Der Kunde einer Arztpraxis ist der Patient. Auch wenn die Abgrenzung zwischen dem Begriff „Kunde“ und „Patient“ immer wieder
für längere Diskussionen sorgt, hilft meiner Erfahrung nach der Grundsatz: Jeder Patient hat es verdient, bei kundenrelevanten Dienstleistungen in der Praxis, mindestens so gut wie ein Kunde behandelt zu werden. Das bedeutet im Einzelnen:
- Freundlichkeit und Zuwendung am Telefon, an der Anmeldung und bei der Behandlung
- Professionelle Planung der Abläufe
- Minimierung von Wartezeiten
- Ausrichtung der Arbeitsschritte auf den Patienten (und nicht unnötig stark auf die Partialinteressen der einzelnen Praxis-Vertreter)
Dabei gibt es durchaus Synergien zwischen zufriedenen Patienten und zufriedenem Team: Eine Entlastung des Praxisteams kann dann gelingen, wenn eine Praxis ihre Praxisorganisation zum ersten Mal bewusst aus der Perspektive der Patienten beleuchtet.
Online-Terminvergabe
Vergleicht man Patientenbedürfnisse und Wünsche der Praxisteams, dann zeigen sich oft Parallelen. Viele Patienten wollen nicht lange und vergeblich in telefonischen Warteschleifen hängen, sondern schnell Termine vereinbaren. MFAs möchten weniger Stress mit dem Telefon. Die Lösung: Online-Terminvergabe. Entscheidend ist, dass die Online-Termine gut geplant werden und sinnvoll in die Praxisorganisation eingebettet sind. Dafür ist es wichtig, dass diese den dafür geeigneten Patientengruppen in angemessener Weise mit Vorteilen präsentiert werden. Leider lässt das Nutzererlebnis bei den verfügbaren Online-Services großer bekannter Praxis-PVS-Systeme noch zu wünschen übrig. Da verstehe ich jeden Patienten,
der sich vor multipler Registrierung und wenig benutzerfreundlichen Workflows lieber wieder in die Warteschleife am Telefon begibt. Es gibt Anbieter, die das deutlich besser schaffen, diese sind aber nicht optimal mit der EDV verzahnt, wie es sich viele Praxen wünschen.
Feedback einsammeln
Ebenfalls gute Ansätze von Start-ups gibt es inzwischen für die digitale Anamnese (je nach Anbieter entweder in der Praxis mit Praxis-Tablets, per Smartphone oder sogar vorab von zu Hause aus).
Für die Erhöhung der Patientenzufriedenheit empfehle ich regelmäßige Patientenzufriedenheits-Befragungen. Diese sind zum einen wichtig, um präventiv potenzielle Kritiken bei Jameda, Google & Co zu reduzieren und helfen zudem, aus dem erhaltenen Feedback Optimierungspotenzial abzuleiten. Auch hierfür sowie für die praxisinterne und patientenbezogene asynchrone Kommunikation (Messengerdienste wie z. B. WhatsApp, aber für die Arztpraxis zulässig) gibt es digitale Angebote. Letztere entstressen die Kommunikation während der Sprechstunde deutlich, weil sie aus ungeplanten Patientenkontakten planbare Kommunikation in Arbeitsblöcken ermöglichen. Statt nur zu reagieren (wie bei Telefonkontakten oder bei Kontakten in der Praxis, wenn Patienten ohne Anmeldung erscheinen), können Sie als Praxisteam sinnvolle Arbeitsblöcke bilden und so z. B. Folgerezepte gebündelt dann fertig machen, wenn außerhalb der Sprechstunde Ruhe herrscht.
Wie gelingt Ihnen als Praxisinhaber die Mitarbeiter-Bindung?
Inzwischen sind die Zeiten vorbei, in denen schon tarifliche Zahlung bzw. übertarifliche Vergütung und zusätzliche Leistungen ausreichten, um Mitarbeiter zu halten und langfristig an die Praxis zu binden. Die Mehrheit der Praxen (75%) bietet den MFA bereits Sonderzahlungen oder andere Zulagen an. Jede dritte Praxis zahlt übertariflich.
