Das Team des Centrums für systembasierte Antibiotikaforschung (Cesar) der Ruhr-Universität Bochum (RUB) berichtet in der Zeitschrift Antimicrobial Agents and Chemotherapy, online vorab veröffentlicht am 12. Oktober 2020. In einer weiteren Arbeit in der Zeitschrift Proteomics vom 19. September 2020 evaluierte das Team die Anwendbarkeit einer Methode zur Bestimmung des molekularen Angriffsortes von Antibiotika.
Wie ein Bakterium auf fast 100 Substanzen reagiert
Die Forscherinnen und Forscher, darunter viele Studierende der RUB, haben über Jahre hinweg Veränderungen des Proteoms des Modellorganismus Bacillus subtilis nach der Behandlung mit verschiedenen Wirkstoffen untersucht. „Die aktuelle Arbeit ist eine Zusammenstellung der Antworten auf fast 100 Substanzen“, erklärt Prof. Dr. Julia Bandow, Inhaberin des Lehrstuhls für Angewandte Mikrobiologie und Leiterin des Cesar.
Die Antwort des Bakteriums auf Antibiotikabehandlung stellt gleichsam einen Spiegel des physiologischen Stresses dar: Sorgt das Antibiotikum beispielsweise dafür, dass die Fettsäurebiosynthese gestört wird, werden die dafür nötigen Enzyme hochreguliert. „Da man recht gut versteht, wie Bacillus subtilis sich an wechselnde Bedingungen anpasst und wie das Bakterium auf unterschiedliche Stressfaktoren reagiert, können wir von der Proteomantwort oft darauf zurückschließen, welcher Prozess in der Zelle durch ein neues Antibiotikum beeinträchtigt ist“, erklärt Julia Bandow den sogenannten Comparison-of-Proteomic-Responses-Ansatz, kurz CoPR.
Ähnliche oder neue Wirkweise
Auf dieser Basis lässt sich ablesen, ob eine vielversprechende neue antibiotische Substanz ähnlich wirkt wie eine der bereits bekannten oder wirklich einen neuen Wirkmechanismus hat. „Wir freuen uns, wenn wir neue Proteomantworten sehen, denn das deutet darauf hin, dass die Substanz anders wirkt als die bisher untersuchten Antibiotika“, erklärt die Forscherin. In diesem Fall müsse man sich intensiv mit den regulierten Proteinen beschäftigen, um der Ursache für die Antwort und damit dem Wirkmechanismus auf die Spur zu kommen.
Als Beispiele haben die Forscherinnen und Forscher das erste jemals am Menschen eingesetzte Antibiotikum Salvarsan, das möglicherweise als Antibiotikum taugliche antirheumatische Auranofin, ein neues atypisches Tetrazyklin sowie die neue Hemmstoffklasse der trans-Translationsinhibitoren näher untersucht.
Welches Protein das Ziel ist
Bei neuen Antibiotika mit innovativen Wirkmechanismen ist es im nächsten Schritt essenziell, das direkte molekulare Ziel in der bakteriellen Zelle aufzuklären. Dazu wurde in der zweiten Studie die Anwendbarkeit einer bereits bekannten Wirkort-Analytik, basierend auf chromatografischer Co-Elution von Wirkstoff und Zielprotein, für die Antibiotikaforschung untersucht. Die Forscherinnen und Forscher inkubierten die Proteine aus Bakterienzellen mit einem zu untersuchenden Wirkstoff, sodass dieser an sein Ziel binden konnte. Im nächsten Schritt wurden die Proteine chromatografisch getrennt, wodurch man das Gemisch in seine einzelnen Bestandteile zerlegt. Der Wirkstoff bleibt dabei an das Zielprotein gebunden.
Mittels Massenspektrometrie suchte das Forschungsteam dann nach dem Wirkstoff. Neben dem an Proteine gebundenen Wirkstoff lässt sich auch der überschüssige Wirkstoff finden, der frei vorliegt. „Wenn man den Wirkstoff der gleichen chromatografischen Trennung ohne Proteine unterzieht, kann man feststellen, in welchen Fraktionen der freie Wirkstoff vorliegt. Die anderen Fraktionen sind dann die, die das Zielprotein enthalten“, so Julia Bandow.
Quelle: Ruhr-Universität Bochum