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Allgemein Medizin

Impfausweis
Vor allem immunsupprimierte Menschen benötigen einen ausreichenden Schutz gegen COVID.
Foto: AdobeStock/Zerbor

COVID-19-Impfung unter Immunsuppression

Auch bei der Impfung gegen COVID-19 gelten für Immunsupprimierte besondere Regelungen, da hier auch eine besondere Gefährdung durch die Erkrankung ausgeht. Auch die aktuelle postpandemische Situation hat hier an der Sinnhaftigkeit eines guten Schutzes für diese Risikogruppe wenig geändert.

Häufig wird schon die Grundimmunisierung nicht optimal durchgeführt. Gerade bei schwerer Immunsuppression (eine nicht abschließende Liste der entsprechenden Einordnung von Immunsuppressiva findet sich in den COVID-19-Empfehlungen der STIKO) empfiehlt die STIKO nach zwei Impfungen eine weitere Impfung mit vier Wochen Abstand anzubieten, um die Grundimmunisierung zu optimieren. Diese dritte Impfung ist keine Boosterimpfung, sondern wird als Vervollständigung der Grundimmunisierung gesehen.

Während bei leichter Immunsuppression keine Antikörperkontrolle notwendig ist, sollte eine ­serologische Überprüfung des Impferfolges bei schwerer Immunsuppression generell erfolgen. Die erste Kontrolle kann auch gleich bei der ­Gabe der Optimierungsimpfung erfolgen. Sollten die Antikörper negativ oder niedrig sein, kann versucht werden, die doppelte Dosis von Comirnaty (off-label-use), Spikevax (100µg) oder einen Impfstoff einer anderen Technologie (z.B. ein adjuvantierter Protein-Impfstoff wie Nuvaxovid) zu geben. Es können mehrere Impfungen notwendig sein, um einen Impferfolg zu erreichen.

Auch die Kontrolle der zellulären Immunität bietet sich an. Bei ausbleibender Immunantwort empfiehlt die STIKO auch die Anwendung von Tixagevimab und Cilgavimab (Evusheld) in einer Dosierung von 300 mg/300 mg (off-label-use) zur Präexpositionsprophylaxe zur Verringerung von Morbidität und Mortalität, auch wenn die Wirksamkeit bei den aktuell zirkulierenden Varianten eingeschränkt ist.

Erst nach einer erfolgreichen Grundimmunisierung sollte eine erste Auffrischimpfung im Mindestabstand von drei Monaten verabreicht werden, gefolgt von einer zweiten Auffrischimpfung nach weiteren drei Monaten. Insgesamt werden bei schwerer Immunsuppression also fünf Impfungen empfohlen. Zur Einordnung einer Infektion in dieses Impfschema äußert sich die STIKO nicht klar. Aus Sicht des Autors sollte sie jedoch zumindest gleichwertig wie eine Impfung gesehen werden.

Impfungen unter immunsuppressiver und modulatorischer Therapie bei chronisch entzündlichen Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen

Im April 2019 wurden von der STIKO die Anwendungshinweise zu den empfohlenen Impfungen bei Immundefizienz veröffentlicht: Impfen bei Autoimmunkrankheiten, bei anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen und unter immunmodulatorischer Therapie. Diese ­Anwendungshinweise gelten als Hilfestellung zu Impfungen bei Personen mit Immundefizienz und sollten unter Berücksichtigung der Fachinformationen der jeweiligen Impfstoffe und Medikament bei angewendet werden.

Grundlegend lassen sich für die hausärztliche Praxis Regeln zur Impfung unter Immunsuppression ableiten, die die Handhabung deutlich vereinfachen.

Totimpfstoffe können grundsätzlich bei Personen mit einer Autoimmunkrankheit oder einer anderen chronisch-entzündlichen ­Erkrankung ohne oder unter einer immunsuppressiven Therapie angewendet werden. Für den Geimpften besteht dabei kein besonderes Risiko. Aufgrund der Immunsuppression kann jedoch der Impferfolg eingeschränkt sein, was aber dennoch kein Grund wäre, eine Impfung nicht zu geben. Denn auch ein geringerer Schutz ist für die besonders gefährdeten Patient:innen besser als gar kein Schutz.

Lebendimpfstoffe sollen während einer immunsuppressiven Therapie im Normalfall nicht gegeben werden (außer bei Therapeutika mit geringgradiger immunsuppressiver Wirkung bei niedriger Dosierung). Umso wichtiger ist eine Umsetzung mit entspre­chendem Abstand vor Therapiebeginn.

Welche Impfungen sollen gegeben werden?

Neben den Standardimpfungen für die entsprechenden Altersgruppen und berufsbedingten oder regional bedingten (z.B FSME) Impfempfehlungen sollten, insbesondere bei schwerer Immunsuppression, immer folgende Impfungen berücksichtigt werden:

  • Sequenzielle Impfung gegen Pneumo­kokken (PCV 13 + PPSV 23)
  • Meningokokken ACWY, Meningokokken B
  • Hepatitis B
  • Saisonale Influenzaimpfung (ab 60 Jahren mit einem hochdosierten Influenzaimpfstoff)
  • Herpes Zoster nach STIKO ab 50 (da ­Zulassung ab 18 auch für unter 50-Jährige sinnvoll)

Für eine optimale Wirkung werden Totimpf­stoffe zwei Wochen, besser vier Wochen, vor Therapiebeginn gegeben. Da dies häufig aufgrund der Notwendigkeit eines zeitnahen Therapiebeginns nicht möglich ist, erfolgen die Impfungen unter laufender Medikation. Der Impferfolg lässt sich verbessern, wenn mit maximalem Abstand zu den jeweiligen Einzelgaben der Medikation geimpft wird.

Besonders wichtig ist es, wie oben schon beschrieben, die impfpräventablen Erkrankungen, für die nur Lebendimpfstoffe zur Verfügung stehen, im Auge zu haben. Da unter der immunsuppressiven Therapie eine Impfung nicht mehr möglich ist, sollte ein Schutz unbedingt vor Ansetzen der Therapie erreicht werden. Eine umgehende Bestimmung der Antikörper gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen sollte erfolgen, sobald die Indikation zur Therapie gestellt wurde, und gegebenenfalls noch zu impfen, falls das vor Therapiebeginn noch möglich ist. Der Abstand zwischen Lebendimpfungen vor oder bei pausierter bzw. abgesetzter immunsuppressiven Therapie ist abhängig vom Therapeutikum. Jede Therapiepause sollte genutzt werden, um die Notwendigkeit von Lebendimpfungen nach aktuellen Empfehlungen zu hinterfragen. In der Praxis bietet es sich jedoch an, den Schutz bei nicht ausreichendem Impfnachweis grundsätzlich gleich zu vervollständigen, jedoch spätestens, wenn eine Diagnose gestellt wird, die voraussichtlich eine immunsuppressive Medika­tion nach sich ziehen wird.

Die Umsetzung von Impfungen bei Immunsupprimierten bleibt ein komplexes Thema mit hohem Beratungsaufwand, lässt sich aber in Hinblick auf die unkomplizierte Gabe von Totimpfstoffen und den festen Umfang der empfohlenen Impfungen in der Praxis gut standardisieren.

Dr. med. Markus Frühwein