwendet. Das Präparat kann einmal täglich angewendet werden, Effektivität und Sicherheit/Verträglichkeit sind hoch. Auch unsere Patientin ist hierunter momentan zur völligen Abheilung gekommen, wobei sie nun zeitgleich den vollen Herpes Zoster-Impfschutz genießt.
Prof. Dr. med. Claudia Kauczok
kauczok@zentrum-dermatohistologie.de
www. zentrum-dermatohistologie.de
Seit 2018 wird von der Ständigen Impfkommission (STIKO) die Impfung mit einem rekombinanten adjuvantierten Herpes-zoster-Subunit-Totimpfstoff empfohlen. Alle Personen ab einem Alter von 60 Jahren bzw. bereits ab 50 Jahren, wenn eine Immunsuppres-sion oder eine andere schwere Grundkrankheit vorliegt, sollen zur Verhinderung von Herpes Zoster (HZ) und postherpetischer Neuralgie (PHN) die Impfung erhalten. Eine Impfserie besteht aus zwei Impfungen im Abstand von mindestens zwei bis maximal sechs Monaten.