Wir wissen aus Befragungen, dass neben der reinen Entlohnung vor allem folgende Faktoren für die Zufriedenheit des Praxisteams verantwortlich sind:
- Wertschätzung:(mehr) Lob und (weniger, dafür angemessene) Kritik
Auf die Frage, wie stark sich Ihre Mitarbeiter wertgeschätzt fühlen, haben Sie als Chefin bzw. Chef direkten Einfluss. Zentrales Element der Wertschätzung sind Lob und angemessene Kritik (heute eher in Form von „Feedback“). Das Verhältnis zwischen positiven und negativen Rückmeldungen sollte 3:1 betragen, weil Menschen mehr richtig machen als falsch und es nicht nachvollziehen können, wenn die häufigere Form des Feedbacks negativ ist.
Zur Wertschätzung zählen auch Großzügigkeit bei der Teilnahme an Fortbildungen (sowohl fachliche als auch übergreifende Kompetenzen wie z. B. Coachings in Patientenkommunikation oder Telefontrainings).
Andere Faktoren, die das Wohlbefinden während der Arbeit positiv beeinflussen, sind ergonomische Stühle, Headsets, schöne Pausenräume mit kleinen Annehmlichkeiten (Kaffeemaschine, Obst) und die Chance auf geregelte, ungestörte Pausen. Haben die Mitarbeiter das Gefühl, dass die Chefs an diesen Stellen wertschätzend agieren, macht auch gehäuftes Arbeitsvolumen weniger aus, als wenn das Gefühl bleibt, dass die MFAs „nur“ die Unterstützungsleistung an der Anmeldung erbringen. - Modernes Führungsverständnis
Trotz des langen Medizinstudiums und der Facharztweiterbildung wurde bei angehenden Ärzten der „Muskel“ Führungskompetenz wenig geschult. Auch hier gilt: Training sorgt für bessere Muskulatur! Wichtig ist, das aktuelle Führungsverhalten zu reflektieren und sich mit den Formen moderner Personalführung auseinanderzusetzen und diese in den Sprechstunden-Alltag zu integrieren.
Der früher übliche paternalistische Führungsstil sollte heute durch einen Coaching-orientierten Führungsstil ersetzt werden. Zur Führungsaufgabe gehören auch Aspekte wie Weiterentwicklung der Mitarbeiter, Zielvereinbarungen und individuelle Jahresgespräche. In vielen Praxen wissen nur die Praxisinhaber, was sie im laufenden Jahr erreichen wollen. Wenn ich diese Frage den MFAs in unseren Trainings stelle, herrscht hier oft Unklarheit bzw. völlige Ahnungslosigkeit über die aktuellen Praxisziele. Dabei macht es für den Sprechstunden-Alltag und die Praxisorganisation erhebliche Unterschiede, ob Sie Umsatz erhöhen, Wartezeit minimieren, Patientenzufriedenheit steigern oder den Stresslevel des Praxisteams reduzieren möchten. - Geregelte Dienstpläne bzw. Arbeitszeiten
Ein häufiger Grund, warum MFAs die Branche wechseln, sind ungeplante Arbeitszeiten und wenig Toleranz der Praxen hinsichtlich flexibler Arbeitszeitmodelle. Dabei hat uns Corona gezeigt, dass auch in Arztpraxen Homeoffice bei MFAs funktionieren kann. Viele Praxen haben erst durch die Pandemie erkannt, welche Vorteile z. B. ein ungestörter Telefonarbeitsplatz bieten kann, an dem eine geschulte Kraft strukturiert und mit einfachen Triage-Fragen Termine vergeben kann – ohne dass sie dabei durch in der Praxis wartende Patienten bzw. Lärm an der Anmeldung gestört wird.
Terminplanung: Dreh- und Angelpunkt der Praxisorganisation
Überhaupt wird das Telefon (und damit auch die telefonische Terminplanung) von vielen Praxen nach wie vor recht stiefmütterlich behandelt. Dabei ist die möglichst genaue, bedarfsgerechte und zeitlich gut geplante Einschätzung der zu erwartenden Behandlungszeit der primäre Erfolgsfaktor für eine gute Praxisorganisation und eine geringe Wartezeit.
Wir wissen, dass ab 30 Minuten Wartezeit bei Patienten mit Termin Unzufriedenheit aufkommt, die auch Behandlungsergebnisse beeinträchtigen kann. Dass dennoch viele Praxen unter dem Motto „one size fits all“ mit pauschalen Termindauern von z. B. 15 Minuten planen und dabei weder Indikationen noch zu erbringende Diagnostik berücksichtigen, wirft kein gutes Licht auf die Patientenorientierung.
In 5 Schritten zu besserer Zeitplanung
Die folgenden 5 Schritte helfen, schnell ein besseres Gespür für den Zeitbedarf zu bekommen:
1. Status-quo-Analyse:
Viele gängige Praxis-PVS-Systeme zeichnen mittels Zeitstempeln (timestamps) Ankunft, Setzen ins Sprechzimmer, Beginn Arztkontakt, Ende Arztkontakt und Verlassen der Praxis auf. Werden hier Mittelwerte gebildet, zeigen sich schnell Optimierungspotenziale.
2. Berücksichtigung der TOP-10-Indikationen: Werden die Termine noch so geclustert, dass die TOP-10-Indikationen (bzw. Therapien) ausgewertet werden, erhöht das die Planungsgenauigkeit nochmals.
3. Ehrliche Planung:
In größeren Praxen zeigen sich anhand von Auswertungen größere Differenzen des Zeitbedarfs bei den verschiedenen Arztkollegen. Gute MFAs können das auch ohne Auswertung spontan bestätigen und recht genau einschätzen. Oft werden diese Realitäten leider verkannt, verdrängt oder bleiben aufgrund sozialer Erwünschtheit unberücksichtigt. Dabei ist auch ohne Studium der Mathematik klar: Wer länger braucht als geplant, muss entweder später Feierabend machen oder weniger Patienten behandeln, um pünktlich nach Hause zu kommen. Wer dieses mathematische „Grundgesetz“ ignoriert, bezahlt bewusst mit in Kauf genommener Wartezeit für Patienten und mit unplanbarem Feierabend für das Team. Die negativen Auswirkungen auf die Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit muss ich nicht extra betonen.
4. Pünktlicher Sprechstundenbeginn:
Ebenfalls vermeidbare Wartezeit erzeugt ein unpünktlicher Beginn der Sprechstunde. Ich möchte hier keinem ärztlichen Kollegen vorschreiben, wann er in seiner Praxis mit der Sprechstunde morgens starten möchte. Appellieren möchte ich allerdings aus der Patientenperspektive, dass ich wenig Lust verspüre, meine Lebenszeit im Wartezimmer länger als notwendig zu verbringen, nur weil die Ärztin bzw. der Arzt meines Vertrauens es morgens nicht rechtzeitig in die Praxis geschafft hat oder noch andere Dinge zu erledigen hatte, die meinen pünktlichen Terminstart verzögern.
Was heißt das konkret? Starten Sie, wann Sie möchten. Aber planen Sie bitte den ersten Patienten so, dass er pünktlich von Ihnen zum vereinbarten Zeitpunkt im Sprechzimmer begrüßt werden kann. Sonst ist unnötige Wartezeit schon ab Beginn der Sprechstunde vorprogrammiert und Ausreden wie „Notfälle“ sind meiner Erfahrung nach deutlich seltener wahrheitsgemäß als die oben skizzierten Nachlässigkeiten.
5. Zu guter Letzt:
Verwöhnen Sie die richtigen Patientengruppen! Wer einen Akuttermin vereinbart hat, sollte auch im Hinblick auf diese Terminkategorie untersucht und behandelt werden. Wer sich aufgrund von starken Halsschmerzen anmeldet, dann aber im Sprechzimmer plötzlich feststellt, dass der Check-up 3 Jahre zurückliegt und überhaupt einmal wieder eine Blutentnahme und Kontrolle des Impfschutzes erfolgen sollte, der darf diese Leistungen gern in Anspruch nehmen: und zwar bei einem regulären Kontrolltermin (der bei guter Planung deutlich länger ist als in der Akutsprechstunde). So werden Sie beiden Patientengruppen gerecht: Die einen benötigen wegen akuter Symptomatik kurzfristig einen ärztlichen Rat; die anderen wollen mit längerer Beratungszeit verschiedene zeitunkritische Fragen geklärt haben.